Mein lieber Ernst!
24.Okober
Als Helga heute früh aufstand, sah sie den Brief an Dich auf
dem Tisch liegen. Da hat sie sich schnell angezogen und dann gleich etwas
dazugeschrieben. Ein Fehler hat sich ja mit reingeschmuggelt, aber ich habe
nichts weiter gesagt, um ihr die Freude
nicht zu verderben. Da man doch
damit rechnet, daß man bald heizen muß, habe ich heute früh den Küchenofen und
das Rohr sowie das Rohr im Stubenofen sauber gemacht. Hinterher habe ich dann
an den Baum Gülle geleert. So habe ich gleich an einem Tage die unsaubersten
Arbeiten erledigt. Nachmittags wollte ich noch umgraben, aber es hat inzwischen
mit regnen angefangen. So eilig ist diese Arbeit ja nun nicht, daß ich sie im
Regen machen muß. Als Ersatz habe ich dafür unsere Küche verschönert, indem ich
neue Gardinen angemacht habe.
Es ist jetzt ¾ 4 Uhr und eben brachte mir der Briefträger
Deinen lieben Brief vom 20. Oktober. Da habe ich mich aber gefreut, ich habe
schon sehnsüchtig darauf gewartet. Vor
allen Dingen hat es mir sehr leid getan, daß Du Dir einen Hexenschuß geholt
hast. Das ist ja so schmerzhaft. Ist es inzwischen wieder ganz gut
geworden?
Wie ich Dir ja schon schrieb, habe ich mich am Sonntag daran
erinnert, wie wir auf der Mainau und auf dem Tabor waren. Ich denke auch jetzt
immer wieder gern daran. Es waren ja so schöne Tage, als Du da warst.
Hoffentlich kommen sie bald einmal wieder.
Meine Briefe hast Du also alle vorgefunden und die 5,-Mk.
sind auch nicht verloren gegangen.
Inzwischen wirst Du ja auch die 5,-Mk bekommen haben, die ich Dir vor
ein paar Tagen geschickt habe. Ich habe also recht gehabt, als ich annahm, daß
Du einen ersten Brief jemand mitgegeben hast. Das war sehr lieb von Dir. So
habe ich doch schnell Nachricht von Dir gehabt.
Du schreibst mir auch von Nanni. Ich glaube gern, daß sie
nicht zu beneiden ist. Sie hat auch ziemlich spät geheiratet, da passen sich
die Menschen meist nicht mehr an und außerdem ist es eben auch nicht der Mann
danach. Wie ich Dir ja auch bezüglich Steinmehls schrieb: Es ist doch das
schöne bei uns, daß wir alles miteinander besprechen können und dass wir nicht
sagen brauchen, wir sind froh, wenn wir uns nicht sehen. Es läßt sich doch
alles leichter ertragen, wenn man weiß, man hat jemand, dem man ganz vertrauen
kann. Und dafür möchte ich Dir auch immer wieder danken.
Du hast Dich ja in der kurzen Zeit, die Du dort bist, schon
wieder nach vielerlei erkundigt und besorgt, trotzdem Du nicht ganz auf dem
Posten warst. An mich hast Du vor allen Dingen wieder gedacht. Gefreut habe ich
mich auch, daß Du Dir einen Mantel bestellt hast. Das Geld, das noch hier ist,
lasse ich Dir gleich Anfang nächsten Monats per Postanweisung zugehen. Solltest
Du trotz der Frontzulage noch Geld brauchen, so mußt Du mir schreiben. Du weißt
ja, daß ich Dir gern etwas schicke. Du verwendest es ja doch meist für
uns.
Nun will ich schließen, denn es wird Zeit, daß ich in die
Stadt fahre. Sei für heute herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie und denke immer an uns.
Mein lieber Ernst! Konstanz, 24.Oktober 40.
Wenn es auch schon ½ 11 Uhr ist, so möchte ich doch gern
noch einige Zeilen an Dich schreiben. Vater ist vor ein paar Minuten
heimgegangen. Er war den Abend über da und hat mir vom Geschäft usw. erzählt.
Da habe ich dabei die Sohle auf den Filzschuh von Jörg nähen können. Hinterher
habe ich noch Strümpfe gestopft und so ist dieser Abend auch herum
gegangen. Ich war heute noch auf der
Bezugscheinstelle und habe die Hausschuhe beantragt. Den Schein bekomme ich
zugestellt.
Helga hat Dir heute auch noch einen Brief geschrieben und
Jörg hat gemalt. Sie schicken Dir‘s extra. Wenn Helga von elsäßischen
Lehrerinnen spricht, so meint sie, daß welche zur Besichtigung gekommen
sind.
Ich habe mich heute so gefreut, daß ich einen so lieben
Brief von Dir bekommen habe. Hoffentlich bist Du wieder ganz gesund. Nun will ich schlafen gehen. Gute Nacht mein
lieber Mann!
24. Oktober
Mein lieber, guter
Ernst! Heute früh erhielt ich so einen herzlichen Brief von Dir vom 21., daß
ich den ganzen Tag froh bin, schon Deine liebe Anrede hat mich so gefreut. Am vergangenen Sonntag hast Du also auch das
Wunschkonzert gehört. Ich habe dabei ja auch immer an Dich gedacht. Wenn ich
etwas aus dem Fliegenden Holländer höre, denke ich immer noch ganz besonders an
Dich, weil ich weiß, daß Du das gern hörst.
Ich glaube, Du bist hier bei uns der Schnakenplage entwöhnt worden und
mußt Dich erst wieder an deren Angriffe gewöhnen.
Ich kann ja den Eltern evtl. ein Pfund Kaffee abgeben.
Wahrscheinlich werde ich M 2,5o berechnen, denn der Kaffee, den wir jetzt hier
bekommen, kostet 2,40 bis 3,20 pro Pfund. Die 50g, die ich bekommen habe, habe
ich Vater gegeben. 20Pfg.-Briefmarken
schicke ich Dir auch so mit, ehe ich das Geld von den Eltern bekomme. Die
Päckchen sind ja doch für uns bestimmt und Du bemühst Dich so, uns eine Freude
zu machen.
Heute ist es mit dem Graben im Garten auch nichts geworden,
da es wieder regnet, d.h. eigentlich
ist es mehr Nebel, der runter kommt. Ich habe da gleich die Gelegenheit
wahrgenommen und die Filzschuhe von Jörg fertig gemacht. Sie sind nun
gebrauchsfähig.
Nachmittags ist Helga mit der Spielschar zu den Verwundeten
gegangen. Ich habe ihr Äpfel und zwei Blumensträuße mitgegeben. Sie ist noch
nicht wieder da.
Bei uns am Bahnhof findet jetzt auch öfter der Austausch
deutscher und französischer Verwundeter statt, die über die Schweiz transportiert
werden. Da habe ich jetzt öfter Lazarettzüge gesehen.
Jetzt muß ich Dir noch von einer Hochzeit erzählen. Weißt Du, wer geheiratet hat? Das größere
Mädchen von Sterks, die bei uns im Haus gewohnt haben, die Bertl. Für die hohen
Geistesgaben des Bräutigams zeugt, daß er, als die Braut in einem mordsmäßigen
Rausch bei der Hochzeitsfeier, (die sie übrigens in einem Lokal gefeiert haben)
unter den Tisch gerutscht ist, aufstand und schrecklich geheult hat, weil er
glaubte, sie sei tot. Bei Stromeyer, wo die neugebackene Frau Ochs ja schafft,
hat man´s erzählt. Ist so eine Hochzeit nicht eine Lächerlichkeit?
Bei unserem Baum sind jetzt jeden Tag zwei Äpfel
runtergefallen, heute ausnahmsweise einmal 8 Stück. Jetzt hängen, soviel ich sehe, noch ganze drei Stück oben. Ich
habe schon oft jetzt gedacht, wie lieb es von Dir war, daß Du die Äpfel noch
runter geholt hast. So können wir sie wenigstens nach und nach essen. Nun will ich schließen. Ich denke immer an
Dich und grüße und küsse Dich recht herzlich, Deine Annie.
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