Mein
lieber Ernst! 19. Oktober
Nun ist schon wieder
Samstag und Du bist bald ½ Woche fort. Es ist gut, daß die Tage schnell herum
gehen, dadurch kommt doch schon Dein nächster Urlaub näher, wenn der auch noch
auf sich warten lassen wird. Aber dieser Urlaub war so schön, daß man bald den
nächsten herbei wünscht.
Ich stürze mich jetzt wieder in die Arbeit, damit ich Dein
Fernsein nicht so empfinde. Wie hast Du
Dich dort wieder eingelebt? Ich werde ja auch bald Nachricht von Dir erhalten.
Darauf freue ich mich schon.
Nächste Woche fange ich an im Garten zu schaffen. Diese Tage
bin ich noch nicht dazu gekommen. Der Herr Gassner, wo ich den Kalk geholt
habe, ist auch seit ½ Jahr eingezogen. Er ist auch in Frankreich. Ich schicke Dir einen Zeitungsausschnitt
mit, an dem mich vor allen Dingen interessiert hat, daß Päckchen mit
Übergewicht der N.S.V. überwiesen werden. Wenn auch die N.S.V. eine gute Sache
ist, so sehe ich doch nicht ein, warum man das, was Du dort kaufst, noch dieser
Einrichtung schenken soll. Dafür geben wir ja hier schon. Also, paß auf auf‘s
Gewicht. Nun will ich für heute
schließen. Diesen Brief schicke ich auch noch mal früh weg, da ich doch
einkaufen fahren muß. Mein lieber Mann,
sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber Ernst!
Konstanz, den 19.Okt.40.
Es ist bereits ¼ 10 Uhr abends und ich bin soeben mit
schaffen fertig geworden. Heute vor 14 Tagen warst Du den ersten Abend da. Da
war es schöner als heute.
Gegen Abend habe ich die zwei vergrößerten Bilder von Dir
geholt. Ich habe sie in Rahmen getan und aufgehängt. So kann ich sie mir immer
ansehen und das tue ich sehr gern.
Nun will ich Dir noch von meinem Tagewerk berichten. Ich
habe heute mit Herrn Steinmehl wegen der Bestellung von Mist gesprochen. Er
will einen ganzen Wagen voll nehmen. Ich nehme nun auch einen Wagen voll, (wenn
ich ihn bekomme) und Frau Nußbaumer nimmt ¼ oder ½ davon. Der Sohn von Steinmehl
will nächste Woche die Zettel besorgen.
Der Sack Falläpfel, der in der Küche stand, ist gleich alle.
Nun habe ich noch die Wanne voll zum schnellen Verbrauch. Es ist doch schön,
wenn man etwas vorrätig hat.
An Kurt habe ich das Notizbuch schon am Donnerstag
weggeschickt. Ich habe nur einen kurzen Zettel beigefügt. Mit diesem Brief schicke ich Dir 5,-Mk mit,
die ich bekommen konnte. Bezüglich
meines Rades habe ich mich nochmals nach einem Rückstrahler erkundigt. Ich soll
in 3 Wochen wieder nachfragen. Inzwischen habe ich einen Zettel bekommen zum
Ausweis gegenüber der Polizei, daß ich mich um den Rückstrahler bemüht
habe. Bei uns herrscht gar kein schönes
Wetter mehr, seit Du fort bist. Immer lagert eine Hochnebeldecke am Himmel, die
sich bei Tag gar nicht mehr auflöst, höchstens gegen Abend mal ein wenig, damit
der Mond herunter sehen kann. Aber was nützt uns das schon? Ich glaube, das
Wetter ist mit mir traurig, daß Du fort bist, darum zeigt es auch kein
lachendes Gesicht.
Je öfter ich mir die Bilder von Dir ansehe, desto größere
Sehnsucht bekomme ich nach Dir und es will mir noch immer nicht in den Kopf,
daß ich Dich jetzt wieder lange Zeit nicht sehen soll. Aber es muß eben sein
und wir wollen uns tapfer durchbeißen.
Nun will ich schlafen gehen. Gute Nacht, lieber Ernst!
Guten
Morgen, lieber Ernst! 20. Oktober
Heute ist nun Sonntag.
Ich wollte eigentlich es wäre keiner, denn gerade am Sonntag merkt man
besonders, daß man allein ist. Arbeit ist doch die bestes Medizin. Vorigen Sonntag waren wir nachmittags auf
der Mainau und heute werde ich mir das Wunschkonzert anhören. Wenn Du dort nicht
fort fährst, willst Du Dir‘s ja auch anhören. Da werden sich unsere Gedanken
also treffen. Die meinen sind ja sowieso immer unterwegs zu Dir. Ich warte immer auf den ersten lieben Gruß
von Dir, aber ich werde mich wohl noch etwas gedulden müssen, denn 5 Tage ist
ja meist die Post unterwegs. Die
schönen Sachen von Dir habe ich alle versorgt, bis Du wieder kommst. Nur die
Interlok-Wäsche ziehe ich an und ich muß feststellen, nach dem ich heute davon
auch einen Unterrock angezogen habe, daß sie schön warm hält ohne aufzutragen.
Ich möchte Dir auch für diese Wäsche nochmals recht sehr danken. Nachdem Du vor Kurzem beim Zahnarzt warst,
muß ich ihm morgen auch einen Besuch abstatten. Mir ist eine Plombe
rausgegangen.
Ich habe Dir doch vor ein paar Tagen von Stacheldraht geschrieben.
Der ist dort wegen Kriegsgefangenen. Die Leute, die erst dort waren, sind nicht
mehr dort.
4 Uhr nachmittags.
Ich höre mir jetzt das Wunschkonzert an. Gerade wird der alte Dessauer
gespielt. Die Worte der Begrüßung vorhin erhalten doch eine ganz andere Bedeutung,
wenn man getrennt ist. Du bist ja auch begrüßt worden, als von den Soldaten im
besetzten Gebiet gesprochen wurde.
Soeben wurde bekann gegeben, daß Kapitänleutnant Priem das Eichenlaub
zum eisernen Kreuz, bzw. Ritterkreuz verliehen bekommen hat. Die U-Boote haben
ja in den vergangenen Tagen ziemlich viel geleistet. Das wird England
spüren.
Ich habe mir heute Nachmittag das Buch geholt, das Du da
gelassen hast. „Romantische Erzählungen“. Sie gefallen mir sehr, Sie erinnern
an Hoffmanns Erzählungen, die wir ja da haben. Nur schildern sie nicht so
gräßliche Begebenheiten, bzw. sie werden nicht so gräßlich ausgemalt und haben
meist einen versöhnlichen Schluß. Mich freut es, daß ich wieder einmal ein
schönes neues Buch zu lesen habe. Das bringt mich auch etwas über den Sonntag
hinweg.
Nun schließe ich für heute, denn ich will den Brief gegen 5
Uhr wegschaffen. Vielleicht begleiten mich Deine Gedanken dabei. Sei nun für heute recht herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie.
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