Mittwoch, 7. August 2019

Brief 765 vom 20./22. 23.07. 44


Mein liebster Ernst !                                                                                       20.7.44              

Wie jetzt schon oft, habe ich auch heute keine Post erhalten.  Aber ich will nicht ungeduldig werden und auch weiterhin warten. Wenn ich nur wüßte, Du bist gesund. Heute hatten wir innerhalb einer Woche zum 8ten Mal Alarm. Sie sind auch wieder bei F. gewesen. Über uns sind 7 Fallschirme geflogen. 3 Mann sind in Wollmatingen  runter gekommen, 4 Mann sind in den See getrieben und die Schweizer haben sie geholt. Mit dem Fernglas hat man sie gut im Fallschirm hängen sehen. Der Vormittag ging durch den Alarm wieder verloren. Am Nachmittag habe ich in der Stadt Fisch geholt. Salzheringe hat es gegeben. Die Kinder waren inzwischen im Hallenbad. Eigentlich hatten sie ja vor, ans Wasserwerk zu gehen, damit Jörg Schiffle schwimmen lassen könnte. Aber es war zu spät dazu. Vorhin habe ich im Garten die Tomaten und Gurken gegossen. Es war in den letzten Tagen so heiß. 21.7. Das Gießen war gestern unnötig. Wir haben heute einen ausgiebigen Gewitterregen. Der tut den Gärten wieder gut. Alarm haben wir auch wieder einmal Soeben giebt auch die Schweiz Alarm. Da sind die flieger in der Nähe.  Natürlich, es wummert auch schon in der Ferne. Man muß ja zusehen, daß man bald mit der wichtigsten Arbeit fertig ist, sonst kommt der Alarm dazwischen.  Jetzt, ¾ 12 Uhr ist Entwarnung. Nun können wir das Essen kochen.  Was sagst Du zu dem Attentat auf den Führer? Das ist doch eine furchtbare Gemeinheit. Wie gut ist es, daß alles so gut vorbeigegangen ist. Gemeinheit ist eigentlich zu wenig gesagt, es ist ein Verbrechen. Wer kann auch so etwas tun. Vielleicht kommt noch etwas davon im Radio. Du wirst Dir denken, warum schreibt sie jetzt nur manchmal zwei Briefe zusammen. Es ist so, daß ich eigentlich garnicht viel zu berichten weiß. Meist denke ich an Dich, wie es Dir geht. Ich weiß ja jetzt so garnichts von Dir. Ein Brief kam auch heute nicht. Da heißt es eben weiterwarten. Sei mir nicht böse, wenn ich jetzt den Brief schon schließe. Ich hab garnicht so richtig die Gedanken dazu.  Ich hoffe, daß Du gesund bist und wünsche Dir alles Gute. Laß Dich herzlich und innig grüßen und küssen von Deiner Annie.


 Mein lieber, lieber Ernst !                                                                            22.7.44       

 Heute ist nach 9 Tagen der erste Tag ohne Alarm. Man kann es erst fast garnicht glaubenund wartet fast drauf. Wenn keiner kommt, ist man natürlich froh. Nach dem Wehrmachtsbericht waren sie ja am Donnerstag in Friedrichshafen und in Leipzig. Hoffentlich sind unsere Angehörigen wieder gut davon gekommen.  Ich wollte gestern wieder einmal raus und bin in den Film „Meine 4 Jungens“ mit Käthe Haak gegangen. Er hat mir ausgezeichnet gefallen. Das ist wirklich kein Kitsch wie mancher andere Film. Es ist nichts unwahrscheinlich drin. Den Kindern habe ich je 2 Stück gefüllten Kuchen mit heim genommen, damit sie auch etwas von dem Tag hatten.  Gestern Mittag hatten wir Salzhering zum Mittag. Ich hatte mich darauf gefreut und dann ist er mir garnicht gekommen und ich konnte ihn nicht bei mir behalten. Es ist bei mir ja meist so, daß ich etwas Saures nicht so gut vertrage. Als ich das Biest wieder los hatte, wurde mir bald wieder wohl.  Als ich nach dem Kino heim kam, hatte sich unsere zwei Lauser eine Decke und darüber die Steppdecke auf den Boden gelegt, dazu ein paar Kissen genommen. Sie lagen vergnügt da mit einem Buch und haben gelesen. Gel, sie machen sich‘s bequem.  Heute haben wir Regenwetter. Am Vormittag bin ich richtig eingeregnet, als ich in die Stadt fuhr. Dabei habe ich das meiste nicht bekommen, nicht Deine Zeitungen und keinen Quark, mit dem ich einen einfachen Kuchen backen wollte. Da mache ich eben etwas anderes. Wahrscheinlich giebt es morgen Abend Rohrnudeln. Die Kinder sind mir gleich um den Hals gefallen, als ich sie ankündigte. Sie sind doch auch solche, die lieber etwas süßes essen als sonst etwas.  Bin ich nicht ein Bummelant, ich habe immer noch kein Paket für Ursula weggeschickt. Aber jetzt muß es werden. Wir schicken ein Stofftier, 1 Trompete, 1 kl. Holzspielzeug, 2 Bildertaschentücher, 1 rote Halskette und 2 Paar gebrauchte, aber doch sehr gut erhaltene weiße Schuhe. Ich denke, daß sie Erna sicher für Ursula brauchen kann. Etwas anderes kann ich jetzt eben nicht schicken.  Lieber Ernst, einen Brief von Dir habe ich auch heute nicht erhalten. Täglich ware ich darauf. Aber Siegfried ist ja manchmal auch 4 Wochen nicht zum schreiben gekommen und er war doch gesund. Daß Du gesund bist, das hoffe ich von ganzem Herzen auch von Dir, mein liebster, bester Mann.  Damit wir wenigstens wieder einmal eine Sirene hören, hat die Schweiz gerade Alarm.Jetzt haben wir Feierabend. Wir haben vorhin Abendbrot gegessen, dann hat mir Helga abtrocknen geholfen. Nun spielen die Kinder „Rat fix“. Aber es ist schlimm. Jörg kann einfach nicht sehen, wenn jemand mehr Antworten weiß wie er und deshalb mehr Karten bekommt. Da wird er immer wütig. Wenn er etwas weiß, dann strahlt er, aber Helga ist nicht immer einverstanden. Es ist also keine reine Freude, bei dem Spiel dabei zu sitzen. Mir graust schon immer vorher. Jetzt schicke ich die zwei Lauser aber ins Bett, ich will doch noch an den Socken für Jörg stricken.  Morgen früh hat Jörg ¾ 8 Antreten am Hallenbad. Warum sie während der Ferien Dienst tun, weiß ich auch nicht. Und noch am Sonntag. Aber Dienst ist nun mal Dienst. Ich habe das kleine Bild von Dir vor mir liegen, wo Du mit Graser auf der Burg Gravensteen in Gent bist. Da lachst Du so vor Dich hin und ich kann mich garnicht satt daran sehen. Ob Du jetzt Gelegenheit zum lachen hast, weiß ich ja nicht, glaube es aber nicht. Wahrscheinlich wirst Du es jetzt schwer haben. Daß ich Dir so garnichts abnehmen kann. Und wir dürfen es noch so gut haben. Immer sind meine Gedanken bei Dir. Mein größter Wunsch ist, wieder einmal einen Gruß von Dir zu erhalten. Doch nein, noch größer ist mein Wunsch, daß Du gesund bleibst. Dafür will ich gern noch länger auf Post warten.  Für heute laß mich schließen.  Doch nein, da fällt mir noch was ein. Im Radio hörte ich gestern noch, daß es einige deutsche Offiziere waren, die den Führer beseitigen wollten. Ist das nicht furchtbar. Deutsche gegen den Führer. Hat man denn nicht an Italien gesehen, wie so etwas ausgeht. VErachten nicht alle den BAdoglio. Italiienischen GEfangenen rufen die Kinder auf der Straße „BAdoglioverräter“ nach und bei uns finden sich noch solche Lumpen. Pfui Teufel, kann man da nur sagen. Diese Kerle verraten aus persönlichem Ehrgeiz ein ganzes Volk.  Man faßt sich immer wieder an den Kopf und kann es nicht glauben, daß so etwas möglich ist. Ich glaube, da steckt auch noch ihr „von“ Spleen dahinter. Der Führer war und ist ein Mann aus dem Volk. Das können diese Herren nicht brauchen. Aber das Volk braucht den Führer. Da sind diese Lumpen nicht maßgebend. Es ist gut, daß da aufgeräumt wird. Aber es waren doch, wie ich herausgelesen habe, welche von Heimatheer.  Diesen Herren ist es eben zu gut gegangen. Du hast ja selbst schon Beobachtungen gemacht, wie manche hier noch leben. Vielleicht wird das auch man noch bessen.  Die Hauptsache ist er mal, der Führer lebt. Gottseidank.  Nun will ich wirklich schließen. Ich wünsche Dir immer wieder Soldatenglück und Gesundheit und bin mit vielen lieben Grüßen und Küssen immer Deine Annie.


Mein liebster Ernst !                                                                        23.7.44         

Daß ich keine Post von Dir bekommen habe, möchte ich fast nicht mehr schreiben. Es klingt sonst fast wie ein Klagelied und das soll es doch nicht sein. Es kann ja sein, daß Du keine Zeit hast oder di Beförderung klappt nicht so.  Du sollst Dir jedenfalls keine Gedanken darüber machen.  Der heutige Sonntag ist sehr friedlich vorbei gegangen. Aber es kommt mir fast wie ein Unrecht vor, daß Ihr es draußen so schwer habt und wir leben noch friedlich.  Am Morgen sind wir ziemlich zeitig aufgestanden, da Jörg Dienst hatte. Er kam aber bald wieder heim, denn es waren fast keine Buben gekommen. Ein Teil von ihnen ist ja auch verreist. Während Jörg fort war, habe ich gleich wieder an dem Söckchen für ihn gestrickt. Ebenso später, als er den Brief für Dich auf die Post brachte und am Nachmittag, als er in der Stube auf dem Sofa lag und las. Ich bin auch ein gut Stück weiter gekommen. Zu Mittag hatten wir heute Krautwickel, am Abend Rohrnudeln, also eine Art Dampfnudel. Nur werden diese im Backofen in einer Auflaufform mit süßer Milch gebacken.  Da kein schönes Wetter war, sind wir daheim geblieben. Die Kinder waren in der Stube und haben gelesen. Ich saß in der Küche, habe gestrickt und gelesen. Wenn Jörg mal raus kam, schwupp, verschwand der Strickstrumpf im Flickkorb. Die Kinder waren heute mal so brav, daß es direkt eine Freude war. Sie haben sich fast garnicht gezankt. Es war direkt eine Erholung. Und so brav geholfen hat mir Helga. Es war wirklich ein Sonntag.  Am Nachmittag habe ich das Päckchen für Ursula gepackt. Es ist darin: 1 Stofftier(Kamel), 1 Holzspielzeug, 2 Taschentücher, 1 Halskette, 1 Leibchen, 1 Mütze, 2 Paar weiße, sehr gute Schuhe, die Trompete, die wir noch schicken wollten, ging leider nicht ins Päckchen. Das macht aber nichts, da heben wir sie eben einstweilen auf. Ich habe nur ein paar kurze Zeilen dazu geschrieben wegen der Sachen. Heute Abend hat sich Helga ein Heidebuch angesehen. Da habe ich ihr einmal die Postkarten dazu gegeben, die Du von Bremen, Worpswede usw. mitgebracht hattest. Das hat sie sehr gefreut.  24.7. Lieber Ernst! Denk Dir, heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 28.6. Nr. 32. Der war doch wirklich lange unterwegs, fast 4 Wochen. Die ersten Sendungen der Bilder hattest Du bekommen. Daß sie Dir Spaß gemacht haben freut mich. Es sind doch schöne Erinnerungen an den vergangenen Urlaub.  Du hast mir nun auch bestätigt, daß ich Dir ruhig in Tintenstift schreiben kann. Mit der Maschine schreibe ich jetzt nicht mehr so oft. Die Typen sind ziemlich scharf, da geht das Farbband schnell entzwei und immer bekommt man ja auch keins nach. Tintenstifte aber habe ich noch genug da.  Heute Morgen habe ich vom kleinen Strauch  im großen Garten 7 Pfund Stachelbeeren gepflückt. Den letzten Blumenkohl habe ich auch geholt. Nun kann ich dieses Beet für Grün und Rosenkohl umgraben. Morgen kann ich schon Erbsen holen. Vater gebe ich heute ein Rotkraut mit. Du siehst, wir haben alles da.  Gerade hatten wir wieder über eine Stunde Alarm. Flieger waren keine da.  Nachher fahre ich in die Stadt und nehme den Brief gleich mit. Ich freue mich ja so, daß ich wieder einmal einen Gruß von Dir erhalten habe, wenn der Brief auch schon ziemlich lange geschrieben ist. Es ist doch ein lieber Gruß.  Ich hoffe Dich gesund und grüße und küsse Dich von ganzem Herzen Deine Annie.

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