Donnerstag, 19. März 2020

Brief 803 vom 17.10.44


 Mein liebster Ernst!                                                                 (verm. 17.10.44)

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 1.10. Nr. 70. Vorher hatte ich ja schon Briefe bis Nr. 82 erhalten, sodaß manche Frage schon beantwortet ist, die Du in Deinem heutigen Brief stellst. Übrigens hatte ich gestern von einem Brief Nr. 77 vom 3.10.  gesprochen, den ich erhalten hatte. Die Nummer stimmt nicht, es ist Nr. 72, wie es auch drauf steht. Ich meinte erst, Du hättest Dich verschrieben.  Aber Du hast erst zwischen dem 4. und 5.10 von Nr. 73 auf 79 einen Sprung gemacht. Die 100, Mk von Dir sind heute auch angekommen. Ich werde sie auf Dein Konto einzahlen.  Vater habe ich heute von den vorrätigen Rauchwaren etwas gegeben, 100 Zigaretten und einige Zigarren. An Papa werde ich auch was schicken.  Der Nachbar von Erna gefällt mir auch nicht. Genau wie er über Erna redet, wird er sicher auch über Papa reden. Erna ist überhaupt den Leuten gegenüber zu vertrauensselig.  Heute Nachmittag habe ich noch die Kartoffeln rausgemacht, die so verstreut bei den Stangenbohnen und den Gurken standen. Es hat 35 Pfund ergeben. Doch ein schönes Ergebnis, nicht wahr? Und große Kartoffeln.  Einen Ärger habe ich heute auch gehabt und ich denke, daß es Dir schon recht ist, wenn ich davon schreibe. Nun haben die auch einen Buben im gleichen Alter wie Jörg. Gestern fing der nun an „Du mußt nicht denken, daß du für dein schaffen was kriegst. Übrigens, wenns dir nicht paßt, bist du in einer halben Stunde beim Bann abgemeldet und brauchst nicht mehr kommen.“ Als ich nun vom nähen heim kam, sagte mir Jörg das und meinte, er ginge nicht mehr hin. Ich sagte ihm, ich würde erst mit den Leuten sprechen. Ich konnte dann mit der Frau reden und sie meinte, das wär natürlich Unsinn, was ihr Bub geredet habe. Der VAter würde ihn einmal richtig vornehmen.  Heute war ich doch im Garten. Da sehe ich, wie Jörg im Garten beim Leirer mit der Schubkarre rumfährt. Ich rufe ihn an und er kommt her und ist ganz aufgeregt. Da ist der Willi von Leirers, der kleinere Bub von ihnen und der Gusti von Bautzens an ihm vorbeigegangen, haben ihm „alter Großvater“ usw. zugerufen und haben mit Äpfeln nach ihm geworfen. Wie mir dann Jörg sagte, hat der bub von Leirers schon mehrere Tage nichts mehr mitgeschafft, sondern ist nur rumgebummelt und dann ist er noch frech. Das war mir doch zu bunt. Ich bin nochmals zu Leirers hin und habe gesagt: „Ich komme heute nochmal. So geht das auf keinen Fall weiter. Heute hat der Willi mit noch 2 Buben Jörg ausgelacht und beworfen. Ich sehe es überhaupt nicht ein, warum Jörg schaffen soll, wenn ihr Bub nichts tut. Er ist genau noch ein Kind, und er hat sich gemeldet zum helfen, wenn Arbeitskräfte fehlen. Aber wenn ihr Junge immer nur herumläuft, halte ich es auch nicht für nötig, da‘ Jörg schafft. Da kann ich ihn auch in unserem Garten beschäftigen, da hat er auch zu tun. Ich war jetzt sowieso über 4 Wochen krank und kann jetzt noch nicht gut laufen. Da kann ich auch Hilfe brauchen. Jedenfalls so geht es nicht weiter.“ Die Frau sagte dann, das sähe sie ein. Sie würde dafür sorgen, daß sich das ändert. Ich sagte darauf „Gut, so soll Jörg heute noch schaffen. Aber wenn es nicht anders wird, so soll er heim kommen.“ Ich habe Jörg auch gesagt, so schwere Arbeit mit dem großen Schubkarren soll er nicht machen. Das ist ja Männerarbeit. Dazu ist er ja nicht dort.  Habe ich alles soweit recht gemacht? Oder bist Du anderer Meinung? Jetzt hätte ich bald den Geburtstag von Lotte verpaßt. Erst aus dem heutigen Rundbrief von Papa erfuhr ich davon. Ich schreibe heute noch eine Karte. Ich wußte in den letzten Wochen schon, daß in der Nähe rum der Geburtstag sein müßte, denn ich hatte vom vergangenen Jahr her noch eine blasse Ahnung, daß er bald bei Siegfrieds Hochzeitstag war. Nun hat es Papa ja noch geschrieben.  Nun ist der Tag wieder zu Ende und ich schließe nun mit recht vielen lieben und festen Grüßen und Küssen an Dich, mein liebster Mann. 

Deine Annie.

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