Mein liebster Ernst ! Konstanz, 27.3.42
Gerade erhielt ich deine
beiden lieben Briefe vom 23.3. Ich danke dir vielmals dafür. Es hat mich
gefreut, dass du beim Thomas einige schöne Tage verlebt hast. Wenn du nun bald
dort fort kommst, werden schöne Tage wohl recht selten werden. Ich kann mir
jedenfalls nicht denken, dass du in Russland viel Freude erleben wirst.
Wenn du schreibst, dass du am
anderen Tage wahrscheinlich für deine ganze militärische Dienstzeit zum letzten
Mal OvD hast, so heißt das doch wohl, dass du zur Truppe zurück musst. Ist das
jetzt endgültig entschieden?
Das glaube ich, dass dort
viel gehamstert wird. Wenn eben nicht richtig verteilt wird, sucht jeder
anderweitig etwas zu erwischen. Wenn die Franzosen selber kein Interesse an
gerechter Verteilung haben, können ja die deutschen Behörden auch nicht alles
allein tun.
Die Kürzungen in den
Lebensmittelzuteilungen sind ja jetzt eingetreten, bzw. treten am Ostermontag
ein. Gedanken musst du dir aber deshalb nicht machen. Wir werden schon durch
kommen. Wir müssen eben noch mehr einteilen, es wird schon gehen.
Den Film „Wetterleuchten um
Barbara“ hast du ja nun gesehen. Ich bin auch der Meinung, dass es ganz schön
ist, dass er aber über dieses Thema noch schönere gegeben hat. Den Film „Jakko“
wirst du dir ja nicht angesehen haben, da du OvD hattest. Aber der hat mir
wirklich gut gefallen.
Es ist nun also fast genau
bestimmt, wann du von dort weg musst. Das ist ja nur noch ganz kurze Zeit. Ich
würde diesen Termin gerne noch hinausschieben, wenn ich könnte, denn wenn es
dort auch nicht schön ist, besser als in diesem Russland, diesem Ungezieferland
in menschlicher und tierischer Form, wird es doch sein. Aber wir müssen eben
alles gehen lassen und warten, was kommt.
Ja, der vorige Brief von Papa
war ziemlich sanft und nachgiebig. Es hält nur immer nicht lange an. Der Brief
von gestern, den ich dir schickte, hat eine ganz andere Tonart. Ich muß schon
sagen, ich habe mich gestern geärgert. Erst große Töne von „nie mehr heiraten“.
Das habe ich ja nie ganz ernst genommen. Aber kaum ist ½ Jahr vorbei, heißt es
„… müsste evtl. eine Änderung eintreten, die ich um euretwillen noch nicht in´s
Auge gefasst hatte.“ So ähnlich heißt es doch, nicht wahr?
Ich gebe ja zu, dass es nicht
gerade ein Vergnügen ist, abends in eine kalte Stube zu kommen, aber es ist ja
schließlich nicht immer so. Das hätte er sich doch vorher sagen können, dass
Siegfried nicht heiratet und sagt: So, das ist nun dein Dienstmädchen.“ Ich
finde es nicht schön, dass er schreibt, ich sollte mal mit Siegfried reden,
damit Papa nicht eines Tages zu Erna sagen müsste, sie müsste sich ein anderes
Unterkommen suchen. Aber ich bin fast der Meinung, Papa hat den Entschluss zum
heiraten schon gefasst und will es mit irgendwas entschuldigen. Es kann ja auch
sein, ich sehe das falsch, aber mit dem Bild, das mir Siegfried gemacht hat,
stimmte es zusammen. Schreib mir doch bitte mal deine Meinung, es wäre mir sehr
lieb.
Ich bin gespannt, ob du noch
Samen bekommen konntest. Von Rot- und Weißkraut, sowie von Salat, konnte ich je
ein Päckchen bekommen, auch von Kohlrabi. Mehr aber nicht. Von Möhren bekommt
man scheinbar überhaupt nichts. Der Gauggel hat gleich bis 7.April wieder zu
gemacht, weil er nichts mehr hat. Da soll man mehr Gemüse pflanzen und bekommt
keine Samen.
Von Kurt erhielt ich heute
einen Brief vom 23.3. er schreibt, dass er sich über den Kalender und das
Briefpapier gefreut hat, weil man beides dort nicht bekäme. 2 Briefe von mir
hat er am Tage nach seiner Verwundung erhalten. Seine beiden wunden, die sich
in der rechten Schulter befinden, sind geröntgt worden. Sie sind splitterfrei.
Am 21. sind seine wunden noch ausgeätzt worden. Beim bewegen des Armes hat er
noch etwas Schmerzen. Kurt schreibt noch: „Hoffentlich kommt Ernst gesund und heil
wieder zurück. Ich empfinde es erst jetzt so richtig, wie es ist, wenn man
jemand dort weiß.“
Aber wir denken ja alle mit
so viel Liebe und Sorge an dich, du musst doch gesund wiederkommen, nicht wahr,
du mein lieber Ernst!
Kurt bittet noch um einige Zeitungspäckchen
mit Romanen, dort sei es so langweilig. Seit einigen Tagen geht er schon etwas
spazieren.
So, nun habe ich dir fast den
ganzen Brief abgeschrieben.
Ich weiß nicht genau, ob ich
dir schon geschrieben habe, dass die Kinder morgen Zeugnisse bekommen. Aber mir
ist es so, als hätte ich es dir schon gestern mitgeteilt.
Nun laß mich schließen. Ich
muß noch das Essen kochen, bis die Kinder heim kommen. Beim einkaufen nehme ich
gerade noch den Brief mit.
Sei nun recht herzlich
gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.
Mein liebster, bester Ernst !
Konstanz,
27.3.42
Trotzdem erst vor wenigen
Stunden mein heutiger Brief fortgegangen ist, muß ich in meiner Freude doch
noch einen schrieben. Vorhin wollte ich Romane und eine Karte an Kurt fortschaffen,
da sehe ich im Riesenbergweg den Briefträger stehen, der seit dieser Woche auch
am Nachmittag wieder austrägt. Ich fahre schnell hin und frage, ob er was für
mich hat. Und wirklich, 4 Päckchen waren da. Du kannst dir meine Freude denken.
Schnell bin ich noch mal heimgefahren und zuerst haben wir den Widerstand
ausgepackt und das Radio angeschlossen. Das war noch mal eine Freude. Wie schön
das klingt und wie lautstark der Apparat ist! Noch viel schöner klingt´s, als
damals im Radiogeschäft. Ein paar deutsche Sender habe ich sofort bekommen. Die
Kinder sind wie toll vor Freude im Zimmer herumgetanzt. Aber etwas muß ich dich
noch fragen, nimmst du es nicht übel, dass wir uns den Apparat nun doch in die
Küche gestellt haben? Immer kann man die Tür noch nicht auf haben und wir
möchten so gern hören.
Ich möchte dir nochmals
recht, recht fest danken, dass du so sehr lieb warst und den Apparat gekauft
hast. Du hast uns eine ganz große Freude gemacht. Es ist schade, dass du jetzt
nicht auch hören kannst, du würdest auch deine Freude daran haben. Das hören
ist jetzt direkt ein Genuß.
Nun möchte ich dir aber auch
für die anderen Päckchen, Nr.19, 20, 22 danken. Auch darüber freuen wir uns
sehr. Es hilft mir doch alles so sehr. Ich habe immer eine gewisse Reserve da.
Jörg freut sich besonders auf die Marmelade, Helga auf den Zwieback und ich
mich über alles, besonders auch über den Zucker.
An Kurt habe ich heute
folgende Karte geschrieben:
Lieber Kurt!
Heute erhielt ich deinen
Brief vom 23. Es freut mich, dass dich das Päckchen erreicht hat und dass du
Freude daran gehabt hast. Deinen Wunsch nach Romanen habe ich gleich erfüllt
und sende dir heute zwei Zeitungspäckchen. Hoffentlich erhältst du sie bald. In
der nächsten Woche bekomme ich wieder Zeitungen und Romane. Sobald ich welche
ausgelesen habe, sende ich sie dir zu. Das Ausätzen der Wunden wird auch wenig
schön gewesen sein. Es ist nur gut, dass die wunden splitterfrei sind. Da hast
Du später vielleicht keine Beschwerden damit. Ernst ist nun auch schon wieder
zwei Wochen in Frankreich. Wie er heute schrieb, kommt er wahrscheinlich Mitte
oder Ende nächster Woche fort. Wir hoffen auch von ganzem Herzen, dass er
gesund wieder heim kommt.
Es folgen dann noch die
Grüße.
Die Romane habe ich seinem
Wunsch zufolge als Zeitungspäckchen, bzw. Drucksache in Kreuzband geschickt, da
sie dann als Brief befördert werden und das Gewicht 1 Pfund sein darf. Er
möchte sie recht schnell haben.
Übrigens ernst, dass der
Widerstand heiß wird, das macht doch nichts? Wenn ich mich recht erinnere,
hatte der Radiohändler davon gesprochen. Das Radio läuft jetzt gerade wieder
und ich muß immer wieder staunen, dass es unser Apparat ist, der so schön
spielt. Die tiefen Töne hört man auch so gut. Also einfach fein, ganz fein. Und
das gehört nun uns, weil du so lieb warst und ihn gekauft hast. Ich kann dir
gar nicht genug danken.
Nun will ich schließen. Ich
will noch die Schulaufgaben der Kinder nachsehen und dann wollen wir Abendbrot
essen.
Ernst, ich denke jetzt immer
daran, dass du fast den gleichen Apparat hast und am Abend vielleicht auch so
hörst, wie ich. Wenigstens noch die nächsten Tage. Wenn ich das Radio sehe, so
freue ich mich, und doch bin ich auch wieder etwas traurig, denn er erinnert
immer an deinen Urlaub, der nun schon wieder vorbei ist. Aber viele schöne
Erinnerungen haben wir doch, nicht wahr, mein lieber Mann. Nun grüße und küsse
ich dich recht herzlich, Deine Annie.
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