Mein lieber Mann!
27.Oktober 40
Nun ist schon bald der Sonntag wieder vorbei, das
Wunschkonzert hat auch schon begonnen. Wetter zum fortgehen ist heute auch
keins, also sind wir zuhause geblieben. Es wird jetzt schon ziemlich kalt, da
die Sonne durch die Nebelschicht nicht durch kommt. Die Kinder trösten sich
darüber, daß sie nicht mehr so raus können, indem sie sich gegenseitig immer
wieder versichern, daß es drin doch viel schöner sei und man auch viel schöner
spielen könne.
Wie mir Helga erzählte, geben die elsäßischen Lehrerinnen,
die zum Umlernen hier sind, den Kindern nächste Woche Unterricht und die
Lehrerin schaut zu.
Ich habe heute ein bißchen gefaulenzt. Ich habe mir den
Zeitungsroman „Sturm auf Zeebrügge“ vorgeholt und gelesen. Dieser ist gerade
jetzt, wo wir die Küste besetzt haben, interessant. Was wirst Du heute tun? Ob
Du auch wieder auf das Wunschkonzert hörst?
Einen Brief habe ich heute nicht bekommen, dafür ja aber die
vergangenen Tage immer. Aber freuen tue ich mich doch schon fest auf den nächsten
Brief von Dir. Jetzt fängt es sogar an, einzelne Flocken zu schneien. Es ist
eben doch schon bald Winter. Sei Du,
mein lieber, allerliebster Ernst, recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Annie.
Mein lieber
Ernst! Konstanz, 27.10. abends
Heute Abend will ich Dir nur noch erzählen, wie ich den
Kindern heute mit so kleinen Mitteln eine große Freude machen konnte. Als ich nachmittags den Brief an Dich
geschlossen hatte, kam mir eine Idee. Ich weiß doch, daß die Kinder sehr gern
Omnibus fahren. Da habe ich sie nun gefragt, ob sie den Brief an Dich
wegschaffen wollen. Sie sollten bis zum Lutherplatz fahren, nach der Post
laufen und wieder zurückfahren. Da ging ein Freudengeheul los. Sie sind dann
auch gefahren und nach 1 Stunde waren sie wieder da. Den ganzen Abend haben sie
sich noch gefreut, daß sie wirklich einmal allein fahren durften. Sie haben
schon gesagt, am liebsten machten sie das am nächsten Sonntag wieder. Da habe
ich aber gleich abgebremst. Das ganze Vergnügen hat 40 Pfennig gekostet und hat
viel Freude ausgelöst.
Als die Kinder wieder heimkamen, haben wir Abendbrot
gegessen und dann mußte ich wieder vorlesen. Beide sind immer den ganzen Tag
schon gespannt, wie das Märchen weitergeht.
Bei Jörg ist das Auge doch immer noch dick und der Arzt sagte damals,
vielleicht geht es durch warme Umschläge wieder weg. Diese habe ich ihn während
des Vorlesens machen lassen. Damit er nun nicht allein ist, habe ich Helga über
beide Augen feuchte Umschläge machen lassen, da sie doch immer so blinzelt und
sagt, daß ihr die Augen weh tun, darum müßte sie so blinzeln. Sie haben ihr gut
getan und ich habe den Kindern angekündigt, daß wir das jeden Abend beim
vorlesen machen werden. Beim Vorlesen brauchen sie ja nicht sehen, sondern nur
hören. Im Übrigen muß man die Augen pflegen und nicht leichtsinnig damit
umgehen. Das meinst du doch sicher auch?
Nachdem es jetzt auf einmal so kalt geworden ist, bin ich
froh, daß ich die schönen Tage zum Umgraben ausgenutzt habe. Da war es noch
schön warm. Die Doppelfenster kann ich auch schon ganz gut gebrauchen. Vor ein
paar Tagen schrieb ich Dir noch, daß ich den Ofen sauber gemacht habe, da man
jetzt bald mit dem heizen rechnen muß und nun habe ich die beiden letzten Tage
schon Feuer machen müssen. Es hat mich gefreut zu merken, wie gut der Ofen
wieder brennt. Es ist ganz mollig in der Küche. Von jetzt an werde ich mir für
den Abend wieder Strickzeug fertig machen.
Darauf freue ich mich schon ein bißchen, fast mehr als auf´s nähen. Letzteres
mache ich ja bei Tag. Nun will ich
schlafen gehen. Gute Nacht, mein lieber Schatz.
28.Oktober
Lieber
Ernst!
Wir haben jeden Tag das gleiche Wetter. Es nieselt so runter und ist trüb und
unfreundlich. Da ist man immer an die Stube gefesselt. Heute habe ich auch keinen Brief von Dir
bekommen, ich weiß zwar nicht genau, ob der Briefträger heute Nachmittag schon
vorbei ist. Ich nehme nachher das
Päckchen mit den Honigbehältern mit zur Post. Es wird Dir sicher nichts
ausmachen, daß ich sie nicht schon am Samstag geschickt habe. Morgen hoble ich nun das Kraut ein. Mal
sehen, wie viel es gibt. Sauerkraut ist doch immer was Gutes, vor allen Dingen
im Winter, wenn das Gemüse knapp ist.
Am Mittwoch ist Spartag. Da hat Helga schon in der Schule ein
Spiel und ein kleines Liederbuch bekommen, die alle vom Sparen handeln. Nun hat
die Lehrerin gesagt, wenn sie am Spartag Geld auf die Kasse bringen, bekommen
sie evtl. noch was. Das hat sie beide, Helga und Jörg, nicht ruhen lassen. Wir
haben gleich ihre Sparbüchsen geleert und am Mittwoch bringt jeder 1,50 fort.
Helga singt jetzt nichts weiter als die Sparlieder wie z.B. Ich spar mir mein
Geld, denn ich bin ja nicht dumm, nein, nein, ich schlepp auch kein Geld in der
Tasch‘. Dann hab ich nur Angst, daß ich alles vernasch‘, nein , nein, nein,
nein, nein nein.“ Oder „Pfennig,
Pfennig, bist nur so klein, aber in Scharen, will ich Dich sparen, Pfennig,
Pfennig, bist nur so klein.“ In dem Büchlein sind nun sieben Lieder mit je 3
bis 4 Versen, alle auf bekannte Kinderlieder-Melodien. So bringt man die Kinder
zu sparen. Das Büchlein ist außerdem mit bunten Bildern ausgestattet, da nehmen´s
die Kinder noch mal so gern in die Hand.
Eben kam der Briefträger, aber für mich hatte er nichts. Vielleicht
bekomme ich morgen dafür desto mehr.
Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst!
Konstanz, 28.Okt.40
Heute schicke ich Dir die gewünschten Honigbehälter. Ich
hätte sie ja schon am Samstag wegschicken können, aber da hatte ich keine Zeit
zum backen. Ich hoffe, daß Dir die Gewürzkuchen schmecken. Da ist Schokolade von
Dir mit drin. Ich habe Dir zwei Kartons
geschickt, da ich nicht weiß, ob Du dort so einfache welche bekommst, ich meine
Kartons zum Fett schicken. Ich weiß ja nicht, wie viel es ist. Auf jeden Fall
wiegt Fett schwer und mit einem großen Karton ist Dir da wenig genützt, da die
Päckchen ja nur ein Pfund wiegen dürfen. Ich habe Dir mal alle Honigbehälter
geschickt. Du mußt mich nicht auslachen, wenn es zu viele sind, wegschmeißen
kannst Du sie ja immer noch. Sei recht herzlich gegrüßt und nimm viele Küsse
von Deiner Annie.
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