Mein lieber, lieber
Ernst! Konstanz, 7.Aug.40
Heute ist nun
Siegfried wieder fortgefahren. Wir haben ihn an die Bahn gebracht. Ich habe
mich gefreut, daß Siegfried uns mal besucht hat. Aber, man sollte nicht
glauben, daß wir Geschwister sind. Unsere Lebensanschauungen sind so
verschieden. Siegfried ist in vielen Beziehungen wie Papa, auch in Bezug auf
Mädchen. Jetzt ist er ja, wie er sagte,
Erna treu. Er ist schon oft mit ihr zusammen gekommen. Ich könnte das niemals erzählen. Wir haben uns
auch von zu hause erzählt, ich muß sagen, lieber Ernst, ich würde mich zu hause
tief unglücklich fühlen. Ich kann Dir nicht alles so schreiben, sondern ich
würde mich so gern einmal mit Dir aussprechen.
Lieber Ernst, ich
bin ja so glücklich, daß ich Deine Frau sein kann und daß ich die ganzen Jahre
bei Dir sein durfte. Dadurch habe ich so glückliche Jahre erlebt. Wenn
Siegfried Dich ja einmal besuchen kann, wird er Dir sicher auch manches
erzählen. Er hat uns und ich habe ihn ein paar Mal photografiert. Wenn die
Bilder etwas geworden sind, schickt er Dir auch welche zu. Er will auch für
Helga und Jörg von dort Schuhe besorgen, da er sie in dem Zug ohne Mühe
mitbringen kann. Ist es Dir recht?
Lieber Ernst,
nachdem ich gestern Deine lieben Briefe vom 30. und 31.7. erhielt, kam heute
Dein Brief vom 29.7. Ich will sie Dir nun der Reihe nach beantworten. Ich freue mich immer so auf Deine
Schilderungen von dort. So kann ich doch ein wenig an Deinem Leben teilnehmen.
Als ich nach dem
Wehrmachtsbericht den Ort Roubaix anstrich, ist mir der Gedanke auch nicht
gekommen, Du könntest dorthin einmal mit der Straßenbahn fahren. Ich glaube, Du bist dort in der kurzen Zeit
schon öfter ins Theater gekommen, als die ganzen Jahre vorher. Da Du ja gerne
ins Theater gehst, freue ich mich mit Dir, daß Du dort Gelegenheit dazu
hast. Aus Deinem Brief vom 30.7. habe
ich nun ersehen, daß Du wieder Post von mir erhalten hast. Wie ich Dir schon
gestern schrieb, kannst Du Dich darauf verlassen, daß ich immer schreibe. Wie
ich Dir schon bei Deinem Hiersein sagte, ist es für mich immer eine Freude,
wenn ich mich, wenn auch nur brieflich, mit Dir unterhalten kann.
Du schreibst auch,
daß Du Dir verschiedenes hast machen lassen. Siegfried sagte schon, wenn Du so
etwas hast, würde er Dir, wenn er einmal hinkäme, gern verschiedenes mit heim nehmen
und mir zuschicken. Ihm ist das gut möglich.
Die Sachen, die Du mir geschickt hast, habe ich alle schon anprobiert
und sie passen alle. Ich ziehe gern noch solch nette Sachen an, denn dazu bin
ich noch nicht zu alt. Nun habe ich noch einen Wunsch. Hoffentlich findest Du
ihn nicht unverschämt, nachdem Du mir schon so viel geschenkt hast. Könntest Du
mir zum Geburtstag vielleicht eine Bluse kaufen. Ich habe jetzt 2 Röcke, aber
nur eine richtige Bluse. Ich habe Oberweite 96 cm und Konfektionsgröße 44. Ich
weiß ja nicht, ob dieselben Nummern dort auch gelten. Aber gell, lieber Ernst,
nur wenn es Dir keine Mühe macht und wenn Du‘s selber gern willst.
Mit den Erdbeeren
werde ich es so mache wie Du geschrieben hast. Im Kalender steht nichts, wann
man sie versetzen muß. Morgen werde ich wahrscheinlich wieder Bohnen zum
sterilisieren abnehmen. Ich muß auch wieder im Garten schaffen, denn die
letzten Tage ist alles liegen geblieben.
Die Abschrift von
dem Brief an Siegfried kam gestern mit an. Da hat er sie gleich lesen
können.
Heute früh kamen
Zeitungen von den Eltern und 3,-Mk für Jörg. Ich lese die Illustrierten Beobachter
und die wichtigsten Zeitungen bald und schicke sie Dir dann gleich zu. Siegfried hatte es diesmal mit seinem Urlaub
gut getroffen, da konnte er Tomaten essen, die er doch so gern mag.
Mein lieber, lieber
Mann! Ich muß Dir wieder einmal schreiben, wie lieb ich Dich habe. Immer wieder
schaue ich nach Deinem lieben Bild. Da sehen mich Deine Augen an, Dein liebes
Gesicht kann ich gar nicht oft genug sehen. Was soll ich Dir schreiben? Ich
weiß nur, daß ich, nachdem ich Deine Frau bin, glücklich bin und mich auf unser
Wiedersehen unendlich freue.
Es ist jetzt 8 Uhr
abends. Ich bin nicht eher zum schreiben gekommen. Jetzt fahre ich aber noch in
die Stadt. Vielleicht kommt der Brief noch mit fort. Am liebsten käme ich
gleich selber hin zu dir.
Sei nun für heute
herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein lieber
Ernst! Konstanz,
8.8.40
Ich glaube, die Post
ist ganz verdreht. Nachdem ich Dir gestern auf Deine Briefe vom 29., 30. und
31. geantwortet habe, kommt heute Dein Brief vom 27.7. Inzwischen hast Du ja schon geschrieben, daß
Du Briefe bekommen hast. Ich schicke Dir morgen wieder Zeitungen zu. Heute geht
gleichzeitig ein Brief von Helga und ein Päckchen von Jörg an Dich ab. Helga
hat sich große Mühe gegeben. Sie hat alles allein geschrieben und sich auch
alles allein ausgedacht. Jörg hat sich die Sachen, die er Dir schickt, von
seinen Geschenken aufgehoben, weil Du auch was davon haben sollst. Was er
geschrieben hat, habe ich ihm vorschreiben müssen und er hat‘s allein
nachgeschrieben.
Als Siegfried da
war, hat er in Helgas Bett geschlafen und Helga mit in meinem Bett. In Deinem
Bett darf nämlich gar niemand schlafen, nur Du, wenn Du wieder kommst.
Ich wollte heute
eigentlich im Garten schaffen, aber ich habe erst mal wieder in der Wohnung
Ordnung schaffen müssen, denn es ist in den letzten Tagen doch manches liegen
geblieben. In der Stadt ist wieder viel
Betrieb von Soldaten. Da ist schon wieder manche Freundschaft geschlossen
worden. Es sind aber keine Konstanzer Soldaten, denn sie haben sich, als sie
einzogen, nicht ausgekannt und haben gefragt, ob sie nun in die Stadt kommen, bzw.
ob das nun Konstanz ist.
Gestern habe ich das
erste Pfund Brombeeren abgenommen. Das gibt Marmelade.
Mit dem Bezug von
Kohlen wird das jetzt so geregelt, daß man das Quantum bekommt, das man im
Winter 38/39 bezogen hat. Das waren bei uns 15 Ztr. Also habe ich schon das
ganze Quantum und bekomme keine mehr.
Siegfried sagte bei seinem Hiersein schon, daß sie mit dem Lazarettzug
wahrscheinlich das nächste Mal bis zur Küste kommen. Vielleicht kommt er doch
einmal bei Dir vorbei. Nun, lieber
Ernst, schließe ich für heute. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Annie.
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