Donnerstag, 19. März 2020

Brief 793 vom 3.10.1944


Mein liebster Ernst !                                                                              3.10.44         

Denk Dir, heute habe ich wieder 3 Briefe von Dir erhalten. Nr. 62, 63, 64 vom 23./24./25.9 . Ich bin doch in den letzten Tagen richtig verwöhnt worden, nicht wahr? Aber dafür werde ich sicher auch wieder einige Tage vergeblich warten müssen. Aber die Freude wird dadurch nicht geringer. Du bist so lieb, daß Du sogar bei ganz knapper Zeit an mich geschrieben hast.  Blühende Astern hattest oder hast Do dort vorm Haus. Hier standen welche neben Deinem Bild. Ich mag Astern sehr gern und sie bleiben auch in der Vase so lange frisch.  Dieses Jahr erntest Du persönlich mehr als ich. Ich lasse mir alles ernten und faulenze. Lieber wäre es mir zwar auch, ich könnte es selber tun. Wenn nur der Fuß erst wieder richtig mitmacht.  Heute habe ich zwar überall ein bißchen mitgeholfen, denn es war sehr viel zu tun und alles kann ich ja den Kindern auch nicht aufladen. Sie haben heute 60 Pfund Kartoffeln und 36 Pfund Äpfel geerntet. Da mußte ich doch wenigstens auslesen mithelfen und die Hausarbeit tun. Nun muß ich zwar wieder sitzen, da der Fuß noch weh tut und angeschwollen ist. Aber es freut mich so, wenn ich auch ein bißchen helfen kann.  Es ist lieb von Dir, daß Du mir das Schreiben an Frau Frick abnimmst. Ich kenne ja die Frau überhaupt nicht.  Die Rosegger Bücher, die ich gelsen habe, waren aus der Leihbücherei. Wir selber haben nur 2 Bücher. Mama hatte alle WErke. Wo die sind? Wer weiß. Vielleicht noch daheim, aber danach fragen mag ich nicht gern. Das ist ja jetzt auch nicht das wichtigste.  Vater hat nun auch seine Kartoffeln im Gemüsegeschäft bestellt. Morgen müssen wir sie holen. Er geht mit den Kindern zum Petershäuser Bahnhof und holt sie, ich kann noch so schlecht . Man bekommt ja einstweilen nur die Hälfte, 1 Ztr.  pro Person.  Nachher haben wir noch Luftschutzübung, das wird wieder was werden. Jörg hat sich einen neuen Drachen gebaut. Der fliegt jetzt prima.  Nun ist er ganz stolz und sagt, selber gebautes macht doch mehr Freude als gekauftes. 4.10. Heute sind nun die Kartoffeln geholt worden. Um 7 Uhr sind die Kinder fortgegangen. Um 1 Uhr sind sie mit den Kartoffeln heim gekommen. VAter hatte mit raufschieben geholfen. Zuerst hatten sie den einen Zentner zu Vater gebracht. Diesen Brief konnte ich noch nicht fortbringen lassen, denn Jörg ist vorhin schaffen gegangen und Helga hat vorhin zusammen mit Ingrid die Kartoffeln in einem Eimer ins Waschhaus geschafft, wo sie austrocknen können. Nun möchte ich ihr ein Ausruhen gönnen.  Wahrscheinlich wird mich nachher noch Resi besuchen. Sie ist auch ein Invalide.  Sie hat Blutvergiftung an einem Arm. sie hatte eine kleine Brandblase am Arm und hat damit noch Wäsche gewaschen. Da ist eine Blutvergiftung draus geworden. Von Fritz hat Resi noch keinen Brief seit dem 23. August mehr bekommen.  Resi war vorhin da.  Wir haben uns ganz gut unterhalten. Resi quält sich jetzt sehr mit den Gedanken, was wohl mit Fritz ist. Ob es ihm schecht geht, ob er hungern oder frieren muß, ob er gequält wird. Es ist auch so furchtbar, wenn einem das Schicksal des liebsten Menschen so ungewiß ist.  Ich hatte mich schon gewundert, warum mich Resi nicht mehr besucht, nachdem sie es mir versprochen hatte. Heute fragte sie so, ob ich von Dir Nachricht hätte und von wann. Als ich es sagte, meinte sie „Ich habe mich garnicht her getraut. Da ist überall erzählt worden, Ernst sei vermißt. Ich dachte, vielleicht weiß Du noch garnichts davon. Der Ortsgruppenleiter Blochwitz hat es erzählt“. Ich habe ihr dann erzählt, wie alles zusammenhing. ABer daß der Blochwitz schwätzen muß, weiß ich nicht.  Ca. 15 Pfund Äpfel haben die Kinder heute wieder runter geholt. Jörg war bis beim Starenkasten oben.  Heute hat Jörg einen Fuchsienstock vom Gärtner mitgebracht. Er hat ihn geschenkt bekommen. Er hatte gefragt, wie viel er kostet und der Gärtner hat gesagt, für ihn nichts. Das ist was für unseren Jörg, Blumen. ABer der Fuchsienstock ist auch wirklich schön.  Nun laß mich schließen. Nimm wieder recht viele Grüße und herzliche Küsse   entgegen von Deiner Annie.

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