Dienstag, 8. Dezember 2015

Brief 105 vom 7./8.12.1940


Mein lieber Schatz!                                                                                            7.12. 

Heute ist wieder ein Tag, der einem, dem Wetter nach, gar nicht freut. Es schneit und taut. Da nun Jörg schon mehrere Tage nicht raus konnte, den zum draußen spielen ist es nichts, will ich heute einmal nicht das Rad nehmen, sondern mit ihm einkaufen gehen. Das ewige Stubenhocken ist doch nichts. Helga muß heute erst um 10 zur Schule, da wir von 12 - 3/4 1 im Keller waren.  Ich schreibe Dir heute nur kurz, weil wir nun gleich gehen müssen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                         Konstanz,7.12.40

Wenn Du diesen Brief liest, ist es ja Heiliger Abend. Ich möchte Dir vor allen Dingen ein frohes Weihnachtsfest wünschen. So froh, wie die anderen Jahre wird es uns zwar  allen nicht zu Mute sein, nachdem wir das Weihnachtsfest nicht zusammen verleben können. Aber die eine Hoffnung haben wir ja, daß wir uns in nicht allzu langer Zeit wiedersehen, wenn es auch wieder nur für wenige Tage sein wird.
Aus den Päckchen wirst Du ja ersehen haben, daß ich Dir dieses Jahr wenig habe schenken können. Ich hoffe aber, daß ich Dir trotzdem eine kleine Freude machen konnte. Verlebe die Feiertage gesund und denke an uns, wie wir auch im Geist immer bei Dir sein werden. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie. Auch wir wünschen Dir ein frohes Weihnachtsfest Deine Helga und Jörg

Mein lieber Ernst!                                                                                  8.12.40

Wie ich es mir schon dachte, werde ich nun wieder mit Briefen kurz gehalten, nachdem ich erst so verwöhnt worden bin. Heute, am Sonntag, höre ich wieder das Wunschkonzert. Ich habe mich heute ans nähen gemacht. Die Wochentage reichen mir zum schaffen einfach nicht mehr aus, wenn ich auch meist vor 11 Uhr nicht ins Bett komme. Da ist Wäsche zu bügeln und auszubessern, Strümpfe zu stopfen, zu stricken , zu nähen. Zu Weihnachten möchte ich wenigstens soweit fertig sein. Da muß ich mich schon ein bißchen dazuhalten. Wenn alles wieder in Schuß ist, habe ich dann mehr Ruhe.
Die Kinder bringen heute den Brief in die Stadt und gucken sich dabei gleich die Spielzeugfenster mit an. Sie freuen sich schon sehr darauf. Gestern Abend habe ich noch die Briefe zu den Päckchen an die Eltern, Siegfried und Kurt geschrieben. Mit dem Päckchen an Kurt warte ich noch, da Vater bei ihm angefragt hat, ob er Weihnachten nach hause kommt. Ich schicke Dir die Durchschläge mit. Von den Eltern habe ich heute eine Karte erhalten, daß er für Jörg doch noch einige Soldaten  hat auftreiben können und daß sie das Paket kommende Woche abschicken. Schreib doch vielleicht zu Weihnachten mal an Dora und wenn Du Lust und Vorrat hast, kannst Du ja ein bißchen Kaffee mitschicken. Ich überlasse es aber ganz Dir, was Du tun willst.
Nanni hat in ihrem Brief viel trübe Gedanken. Das kommt aber daher, daß sie auch so einsam ist. Da erscheint alles nochmals so schlimm. Sie sollte auch mal wenigstens für kurze Zeit ein bißchen Zerstreuung haben. Aber sie wird eben auch dort nicht fort können, besonders wenn ihr Mann jetzt mehr zu schaffen hat.
Lieber Ernst! Wenn es nur wahr ist, daß Du im Januar zu uns kommen kannst. Das wäre wunderschön. Ich lebe nur immer in der Hoffnung auf diese Tage. Gestern habe ich das restliche Päckchen an Dich abgesandt. Es ist auch für Weihnachten bestimmt. Da ist auch der Brief drin. Nun möchte ich für heute schließen. Die Kinder sind schon ganz ungeduldig, daß sie noch nicht gehen können. Ich werde noch ein bißchen nähen. Ich denke immer an Dich und grüße und küsse Dich recht herzlich Deine Annie.

Lieber Vater! wir gehen jetzt alleine in die Stadt Deinen Brief fort schaffen. Wir gucken uns noch die Spielsachen an. Sei herzlich gegrüßt und fest von uns geküßt von Deiner Helga und  Jörg.

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