Freitag, 8. Dezember 2017

Brief 463 vom 8./9.12.1942



Mein liebsterErnst!                                        Konstanz, 8.12.42

Heute Nachmittag war ich beim Nähen. Die Kinder waren mit. Sie sind manchmal ein Stück spazieren gegangen oder haben am Tisch neben mir gelesen. Um 6 Uhr habe ich aufgehört und wir sind heimgegangen, haben Abendbrot gegessen und die Kinder haben noch ein Bisschen gespielt. Jetzt sind sie eben ins Bett gegangen. Das ist doch eine Rasselbande. Sie haben vorhin vor Übermut nicht gewusst, wohin? Einmal habe ich auch schimpfen müssen, aber dann wurde ich von ihrem Lachen wieder angesteckt. Helga sagte: „Schau, was Mutterle für ein Gesicht macht, wenn sie geschimpft hat und wird dann wieder fröhlich. Das kenne ich schon.“ Jörg meinte: „Siehst Du, wir haben doch gesiegt, wir haben Dich zum Lachen gebracht und du uns nicht zum Weinen.“ Was sagt man da zu solchen Lausern?

                                                                                                            9.12.42

Nun ist es wieder Mittag. Ich war am Vormittag in der Stadt und habe Zahnscheine geholt. Ich bin dann gleich zum Beck. Er hat nachgesehen. 2 schlechte Zähne hat er bisher gefunden, hat sie ausgebohrt und eine provisorische Füllung rein gemacht, weil jemand kam, den er bestellt hatte. Am Dienstag ½ 3 Uhr muss ich wieder hinkommen und Helga mitbringen.
Ich habe heute noch ein paar biegsame Holzsohlen für ein Paar Schuhe von Jörg mitgebracht. Da spare ich schon Leder und eine Weile halten die Sohlen schon. Ich probiere es mal aus.
Das Päckchen an Papa kam mir so kahl vor. Ich hatte es schon fertig gepackt, aber zufrieden war ich nicht damit. Heute habe ich noch ein Buch bekommen „Lachendes Leben“. Ich glaube, Du hast es auch. Das schicke ich noch mit.
Da wir heute nicht mehr zum Zahnarzt müssen, spanne ich einmal aus und gehe mit den Kindern ins Kino „Ferien vom Ich“ wird gespielt. Ob es viel ist, weiß ich nicht.
Am 18./19. findet hier im Konzil eine Weihnachtsausstellung statt. Da werden Spielsachen, die die H.J. ausgeführt hat, verkauft. Es stand in der Zeitung, dass so viel da sei, dass jede Mutter ihrem Kind was schenken könnte. Hingehen werde ich sicher mal. Sollte ich etwas Passendes finden, kann ich ja noch eine Kleinigkeit kaufen.
Heute ist wieder schwer nebliges Wetter. Das ist ja keine schöne Zeit. Aber man muss sie auch mit hinnehmen. Kalte, trockene Witterung wäre aber schöner.
Nun lass mich schließen. Jörg kommt gleich heim. Wir werden bald essen und dann fortgehen. Ich grüße Dich, mein liebster ernst, recht herzlich, Deine Annie.

Liebes Vaterle!
Gestern habe ich Dir doch nicht geschrieben. Dafür schreibe ich Dir heute mit Tinte. Eigentlich hätte ich heute zum Zahnarzt gehen müssen, aber Mutter war heute Morgen bei ihm und da hat er ihr gleich ein Bisschen gemacht am Zahn. Der Zahnarzt hat gesagt, wir sollen nicht heute Mittag kommen, sondern am Montag, da hat Mutterle gesagt, da hätte ich Schule, da hat der Zahnarzt gesagt, wir sollten am Dienstag, den 15.Dezember kommen. Da sind wir aber nicht traurig, da hat Mutterle gesagt, wir gehen in den Film, da wird gespielt „Die Ferien vom Ich“. Ich freue mich schon fest.
Also bei Mitter war Vorgestern im Adventsfensterle eine Brezel, bei Jörg eine Handtasche und bei mir ein „Fräule“. Gestern war bei Mutterle eine Torte, bei Jörg eine Frau mit einem Tannenbaum, und bei mir war ein Männle. Heute war bei Mutter ein Paket, bei Jörg ein Sternle und bei mir war wieder eine Frau drin.
Viele Grüße und Küsse von deiner Helga.

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