Freitag, 8. Dezember 2017

Brief 463 vom 8./9.12.1942



Mein liebsterErnst!                                        Konstanz, 8.12.42

Heute Nachmittag war ich beim Nähen. Die Kinder waren mit. Sie sind manchmal ein Stück spazieren gegangen oder haben am Tisch neben mir gelesen. Um 6 Uhr habe ich aufgehört und wir sind heimgegangen, haben Abendbrot gegessen und die Kinder haben noch ein Bisschen gespielt. Jetzt sind sie eben ins Bett gegangen. Das ist doch eine Rasselbande. Sie haben vorhin vor Übermut nicht gewusst, wohin? Einmal habe ich auch schimpfen müssen, aber dann wurde ich von ihrem Lachen wieder angesteckt. Helga sagte: „Schau, was Mutterle für ein Gesicht macht, wenn sie geschimpft hat und wird dann wieder fröhlich. Das kenne ich schon.“ Jörg meinte: „Siehst Du, wir haben doch gesiegt, wir haben Dich zum Lachen gebracht und du uns nicht zum Weinen.“ Was sagt man da zu solchen Lausern?

                                                                                                            9.12.42

Nun ist es wieder Mittag. Ich war am Vormittag in der Stadt und habe Zahnscheine geholt. Ich bin dann gleich zum Beck. Er hat nachgesehen. 2 schlechte Zähne hat er bisher gefunden, hat sie ausgebohrt und eine provisorische Füllung rein gemacht, weil jemand kam, den er bestellt hatte. Am Dienstag ½ 3 Uhr muss ich wieder hinkommen und Helga mitbringen.
Ich habe heute noch ein paar biegsame Holzsohlen für ein Paar Schuhe von Jörg mitgebracht. Da spare ich schon Leder und eine Weile halten die Sohlen schon. Ich probiere es mal aus.
Das Päckchen an Papa kam mir so kahl vor. Ich hatte es schon fertig gepackt, aber zufrieden war ich nicht damit. Heute habe ich noch ein Buch bekommen „Lachendes Leben“. Ich glaube, Du hast es auch. Das schicke ich noch mit.
Da wir heute nicht mehr zum Zahnarzt müssen, spanne ich einmal aus und gehe mit den Kindern ins Kino „Ferien vom Ich“ wird gespielt. Ob es viel ist, weiß ich nicht.
Am 18./19. findet hier im Konzil eine Weihnachtsausstellung statt. Da werden Spielsachen, die die H.J. ausgeführt hat, verkauft. Es stand in der Zeitung, dass so viel da sei, dass jede Mutter ihrem Kind was schenken könnte. Hingehen werde ich sicher mal. Sollte ich etwas Passendes finden, kann ich ja noch eine Kleinigkeit kaufen.
Heute ist wieder schwer nebliges Wetter. Das ist ja keine schöne Zeit. Aber man muss sie auch mit hinnehmen. Kalte, trockene Witterung wäre aber schöner.
Nun lass mich schließen. Jörg kommt gleich heim. Wir werden bald essen und dann fortgehen. Ich grüße Dich, mein liebster ernst, recht herzlich, Deine Annie.

Liebes Vaterle!
Gestern habe ich Dir doch nicht geschrieben. Dafür schreibe ich Dir heute mit Tinte. Eigentlich hätte ich heute zum Zahnarzt gehen müssen, aber Mutter war heute Morgen bei ihm und da hat er ihr gleich ein Bisschen gemacht am Zahn. Der Zahnarzt hat gesagt, wir sollen nicht heute Mittag kommen, sondern am Montag, da hat Mutterle gesagt, da hätte ich Schule, da hat der Zahnarzt gesagt, wir sollten am Dienstag, den 15.Dezember kommen. Da sind wir aber nicht traurig, da hat Mutterle gesagt, wir gehen in den Film, da wird gespielt „Die Ferien vom Ich“. Ich freue mich schon fest.
Also bei Mitter war Vorgestern im Adventsfensterle eine Brezel, bei Jörg eine Handtasche und bei mir ein „Fräule“. Gestern war bei Mutterle eine Torte, bei Jörg eine Frau mit einem Tannenbaum, und bei mir war ein Männle. Heute war bei Mutter ein Paket, bei Jörg ein Sternle und bei mir war wieder eine Frau drin.
Viele Grüße und Küsse von deiner Helga.

Brief 462 vom 7./8.12.1942


Mein lieberMann!                                         Konstanz, 7.12.42

Heute Morgen habe ich Dir ja schon etwas geschrieben. Es ist eigentlich nicht mehr viel zu berichten. In der Hauptsache habe ich heute gestopft. Am Nachmittag bin ich noch schnell in die Stadt gefahren und habe eingekauft. Als ich heim kam, war Helga schon von der Schule da und auch Jörg war in der Küche. Erst war er im Vorraum beim Spielen mit dem Richard und seinem Schulfreund Karl, den er bestellt hatte. Es war heute kein schönes Wetter, bei Tag war leichter, am Abend dicker Nebel. Man ist froh, wenn man daheim ist. Wir haben bald Abendbrot gegessen als ich daheim war, dann hat Helga an Dich geschrieben und Jörg hat mir Wolle aufwickeln geholfen. Ich habe einen weißen Unterrock aufgetrennt, den Mama gestrickt hat, da ich ihn doch nicht hätte verwenden können. So habe ich wieder einen Wollvorrat da. Nachher hat Jörg noch ein Bisschen auf meinem Schoß gelegen, denn wenn er auch schon groß ist, Zärtlichkeit kann er doch vertragen.
Später haben wir dann mit der Mundharmonika Weihnachtslieder gespielt. Das gefällt den Kindern sehr. Nun liegen sie schon längere Zeit im Bett.
In dieser Woche haben wir jeden Nachmittag was vor. Morgen geht es nähen, die Kinder wollen mit; am Mittwoch zum Zahnarzt, Helga und ich haben was kaputt und bei Jörg lasse ich nachsehen; am Donnerstag geht es baden, am Freitag haben die Kinder turnen und am Samstag sollen sie mit dem Großvater in die Stadt gehen. Das ist doch ein großes Programm.
Vorhin war Vater da. Er hat aber Augen gemacht, als die Tür am Schränkchen dran war. Er wollte erst was aussetzen und meinte, er hätte sie von der anderen Seite dran machen wollen, aber ich konnte ihm gleich beweisen, dass das nicht wahr ist. Dann schaute er, ob ich die Bänder eingelassen hatte, das war aber auch geschehen. Da hat er es dann aufgegeben.

                                                                                                             8.12.42
Guten Morgen liebster Mann!

Zwar, so spät stehst Du ja auch nicht auf, es ist nämlich schon Vormittag. Ich bin gerade mit Reparieren von Schuhe fertig. D.h., alle sind es noch nicht, aber auf die restlichen 2 Paare müssen ganze Sohlen. Dazu bin ich heute noch nicht gekommen. Ich habe nur auf drei Paar Flecken draufgesetzt. Mit ganzen Sohlen muss man sparsam sein, die kommen nur drauf, wenn es unbedingt nötig ist.
Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 24. Du armer Kerl, kriegst Du jetzt auch Kopfweh. Ich kenne das und weiß, dass man da keine rechte Lust zum Schreiben hat. Deshalb danke ich Dir auch, dass Du mir trotzdem einen Gruß geschickt hast.
Den Brief von und an Nannie habe ich noch nicht gelesen, ich will lieber erst fertig schreiben, damit der Brief noch rechtzeitig fort kommt.
Von dem einen Theater hast Du also genug. Das glaube ich gern, lieber kein Theater, als eine Vorstellung, bei der man in jeder Beziehung enttäuscht ist.
In unserer Zeitung stand heute der beiliegende Artikel über die Weihnachtsaufführung von „KdF“. Helga sagte, ich sollte ihn Dir mitschicken und das unterstreichen, wo sie mitgespielt hat. Das habe ich auch getan.
Nun lass mich schließen, ich muss noch ans Mittagessen denken. Wenn unsere Lauser heimkommen, haben sie Hunger.
Viele, viele Grüße und Küsse von deiner Annie.

Brief 461 vom 6./7.12.1942


Mein liebsterMann!                                       Konstanz, 6.12.42

Ich beginne heute spät mit schreiben, es ist gleich ¼ 11 Uhr. Vielleicht werde ich nicht mehr ganz fertig, (ich bin nämlich schon sehr müde) da schreibe ich gleich morgen früh weiter.
Am Nachmittag waren wir im Theater. Es war wirklich sehr schön und Helga hat ihre Sache auch gut gemacht. Nur aufgeregt war sie heute Abend. Sie hat Dir noch einen Brief geschrieben, aber die Schrift ist dermaßen scheußlich, dass sie ihn nicht schicken kann und auch selbst nicht will. Sie schreibt ihn morgen, wenn sie wieder ruhiger ist, nochmals.
Vorhin ¼ 9 Uhr, gerade als die Kinder sich ausziehen wollten, war Fliegeralarm. Es hat bis ¼ 10 Uhr gedauert. Dann haben sich die Kinder fertig gemacht und lagen ¾ 10 im Bett. Ich musste mich erst noch ein bisschen ausruhen, denn ich hatte Kopfweh.
Am Nachmittag erhielt ich Deine beiden lieben Briefe vom 22. Und 23.11 Ich danke Dir sehr dafür.

7.12.
Bis hier her bin ich gestern mit dem Schreiben nur gekommen, dann fielen mir immer die Augen zu und es ging nicht mehr. Aber heute früh will ich Dir nun gleich Deine Briefe beantworten.
Wie ich lese, wartest Du so auf das Beamtengesetz. Es tut mir sehr leid, dass ich es Dir noch nicht schicken konnte, aber wie ich Dir schrieb, wird es neu verlegt und ist erst nach einiger Zeit zu haben. Da wirst Du in der ganzen Angelegenheit wohl vorläufig gar nichts unternehmen können.
Ich bin schon erstaunt, dass Ihr dort sogar Torte umsonst bekommt, und scheinbar sogar noch gute. Lass es Dir nur schmecken. Und wenn sonst die Verpflegung auch gut ist, wie Du schreibst, so ist das nur zu begrüßen.
Briefe hast Du auch von mir bekommen. Da brauche ich also nicht zu befürchten, dass sie zurückkommen, wie es mit dem ersten geschah. Das hatte mir einen tüchtigen Schreck eingejagt. Ich sah schon alles wieder hier landen. Weil nun auf Deinem Brief auch der Stempel 00220 war, meinte ich, sie hätten inzwischen die Nummer wieder geändert und Dir nur noch nichts davon gesagt. Jetzt ist ja alles gut, und ich bin froh.
Von Schnee haben wir bisher wenig gemerkt. Es war aber in den letzten Tagen auch nicht mehr so sehr kalt, wie einige Zeit. Erkältet habe ich mich trotzdem ein bisschen, ich weiß nicht, vom Bad oder von der Wäsche. Ich habe so eine Art ukrainische Krankheit. Das ist ziemlich unangenehm. Ich hoffe, dass es bald wieder vorbei geht.
Der Dr. Thomas ist doch eigentlich der Beste Deiner Kameraden gewesen. Und er schreibt Dir auch immer wieder. Ich glaube, dass Du Dich sicher darüber freust.
Mit Urlaub haben sie es ja im Westen doch noch besser gehabt, aber wir wollen froh sein, dass Du jetzt Urlaub haben konntest, denn andere haben es ja noch viel schlimmer.
Gerade erhielt ich Deinen lieben Brief vom 20.11, der von der Feldpostprüfstelle geöffnet worden ist, und den großen Brief mit Durchschlagpapier. Scheinbar gehen meine Briefe jetzt wieder laufend bei Dir ein, was mich sehr freut. Sie sind eigentlich nicht einmal so sehr lange unterwegs.
Du hast Recht, wenn Du schreibst, dass wir mit unseren Kindern bis jetzt zufrieden sein können. Sie sind eine fröhliche Gesellschaft. Dass sich beide öfter händeln müssen, das ist ja nicht nur bei ihnen so. Die Hauptsache ist, dass man hinterher ist und keine Unart durchgehen lässt und einen festen Willen ihnen gegenüber hat.
Den Brief an Papa hast Du schön geschrieben. Da wird er sicher zufrieden sein. Du hast ihm ja sogar alles Gute für seine Ehe gewünscht. Da legt er bestimmt besonderen Wert darauf.
Heute werde ich die Päckchen für Leipzig ganz fertig machen. Es ist drin:
Für Erna 1 Brettchen, 1 Glasuntersetzer, 1 Tuch, 1 Stopfpilz, 1 Tüte Gebäck und für Siegfried Zigaretten. Für Papa Zigaretten, 1 Tüte Gebäck, für seine Frau habe ich keine weiteren Taschentücher gekauft, sondern nur aus einem kleinen Rest eine runde Tasche fürs Taschentuch gehäkelt, wie ich sie mal von Frau Lämmel bekommen habe. Das kostet mir nichts, macht nicht viel Arbeit und sieht doch nicht so schäbig aus. Die Form habe ich Dir hier aufgezeichnet. Weißt Du, wenn ich gar nichts für die Frau schicke, ist Papa beleidigt, und ich habe genug von dem Zank.
Nun lass mich schließen. Ich grüße und küsse Dich, mein lieber Mann, recht herzlich, Deine Annie.

Brief 460 vom 5.12.1942


Mein liebsterErnst!                                        Konstanz, 5.12.42

Diese Woche ist wieder zu Ende. Am Morgen war ich in der Stadt, habe die Grüne Post an Dich abgeschickt und die anderen Zeitungen besorgt, die ich nun morgen auf den Weg bringe. Bei der letzten Grünen Post hatte ich die letzten Seiten hier behalten, da waren so gute Rezepte drauf. Ich habe heute auch noch einen Zeichenblock bekommen, sodass unsere beiden Kerlchen einen bekommen. Als ich vom Einkaufen heim kam, war Helga schon da. Sie hatte keine Schulaufgaben auf und als ich die Treppe putzen wollte, meinte sie, das würde sie furchtbar gern tun. Ich habe dann nur zuschauen müssen und sie hat die Treppe gewischt. Na, ist es nicht ein großes Mädchen?
Ich hatte den Kindern doch nichts davon gesagt, dass sie was zum Nikolaus bekommen. Helga hatte sich soweit damit abgefunden, dass es nichts gibt. Als nun Jörg zu Mittag heim kam, brachte er von der Schule einen Weihnachtsmann mit, der einen Korb neben sich stehen hat, darin war ein Apfel, und eine Printe hatte er auch noch bekommen. Als das Helga sah, war es mit ihrer Fassung vorbei. „Jörg hat etwas und alle Kinder bekommen etwas, nur ich nicht.“ Ich konnte doch nun nicht sagen, Du bekommst auch was. So habe ich sie vertröstet und heute Abend war die Freude groß, als sie ein Weihnachtsbeutelchen mit guten Sachen fanden. Es ist alles aufgefuttert worden.
Bei Jörg war der Nikolaus in der Klasse. Er hatte nur 2 größere Sachen und verschiedene kleine. Damit niemand bevorzugt wurde, hat die Lehrerin Lose gemacht und Jörg hat den Weihnachtsmann gezogen. Wie er sagte, haben alle Buben um ihn herum gestanden und ihn beneidet.
Da mir die Kinder auch was schenken wollten, haben sie zwei Beutel mit 1 Bilderbuch, 1 Pfeife, Abzeichen usw. gefüllt und mir gegeben. Sie wollten mir doch auch eine Freude machen. Wir haben es uns heute Abend noch gemütlich gemacht, haben eine Kerze angebrannt, einige Weihnachtslieder gesungen und zuletzt den Weihnachtsbrief für Dich geschrieben. Öffne ihn bitte noch nicht. Ich habe auf den Umschlag W.Br. geschrieben. Sicher wird er fast mit diesem Brief zusammen ankommen.
Nun lass mich schließen. Ich grüße und küsse Dich wieder recht herzlich, Deine Annie.

Brief 459 vom 4.12.1942


Mein liebster, besterErnst!                                         Konstanz, 4.12.42

Heute erhielt ich 2 Briefe von Dir, vom 19.11. und vom 25.11. Letzterer mit Flugpost. So konnte ich in einem lesen, dass Du wahrscheinlich versetzt wirst und im zweiten las ich dann, dass zuerst der Inspektor drankommt. Also ganz sicher ist es bei Dir auch nicht, aber Du hast Recht, man lässt alles an sich herankommen und macht das mit, was verlangt wird. So bist Du bisher immer am besten gefahren. Es hat ja doch keinen Zweck, sich gegen etwas zu stemmen, man macht sich das Leben damit nur noch schwerer.
Vielleicht kannst Du doch noch einige Zeit dort bleiben, bis es etwas wärmer wird. Aber wie gesagt, am besten, man wartet ab.
2 Päckchen sind also an mich unterwegs. Hoffen wir, dass sie gut ankommen. Einige Zeit wird es ja noch dauern, bis sie hier eintreffen.
Bei Euch hat es also geschneit. Als ich es den Kindern vorlas, waren sie ganz neidisch. Ich glaube, den Kindern ist es mehr erwünscht, als Euch Soldaten.
Um nochmals auf die Versetzungsgeschichte zu kommen. Da hast Du wirklich Recht. Gut ist es, dass Du jetzt noch einen Urlaub gehabt hast. Das kann uns niemand wegnehmen. Die Erinnerung haben wir doch. Und schöne Tage waren es!
Dass Du´s mir nicht übel genommen hast, dass ich Dir nicht so viel erzählt habe, das beruhigt mich ein wenig.
Wenn du die Sachen, die Du von hier mitgenommen hast, gebrauchen kannst, so ist es Recht. Da hast Du sie wenigstens nicht umsonst geschleppt.
Der Brief an Helga und Jörg ist heute auch angekommen. Sie haben ihn in der Stube gelesen, damit ich ja nichts hören soll. Der Brief an Vater ist auch hierhergekommen, trotzdem Rundbergstraße draufsteht. Aber für die Konstanzer Briefträger gibt es im Allgemeinen nur einen Rosche, und das sind wir.
Den Löffel habe ich Dir ja gleich geschickt, und Du wirst ihn wohl inzwischen erhalten haben. Die Hülle für das Besteck mache ich Dir gerne. Nur kann ich es natürlich erst nach dem 25. Wegschicken, da bis dahin Päckchensperre besteht.
Den zweiten Luftpostbrief von mir hast Du also erhalten, und so wird sicher auch alles andere richtig ankommen. Mit dem ersten Luftpostbrief war es eben ein Versehen von der Post. Es beruhigt mich, dann werden sicher auch die Päckchen richtig ans Ziel kommen. Schnell ist ja der Brief gegangen, nur 4 Tage. Hierher dauern die Luftpostbriefe meist ca. 9 Tage.
Du wunderst Dich, dass ich der Frau von Papa etwas schenken will? Das möchte ich schon tun, denn ich glaube bestimmt, dass Papa ein Paket schickt und die Frau legt sicher was bei. Da möchte ich nicht so dastehen. Ich schenke ja nur eine Kleinigkeit, aber ich habe niemand beleidigt. Erna schenke ich sowieso etwas mehr. Die Zigaretten für Siegfried lege ich in das Päckchen von Erna. Ich glaube nämlich, dass er wahrscheinlich zu Weihnachten Urlaub erhält. So liegen im Päckchen ein bisschen Gebäck, die anderen kleinen Sachen und die Zigaretten, das sieht netter aus. Voriges Jahr konnte ich auch an Siegfried Gebäck schicken, aber diesmal habe ich nicht so viel Mehr.
Über die Weihnachtsgeschenke für die Kinder habe ich Dir ja gestern geschrieben. Es war schon notwendig, dass man sich rechtzeitig darum kümmert, sonst bekommt man nur noch den Rest. Ich glaube auch, dass sie mit den Geschenken zufrieden sein können. Wie schön wäre es, wenn Du wieder einmal zu Weihnachten daheim sein könntest. Das wäre dann erst ein richtiges Fest für mich, aber daran ist ja nicht zu denken.
Du hast Recht, am schönsten wäre es, wenn man nicht nur mit Urlaub rechnen müsste, sondern, dass der Krieg zu Ende wär´ und Du ganz Heim kommen könntest. Aber auch damit ist nicht zu rechnen, und es sieht noch nicht nach Frieden aus. Aber wir müssen es durchfechten. Ohne Sieg gäbe es auch keinen richtigen Frieden, sondern nur ein Elend, wie 1918 und später. Wir haben es ja gesehen, unsere Feinde gönnen uns kein richtiges Leben.
Ich bin auch froh, dass Helga ihre Schuhe bekommen hat. Sie hat sie schon einige Male gut brauchen können. Am Sonntag, beim Theaterspielen, zieht sie sie auch an. Sie muss ihr Sonntagskleid anziehen, da passen sie sehr gut dazu.
Ich war heute den ganzen Tag daheim. Am Vormittag habe ich geputzt und mir dann vor allen Dingen mal die Tür an das kleine Schränkchen gemacht. Vater wollte es ja einmal machen, aber das dauert mir zu lange. Jetzt steht die Tür schon so lange herum. Am Nachmittag habe ich eigentlich nur Briefe geschrieben. Die Durchschläge lege ich bei.
Helga ist vorhin von der Probe Heim gekommen. Sie hat jetzt mächtigen Hunger und wir werden jetzt Abendbrot essen. Ich schließe für heute meinen Brief und grüße und küsse Dich, mein lieber Mann, recht herzlich, Deine Annie.

Brief 458 vom 3.12.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 3. Dez. 42

Heute war ich zum ersten Mal wieder im Nähen, und zwar von 3 bis 6 Uhr. Es waren ca. 20 Frauen da. An unserem Tisch saßen wir zu viert. Von der Frau, die neben mir saß, ist der Mann vor einem Jahr gefallen. Mir gegenüber saß eine Frau, die sagte, als von Weihnachtspäckchen geredet wurde: „ Voriges Jahr habe ich an drei Soldaten Päckchen geschickt. Sie haben sie aber nicht erhalten und dieses Jahr sind alle drei schon tot“. Als sie das sagte, senkte sie ihren Kopf auf ihre Arbeit, damit man nicht sehen sollte, dass sie weinte. Da sieht man erst wieder, wie viel Leid es gibt. Der Mann der anderen Frau, die noch am Tisch saß, ist auch in Rußland. Erst ging das Nähen etwas langsam, aber als ich mich wieder eingearbeitet hatte, ging es gleich rascher. Ich bin gern wieder hingegangen.
Am Nachmittag kam das Päckchen von Frau Diez an mit Hemdenstoff, hellblau mit ganzschmalen dunkelblauen Streifen. Ich soll Jörg ein Sporthemd und Helga vielleicht ein Bluse davon machen.
Frau Diez schreibt, dass ihr Sohn hätte auf Urlaub kommen sollen, dass aber nichts daraus geworden ist, da er zu einer Übung abkommandiert wurde. Vielleicht sei es besser so, denn seine kleine 2 ½ jährige Tochter ist ins Krankenhaus gekommen. Sie hatte voriges Jahr mit dem Ohr zu tun, das aufgemeißelt werden musste, und jetzt hat sie Mittelohrentzündung bekommen. Der Vater der jungen Frau und noch Geschwister sind jetzt aus Palästina zurückgekommen und wohnen jetzt in der Wohnung von Frau Diez, während sie zu ihrer Tochter gezogen ist. Augenblicklich ist Frau Diez auch krank und liegt im Bett. Sie hat sich erkältet und schreibt, dass sie sehr merkt, dass sie älter wird und ihre Kräfte nachlassen.
Als Du hier auf Urlaub warst, sagte ich Dir doch, dass mein Alltagsregenmantel entzwei geht. Ich habe mir nun heute so ein durchsichtiges Regencape gekauft. Ich werde ja sehen, wie lange es hält. Etwas anders war nicht zu haben und es ist ja modern. Für die Kinder habe ich heute auch noch etwas gekauft. 1 Karton Buntstifte, 1 Zeichenblock (vielleicht bekomme ich noch einen, damit jeder einen hat), dann 2 Guckrollen, ich weiß nicht, ob Du sie kennst. Man schaut durch ein kleines Loch hinein, dreht die Rolle, und da kommen lauter verschiedene Figuren aus Perlen.
Über Mittag habe ich noch von einem Pfund Mehl Ausstecherle gebacken, damit ich die Päckchen an Erna und Papa bald fertig machen kann.
Helga wollte heute Abend, nachdem sie von der Probe wiederkam, noch an Dich schreiben. Da sie aber erst noch Schulaufgaben machen musste, war sie zu müde dazu. Und es war auch zu spät. Sie war so froh, als sie im Bett lag. Jörg auch. Er war heute mit runter gegangen zum Ziegelhof. Dort im Hindenburgblock wohnen einige Schulkameraden von ihm. Mit denen hat er den ganzen Nachmittag gespielt. Nachdem es dunkel wurde, hat er noch eine Weile bei mir gesessen und hat seine Schulaufgaben gemacht. Wir hatten die Tafel mitgenommen. Helga holte uns dann ab und wir sind zusammen Heim gegangen. Am Nachmittag habe ich auch noch meine Wäsche fertig gebügelt. Jetzt muss ich mal wieder Sachen ausbessern, sobald ich dazu komme.
Von Jörg muss ich Dir noch was erzählen. Er hatte doch ein Bild vom Wald gemalt. Nun hat er heute seine Lehrerin gefragt, ob sie´s haben will. Sie hat jawohl gesagt, es käme mit auf den Weihnachtstisch. Da hat er sich sehr gefreut.
Bei uns hat seit gestern das Wetter umgeschlagen. Es ist gar nicht mehr sehr kalt. Dafür regnet es aber immer mal.
Wir brennen jetzt doch meist die Tischlampe. Da mussten wir die Leitungsschnur immer bis zum Stubenstecker legen. Das war mir zu dumm. Ich hatte noch ein Stück Schnur da. An diese habe ich einen Stecker gemacht, an die Lampe habe ich die Steckerfassung (heißt die so?) geschraubt. Da schließe ich die Stehlampe jetzt an. So brauchen wir uns nicht mit der langen Schnur ärgern und drüber stolpern kann auch niemand. Es ist die Schnur vom alten Tauchsieder.
Nun, mein lieber Ernst, lass mich wieder schließen. Ich grüße und küsse Dich wieder recht zärtlich, Deine Annie.

Brief 457 vom 2.12.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 2. Dez. 1942

Heute war ein froher Tag, denn ich habe Post von Dir erhalten, gleich 3 Brief, vom 15., 16. Und 17.11. Auf einem war der Briefstempel von 37700, auf einem der von 00220 und einer war ohne Stempel. Nun weiß ich wenigstens, dass 37700 richtig ist und dass Du den Flugpostbrief an 00220 sicher auch erhalten wirst. Das hat mich etwas beruhigt. Muss ich doch nun nicht befürchten, dass evtl. die Päckchen zurückkommen.
Wie ich aus Deinen Briefen ersehe, wartest du auch sehr auf Nachricht von uns und es fuchst mich furchtbar, dass der Luftpostbrief zurückgekommen ist. Da hättest Du doch nicht so lange warten müssen. Inzwischen wirst Du hoffentlich wieder laufend Briefe von uns bekommen.
Meine Frage nach dem Entstehen des Brandes hast Du ja nun schon beantwortet. Das muss ja eine ziemliche Aufregung gewesen sein. Nur gut, dass der eine nachgesehen hat, sonst wäre es zum Ausräumen der persönlichen Sachen sicher zu spät gewesen. Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie Du geschaut hast, als Du bei euch im 5.Stock ankamst und alles verbrannt fandest. Einen anderen Empfang wünscht man sich ja schon, wenn man so lange Tage auf der Bahn gelegen hat. War es eigentlich ein Kaminbrand?
Ja, in Afrika war ja ein Rückschlag eingetreten. Aber das werden wir auch überstehen. Gut ist ja, soviel ich das beurteilen kann, dass wir rechtzeitig alles zerstört haben und keine der Plätze länger verteidigten, sonst wären sicher wieder noch mehr in Gefangenschaft gekommen. In der Beziehung ist so ein Rückschlag gut, dass wir uns in der Heimat auch wieder daran erinnern, dass Krieg ist und gekämpft werden muss. Es verlangen noch manche, alles müsste wie im Frieden sein. Das meine ich ja nun gerade nicht, aber doch ist man noch in mancher Friedensvorstellung befangen.
Wegen dem Heft vom Gess habe ich Dir ja geschrieben. Leider ist es erst nach längerer Zeit zu bekommen. Abbestellt habe ich es nicht.
Du schreibst wegen eines Rades für eines der Kinder. Da käme ja vor allem Helga in Betracht. Aber auch eigentlich erst, wenn sie später in die Stadt in die Schule muss. Wenn man überhaupt ein Rad durch die Zeitung bekommt, so meist ohne Bereifung. Ich habe es schon bei „Tauschangebote“ gelesen. Von der Bezugsscheinstelle bekommt Helga aber keine Bereifung, solange keine Notwendigkeit besteht, dass sie fahren muss. Ein Kinderrad käme für sie auch nicht mehr in Frage. Dazu ist sie zu groß. Schreibe mir bitte nochmals, was ich machen soll. Ob ich doch einmal inserieren soll?
Helga bekommt zu Weihnachten: 1 Kleid, 2 Tricothemden, 1Paar Strümpfe, 1 Kopftuch bzw. Halstuch, 1 Karton für Schmuck, 1 Paar Handschuhe, 2 Bücher, dazu noch etwas zum Naschen. Jörg bekommt: 1 Trainingshose, 1 Unterhose, 1 Pullover, 1 Hose, 1 Paar Handschuhe, 1 Buch, 1 Beutel kleine Holzhäuschen, und auch etwas zum Naschen.
Spielwaren gibt es dieses Jahr in keinem Geschäft. Die wenigen Sachen, die da sind, sind miserables Machwerk, dazu teuer und auch nur für kleinere Kinder bestimmt. Und Spielwaren haben ja unsere Kinder auch schon. Die Kinder müssen eben mit dem zufrieden sein, was sie bekommen. Sollte ich noch irgendwelche Kleinigkeiten auftreiben können, so werde ich sie natürlich kaufen. Bis jetzt klappte es nur noch in keiner Weise.
Die Ergänzung der Kostenaufstellung für die Ahnenforschung werde ich vornehmen.
Nun will ich Dir noch von heute erzählen. Am Morgen habe ich Wäsche aufgehängt, die bis Mittag schon trocken war, denn es wehte ein starker Wind. Die über Nacht getrocknete Wäsche habe ich am Vormittag gleich gebügelt. Am Nachmittag sind wir zum Baden gegangen. Es waren nicht so viele Leute da, nur mehrere Soldaten. Wie es mir da heute gegangen ist, hat Dir ja Helga schon berichtet. Einige Male konnte ich dem Unterschwimmen ausweichen, einige Male habe ich aber auch Wasser geschluckt. Das war ja aber nicht weiter schlimm. Als dann die Soldaten fort waren, bin ich 10 Mal hintereinander um das tiefe Bassingeschwommen. Das war wieder schön. Jörg hat aber noch keine Lust zum Schwimmen. Als wir heute Heim kamen, sagte ich zu ihm: „Wenn Du keine Lust zum Schwimmen hast, so ist mir das gleich. Aber Du wirst es erleben, wenn Vaterle mal wieder auf Urlaub kommt, dann schwimmen wir dir alle davon und du alleine musst bei den kleinen Kindern am Ufer stehen bleiben.“ Das hat ihn ein wenig beeindruckt und er meinte, dass er am nächsten Donnerstag bestimmt probieren wollte. Mal sehen, ob es wahr ist. Am liebsten ging Jörg ja am Mittwoch, da da die Jungen nicht da sind, die ihn immer ärgern.
Nach dem baden sind wir noch Brot holen gegangen und dann heim. Da haben wir Abendbrot gegessen und Helga hat noch an Dich geschrieben, während Jörg Schulaufgaben gemacht hat. Dazu war er am Nachmittag nicht mehr gekommen, denn wir wollten nicht zu spät beim Baden sein.
Nun liegen beide schon längst im Bett und ich will auch gehen, denn das Baden macht müd´.
Ich grüße und küsse Dich für heute wieder recht herzlich, Deine Annie.

Brief 456 vom 1.12.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 1. Dez. 1942

Mein Waschtag ist beendet. Aufhängen habe ich noch nicht alles können, ich mag über Nacht die Bettwäsche nicht aufgehängt lassen. Helga hat mir sogar beim Waschen geholfen und hat die Wischtücher gebürstet. Ja, wir haben schon eine große Tochter. Jörg war auch eine Weile bei mir im Waschhaus und hat in der Badewanne seine Schiffe fahren lassen. Das hat ihm natürlich gefallen. Gegen ½ 5 Uhr war ich mit waschen fertig und wir sind rauf gegangen. Da habe ich erst wieder eingeheizt, damit man sich auch wohlfühlen kann. Helga war inzwischen bei der Theaterprobe und kam ¼ 6 Uhr heim. Wir haben dann Abendbrot gegessen und sitzen jetzt alle drei beim Schreiben. Helga hatte damit ja schon zu Mittag angefangen.
Da Helga am Donnerstag wieder Probe hat, gehen wir sicher morgen zum Baden. Wir gehen sonst lieber am Donnerstag, weil Du doch an diesem Tage uns mit Deinen Gedanken im Bad suchst. Aber es lässt sich dieses Mal eben nicht machen.
Am Morgen habe ich 50.-Mk. auf die Kasse geschafft. Wir haben jetzt 528.-Mk. Was auf den Büchern der Kinder ist, haben sie ja selbst geschrieben.
Gestern Abend habe ich noch Granatsplitter gemacht, als die Kinder im Bett waren. Ich will sie doch zum Nikolaus damit überraschen. Erst dachte ich, ich könnte ihnen gar nichts geben, aber dann fiel mir ein, dass ich doch Granatsplitter machen könnte. Haferflocken hatte ich gerade noch da. So ist es doch für sie schöner.
Post habe ich von Dir auch heute nicht bekommen, aber ich warte jeden Tag drauf. Lange kann es jetzt doch nicht mehr dauern, bis wieder regelmäßig Post eintrifft.
Die Zeitungen für Dich von der vergangenen Woche habe ich heute erhalten. Morgen schicke ich sie mit fort. Sie kommen diesmal etwas spät, aber ich konnte sie nicht eher bekommen.
Gestern hatte ich Helga mit auf´s Rad genommen, um sie in die Schule zu fahren. Da bin ich wieder angehalten worden, weil Helga zu groß ist. Es ist dies das zweite Mal, wo ich ohne Strafe davon gekommen bin. Aber jetzt darf ich sie nicht mehr mitnehmen, sonst habe ich doch mal Pech. Der liebe Mann sagte mir gestern: „Da müssen Sie dem Mädel eben ein eigenes Rad kaufen.“ Da habe ich ihm aber direkt ins Gesicht gesagt: „Das ist leicht gesagt, aber erst mal eins kriegen“.
In der Hoffnung, recht bald wieder liebe Briefe von Dir zu erhalten grüße und küsse ich Dich für heute recht herzlich, Deine Annie.

Brief 455 vom 30.11.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 30.11.42

Morgen beginnt der Weihnachtsmonat. Die Kinder freuen sich schon, wenn sie ihre Adventskalender aufmachen dürfen und wenn ich den Kalender aufmache, den sie mir gemacht haben.
Wie oft haben sie mich schon gefragt, ob ich mich auch freue. Am Samstag ist dann Nikolaustag. Da es keine Bonbons oder Pralinen gibt, bringt der Nikolaus Granatsplitter und etwas Gebäck. Das wird auch Freude machen, denke ich. Meist sind ja die Kindergedanken jetzt bei Weihnachten. Da werden Tannenbäume, Kerzen, Tannenzweige usw. gemalt und auch ab und zu schon Weihnachtslieder gesungen. Dazu kommt noch die Freude auf die KdF-Veranstaltung am nächsten Sonntag. Es gibt also viel, worauf sich die Kinder freuen können.
Ich habe heute sehr auf einen Brief von Dir gewartet, aber leider vergeblich. Wenn ich nur erst lesen könnte, dass Du Briefe von mir erhalten hast.
Ich wünschte ja so sehr, dass Du nicht vergeblich die lange Zeit auf Post warten musstest. Aber ich muss eben auch Geduld haben.
Heute Nachmittag habe ich Geld geholt. Vorigen Monat konnte ich ja nichts sparen, weil ich noch verschiedene Weihnachtskäufe getätigt hatte. Aber diesen Monat werde ich 50.-Mk. auf die Kasse tun und für die Kinder je 5.-Mk. Dann habe ich für Vater die Miete und die Kirchensteuer bezahlt und das Geld für sein Los weggeschickt. Da braucht er abends schon nicht so rumzuspringen.
Gestern Abend, als wir den Brief für Dich wegschafften, hörten wir jemand so trippeln. Wir dachten gleich, dass es Vater sei. Da kam er dann auch voll beladen mit Holz und dem Rucksack voll Wäsche, sowie seiner Tasche unter dem Arm. Er ist dann bis ½ 12 hier gewesen und hat gelesen.
Kurt hatte doch an Vater zwei Päckchen mit Rauchwaren geschickt. Das eine fast nur mit Zigaretten. Ich habe Vater gefragt, ob er mir im Tausch gegen Stumpen, die ich ihm nach und nach geben würde, einige Schachteln Zigaretten gibt. Ich könnte dann Papa und Siegfried welche schicken. Er hat mir auch welche gegeben, mehr, als ich eigentlich wollte. Vater sagte, da sollte ich eben ein paar Schachteln aufheben. Das werde ich auch tun, denn im Januar kommt ja wieder ein Geburtstag. 15 Schachteln hat Vater mir gegeben. Dazu habe ich ja auch noch einige Schachteln da. Sehr viel kann man eben jetzt nicht schicken.
Morgen habe ich große Wäsche. Am Morgen besorge ich nur erst die Rente für Vater. Hoffentlich ist es morgen nicht gar zu kalt, damit ich bei der Wäsche nicht so sehr an den Händen frieren muss.
Freust Du Dich nicht über Helgas Brief? Sie hat sich doch sehr viel Mühe gegeben und mit Freude hat sie auch geschrieben. Sie ist auch sehr stolz auf den Brief. Da sie nun auch geschrieben hat, wollen doch die Kinder den Brief auch mit wegschaffen. Wir wollen da jetzt gleich laufen, denn sonst wird es für unsere Banausen zu spät, es ist nach ¼ 9 Uhr.
Ich hoffe, dass Du den Brief richtig erhältst und grüße und küsse Dich recht herzlich, Deine Annie.

Viele Grüße und Küsse von deinem Jörg.

Brief 454 vom 29.11.1942


Mein liebsterErnst!                                                    Konstanz, 29.11.42

Ich bin heute immer noch unruhig, ob Dich wohl meine Briefe erreichten. Es wäre ja schlimm, wenn Du die ganze Zeit keine Post erhalten haben solltest. Aber ich kann nicht glauben, dass die Nummer nicht richtig ist. Ich hoffe immer wieder, dass Du auch die Päckchen richtig erhältst.
Wir waren heute auf der Messe. Es war aber tatsächlich gar nichts los. Einige Buden, die meisten mit Kurzwaren und Lederschuhbänder. Dann noch einige Buden mit Schmuck und Wäsche. Das war alles. Keine einzige Spielzeugbude, und das ist doch für die Kinder die Hauptsache. Auf dem Döbele stehen ganze 2 Buden, eine mit Honigkuchen und eine, die Lose verkauft. Da man nun gar nichts zum Spielen kaufen konnte, habe ich wenigstens einen Honigkuchen geholt, den wir dann zuhause gegessen haben. Nochmals brauchen wir tatsächlich nicht auf die Messe zu gehen.
Wir sind dann langsam Heim gegangen, denn man bekam kalte Füße. Am schönsten ist es doch immer daheim. Da kann man sich´s gemütlich machen. Vorhin haben wir Abendbrot gegessen und nun sitzen Helga und ich beim Schreiben und Jörg spielt mit dem Kugelspiel. Dafür haben wir uns die Tischlampe geholt, die alles noch heimeliger macht und das Radio spielt. Vielleicht kannst Du Dir alles so ungefähr vorstellen.
Geschafft habe ich heute nicht viel und werde wahrscheinlich auch nachher nur noch ein wenig lesen. Ich hoffe nur, dass Du auch einen halbwegs guten Sonntag verlebt und vor allen Dingen auch schon Post von mir erhalten hast. Es wird mich sehr freuen, wenn ich die Bestätigung dafür von Dir erhalte. Dann werde ich auch wieder ruhiger sein.
Heute ist der erste Advent. Aber man merkt nicht viel davon, außer dass die Kinder schon die Adventskalender hervorgeholt haben. Einen Kranz haben wir dieses Jahr nicht gemacht, denn wir hatten tatsächlich noch nicht die Zeit, genügen Tannenreisig zu holen und ich muss offen sagen, ich habe auch gar nicht die richtige Lust zu einem Adventskranz. Es wird auch so gehen. Die Hauptsache, dass es ein erträgliches Weihnachtsfest gibt. Und da will ich ja sehen, dass ich den Kindern ein schönes Fest bereite, denn sie sollen daran schöne Erinnerungen haben. Richtig schön wird es ja erst sein, wenn Du wieder einmal hier bist. Das ist bestimmt. Jetzt müssen wir uns eben so durchbeißen.
Nun lass mich für heute schließen, mein lieber, lieber, guter Ernst. Ich habe Dich ja so lieb. Denk an uns und sei recht fest geküsst und gegrüßt von Deiner Annie.

Montag, 27. November 2017

Brief 453 vom 27./28.11.1942


Mein lieber, guterErnst!                                           Konstanz, 27.11.42

Wie ich Dir im vorhergehenden Brief schrieb, bin ich heute Nachmittag schnell noch in die Stadt gefahren, damit Jörg seine Eintrittskarte für den 6.12. bezahlen kann. Als ich hinkam, war Helga nur noch beim Üben. Jörg war schon fort. Also habe ich die Karte geholt und bin dann zum Stadler gefahren, weil ich sehen wollte, ob Jörg noch dort war, denn er sollte 2 Kartons besorgen. Er war nicht mehr da, aber dafür sah ich, dass es Kerzen gab auf Haushalts- und Seifenkarte der Kinder. Familien ohne Kinder bekommen nach dem 30.11. nur welche, soweit noch vorhanden. Ich erhielt 12 Stück. Das ist mehr, als im vergangenen Jahr, wo es nur 5 Stück gab. Ich habe dann noch meine Karte bei KdF geholt. Es war gut, dass die Karte schon bestellt war, sonst hätte ich keine mehr bekommen. Nachdem ich noch den Brief an Dich weggeschafft hatte, fuhr ich heim und traf auf der Rheinbrücke Jörg. Der war froh, als er gleich aufsitzen konnte. Wir sind dann heimgefahren und haben das Abendbrot gerichtet. Nach 6 Uhr kam dann Helga und wir haben gegessen. Nachher habe ich noch 2 Päckchen für Dich gepackt, die ich morgen früh zur Post bringe. Bei Päckchen 7 steht die Nummer an der Seite, bei Nr.8 habe ich die Nummer zu schreiben vergessen. Nun habe ich keine Zulassungsmarke mehr und kann also nichts mehr schicken. Hoffentlich hast Du ein wenig Freude an den Sachen zu Weihnachten.
In der vergangenen Nacht habe ich wieder von Dir geträumt. Das hat mich so gefreut. Dein Schlafanzug, den Du zuletzt hier angehabt hast, ist ja immer noch mein Schlafgesell. Er liegt neben meinem Kopf. So habe ich immer noch etwas von Dir hier.
Als ich heute Nachmittag so schnell den Brief beendete, habe ich ganz vergessen, Dir die Bilder von Jörg mitzuschicken. Diesmal lege ich sie aber bei.
Heute kam Jörg erst spät von der Schule heim. Er war noch mit bei den Sechstklässlern. Als er heimkam, erzählte er: „Weißt Du eigentlich was von den Widnkind und von den Externsteinen? Bei den Externsteinen sind doch lauter Steinlöcher und Kammern. Da ist auch ein Steinloch, das hat man jetzt herausbekommen, dass dort bei der Sonnenwende im Juli der erst Sonnenstrahl durchfällt. Weißt Du das?“ Ich wusste es und ich wusste auch was von Widnkind. Das musste ich ihm alles erzählen und es hat ihn sehr interessiert. Wie aber doch der kleine Kerl aufgepasst hat. Er und noch einige waren eigentlich nur in die 6.Klase mit hingegangen, weil sie sich noch Zettel für ein neues Heft schreiben mussten, den die Lehrerin unterschreiben musste.
Es ist nun wieder ½ 11 Uhr geworden und ich bin sehr müd. Lass mich deshalb für heute schließen.

                                                                                                            28.11.
Guten Morgen lieber Ernst! Ehe ich in die Stadt fahre, will ich noch den Brief beschließen. Helga ist schon in der Schule, Jörg ist gerade aufgestanden und zieht sich an. Er muss ja erst ¾ 10 Uhr in der Schule sein und ist deshalb länger im Bett geblieben. Da ist es doch so mollig warm drin. Jetzt rechnet er schon fest damit, dass ich ihn gleich auf dem Rad mit zur Schule nehme. Ich werde ihn auch nicht enttäuschen, denn es ist ja ein Weg.
Morgen beginnt die Messe. Du kannst Dir denken, dass sich die Kinder schon darauf freuen. Vielleicht gehen wir morgen gleich mal hin. Es kommt auf´s Wetter an. Wenn es zu kalt ist, hat es keinen Zweck. Sonst erkälten sie sich nur, denn sie wollen doch bestimmt Karussell fahren.
Ich packe auch bald die Päckchen für Erna und Siegfried und Papa und seine Frau. Viel wird es ja nicht, aber es ist schließlich auch Krieg.
Was agst Du eigentlich zu den Franzosen? Ist es nicht eine Gemeinheit, dass man sich nicht einmal auf ein Ehrenwort von ihnen verlassen kann? Es war doch bestimmt ein Entgegenkommen, dass sie Toulon selber verteidigen durften, und wie wäre es uns bald belohnt worden? Man darf niemand trauen, und Großmut ist immer von Übel. Ich habe eine elende Wut auf die Franzosen. Hätten wir dem General Giraud in seiner Gefangenschaft nicht so viel Freiheit gelassen, könnte er jetzt nicht in Afrika sein. Aber so hat man auf seine Gesundheit Rücksichten genommen. Die Kerle sind es gar nicht wert. Die Deutschen sind immer zu anständig. Wir sollten mehr hassen können.
Nun lass mich schließen. Es ist jetzt Zeit zum Fortfahren. Ich grüße und küsse Dich recht herzlich, Deine Annie.

Brief 452 vom 26./27.11.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 26.11.42

Ich hatte Dir ja versprochen, gestern Abend noch zu schreiben, aber es ging nicht. Doch ich will der Reihe nach erzählen. Gestern Mittag sind wir also ins Kino gegangen. Es hat uns sehr gut gefallen. Man hat so gesehen, wie sie im Land herumfahren, wie die einzelnen Theateraufführungen stattfinden, und unter welch primitiven Umständen manchmal. Wie es aber doch den Schauspielern und den Soldaten Freude macht.
Nach dem Kino sind wir zum Doktor gegangen, d.h. vorher haben wir noch eingekauft. Wir kamen ¾ 6 Uhr hin und kamen gleich dran. In letzter Zeit war die Geschwulst etwas weicher geworden, aber die andere Brust wurde auch etwas fest. Der Arzt sagte nun, dass wir gar nichts mehr machen brauchen, denn die natürliche beidseitige Entwicklung habe eingesetzt, und wegen dieser Sache ist die Behandlung abgeschlossen. Ich will mich nicht zu früh freuen, aber schön wär´s doch, wenn nun alles gut wär, nicht wahr?
Nachdem wir beim Arzt waren, sind wir mit dem Omnibus heimgefahren. Zuhause bekam ich plötzlich ein wahnsinniges Kopfweh und es wurde mir ganz schlecht. Ich konnte den Kopf überhaupt nicht mehr bewegen. Ich habe dann einmal „gekümmelt“, weil das doch voriges Mal, als Du hier warst, auch geholfen hat. Aber nichts war´s. Ich wollte gleich ins Bett gehen, aber nichts war´s, denn gerade gestern kam Vater. Gleich fortschicken konnte ich ihn auch nicht, denn er fror sehr und bei ihm ist es ja kalt. Also hat er Zeitung gelesen und ich habe inzwischen mit dem Kopf auf den Armen auf dem Tisch gelegen. ½ 10 Uhr ist Vater dann gegangen und ich bin gleich ins Bett. Längere Zeit konnte ich erst nicht einschlafen, weil mir sogar auf dem weichen Kissen der Kopf so wehtat. Siehst Du, deshalb konnte ich Dir nicht schreiben.
Heute Morgen ist das Kopfweh ziemlich besser, aber ich kann leider nicht mit baden gehen. Wir bleiben dann sicher alle daheim.
Heute Morgen habe ich mich nun gleich ans Schreiben gesetzt. Nachher will ich noch die Zeitungen für Dich holen und für Vater die Gasrechnung bezahlen.
2 Päckchen für Dich nehme ich auch noch mit.
Jörg geht jetzt gerade in die Schule, nachdem er vorhin noch Schulaufgaben gemacht hat, die er ja gestern nicht machen konnte.
Bei uns ist es jetzt auch kalt geworden. Gestern hatten wir 6 Grad Kälte. Heute habe ich noch nicht gemessen. Aber die Fenster sind gefroren. Warm ist es also sicher nicht. Fein ist es da, wenn man eine warme Stube hat, wo man sich fein aufwärmen kann, wenn man heim kommt.
Hoffentlich habt ihr es jetzt auch so gut und müsst nicht frieren.
In den nächsten Tagen werde ich sicher für die Kinder noch ein paar Handschuhe stricken. Das gibt dann auch noch ein Weihnachtsgeschenk. Für die Sonderzuteilung an Zuckerwaren habe ich mich schon eintragen lassen. Da weiß man doch wenigstens, dass man den Kindern auch davon was unter den Weihnachtsbaum legen kann. Das ist doch für sie auch eine Hauptsache, etwas zum Naschen. Backen tue ich ja auch noch. Ende dieser Woche werde ich sicher ein Backpulver bekommen. Das reicht dann für mehrere Sorten Kleingebäck.
Nun lass mich schließen. Für heute grüße und küsse ich Dich ganz fest und herzlich, Deine Annie.

Mein lieber, guter Ernst!                                                                  Konstanz, 26.11.42

Am Morgen habe ich ja einen Brief an Dich geschrieben, aber jetzt, ehe ich schlafen gehe, will ich doch noch ein wenig an Dich schreiben. Es fehlt mir einfach, wenn ich nicht mit Dir gesprochen habe, wenn es auch nur im Brief ist.
Viel war ja heute nicht los. Am Morgen war ich in der Stadt, Zeitungen holen, konnte aber einstweilen nur die „Grüne Post“ bekommen. Die anderen erhalte ich am Samstag. Ich habe dann gleich einmal wegen Rasierklingen geschaut und konnte auch drei Stück erhalten. Nach einem Rasierpinsel habe ich auch wieder überall gefragt. Damit ist aber nichts zu machen. Am Nachmittag habe ich verschiedenes aufgeschafft, was in den letzten Tagen liegen geblieben war. Leider hatte, und habe ich noch, den ganzen Tag Kopfweh. Nicht so schlimm, wie gestern. Aber ein bisschen hindert es doch beim Schaffen.
Jörg hat heute einige Bilder gemalt, die ich Dir mitschicke. Er hat sich große Mühe gegeben. Heute Abend hättest Du hier sein müssen. Den ganzen Abend haben die Kinder gelacht und zuletzt habe ich auch noch mitlachen müssen. Wir haben gar nicht mehr aufhören können, sogar beim Beten nicht. Da habe ich den Kindern gesagt, sie sollten woanders hingehen, nicht zu mir, damit wir nicht lachen müssen. Da ist Helga unter die Bettdecke geschlüpft. Da hat man dann immer so murmeln hören, und als Jörg noch fragte: „Hörst Du sie?“, da ging das Lachen wieder los. Uns hat dann alles wehgetan. Aber fröhlich sind die Kinder doch eingeschlafen.
Ich habe vorhin noch gestopft und nun gehe ich schlafen, denn ich bin sehr müd und auch das Kopfweh wird wieder schlimmer. Gute Nacht lieber Ernst, wach gesund wieder auf.

                                                                                                                        27.11.
Ich habe eine große Freude gehabt, Dein lieber Brief 14.11.ist angekommen, dazu die Bilder und die Briefmarken, die ich aufheben werde. Was ist das für ein großes, zusammengeschachteltes Gebäude,, vor dem Ihr photographiert habt?
Das dachtest Du ja auch nicht, als Du hier weg fuhrst, dass Du dort wegen dem Schlafen so herumziehen müsstest. Wenn Du es aber nur in deiner behelfsmäßigen Unterkunft einstweilen aushalten kannst. Wohnst Du noch mit jemand zusammen oder wo sind die anderen Kameraden untergekommen? Du weißt ja, böse bin ich dir nicht, wenn Du mir Butter schicken könntest. Man kann sie ausgelassen ja gut aufheben.
Dass Dir die Bilder gefallen haben freut mich. Schade ist es, dass die Granatsplitter schon so trocken waren und auch noch den Geschmack von der Holzwolle angenommen haben. Vielleicht kann ich Dir bei Gelegenheit mal wieder welche schicken, die dann besser schmecken.
Von Siegfried erhielt ich einen längeren Brief, in dem er von seiner jetzigen Tätigkeit erzählt. Ich schicke ihn mit, wenn ich ihn beantwortet habe. Er hat ziemlich zu tun und zu beaufsichtigen. Am Tag, ehe er geschrieben hat, musste er 600 Soldaten impfen. Er ist, wie er schreibt, dabei schön ins Schwitzen gekommen.
Auf das Kind freut er sich schon sehr, und es ist ihm gleich, ob es ein Bub oder Mädel ist. Wenn nur Mutter und Kind gesund bleiben.
Siegfried schreibt noch, zur Hochzeit habe ihm Papa voll Stolz und Freude den Strauß und die Karte von uns gezeigt.
Jetzt fällt mir gerade ein, dass Jörg heute die 30 Pfg. für seine Karte fürs Theater vergessen hat. Ich werde mich gleich mal fertig machen und rein fahren, denn er würde sehr traurig sein, wenn er nicht bei der Bühne sitzen dürfte.
Ich höre deshalb jetzt mit schreiben auf. Sicher fange ich den nächsten Brief heute Abend noch an.
Viele, viele lieb Grüße und Küsse von Deiner Annie.

Brief 451 vom 24./25.11.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 24.11.42

Ich bin schon darauf gefasst, dass in nächster Zeit eine Reklamation von Dir kommt: „Schreib mehr, und nicht so fades Zeug.“ Ich sehe ein, dass Du Recht haben würdest und doch kann ich es nicht so einfach ändern. Siehst Du, ich sitze hier daheim und erlebe eigentlich nicht viel, und ich meine immer, es wird für Dich wenig von Interesse sein, ob ich gestopft oder geputzt habe. Das sind eigentlich belanglose Sachen. Und auch von dem, was ich am Tag getan habe, kann ich nicht alles schreiben, denn ein kleines Weihnachtsgeheimnis habe ich ja auch. Heute kann ich Dir zwar sagen, dass ich heute meist gestrickt habe und nun auch der Kopfschützer fertig ist. Du wirst ihn also so schnell, als möglich, haben. Hoffentlich gefällt er Dir. Das würde mich sehr freuen. Ich habe ihn nach einer Vorlage von Sachen für Soldaten gestrickt.
In der vergangenen Nacht hat es zum ersten Mal etwas Schnee gegeben, der liegen geblieben ist. Viel war es ja nicht, aber Jörg ist gleich mit dem Schlitten raus. Helga ist auf dem Weg fest geschusselt und kam dafür mit einem Loch in der Schuhsohle wieder. Da muss ich morgen einen Fleck drauf setzen. Es sind ihre hohen Schuhe. Am Nachmittag hatte Helga wieder Probe von KdF. Sie muss jetzt noch was lernen. Da ist sie sehr stolz. Jörg war den ganzen Nachmittag mit dem Schlitten draußen.
Wir haben uns vorgenommen, morgen in den Film „Fronttheater“ zu gehen. Wenn es die Zeit erlaubt, gehen wir hinterher nochmals mit beim Doktor vorbei.
Den Brief schaffe ich heute nicht mehr fort. Es ist schon spät, und augenblicklich wird im Bodenseegebiet ein ausgerissener Schwerverbrecher gesucht, es stand in der Zeitung. Da habe ich ein bisschen Angst, so allein noch fort zu gehen.

                                                                                                                        25.11.1942
Es ist schon wieder Vormittag. Wir nehmen den Brief am Mittag mit. Ich habe heute 4 Päckchen für Dich fertig gemacht und schicke sie heute fort. In dem Päckchen mit dem gelben Papier, an dem an den Seiten noch ein „K“ steht, ist der Kopfschützer drin. 2 weitere Päckchen bringe ich morgen fort. Ich bin mit dem Verpacken noch nicht ganz fertig geworden, und jetzt ist es bald Zeit, dass ich mich zum Fortgehen anziehe. Wir wollen nachher noch schnell essen, dann gehen wir. Erst auf die Post, dann ins Kino.
Wir hatten heute früh 6 Grad Kälte mit einem kalten Ostwind. Jetzt scheint die Sonne, da ist es schon ein bisschen wärmer geworden. Es ist aber ein richtiger Wintertag, denn auf den Dächern liegt überall noch ein bisschen Schnee. Für Jörg ist zwar der Schnee zu wenig, denn er braucht ihn doch zum Schlittenfahren. Damit ist es ja nichts mehr, denn der Wind hat fats alles weggeleckt.
Nun lass mich schließen. Heute Abend schreibe ich weiter. Recht herzliche Grüße und Küsse sendet Dir Deine Annie.

Mein lieber Ernst!                                                                                       25.11.42

Das ist nun der Kopfschützer. Für starke Kälte ist noch ein Stirnschutz und ein Nasenschutz dabei. Ich habe sie zum anknöpfen gearbeitet, denn immer wirst Du sie nicht brauchen. Mit dem Einknöpfen wirst Du schon zurechtkommen. Ich hoffe, dass Dir alles gefällt. Viele Grüße und Küsse von Deiner Annie.

Brief 450 vom 23.11.1942


Mein liebster Ernst!                                                   Konstanz, 23.11.42

Ich bekam Deinen lieben Brief vom 13.11. Du glaubst gar nicht, wie es mich freut, wenn du mir so von der Fahrt erzählst. Ich erlebe da alles ein wenig mit.
Ich glaube Dir gern, dass es eine ziemliche Überraschung war, als Du unterwegs den einen Kameraden getroffen hast. So hast Du wenigstens ein Stück eine kurzweilige Fahrt gehabt. Das freut mich für Dich.
Deinen Löffel und die Bürste habe ich Dir nun inzwischen doch zugeschickt. Ich dachte, Du würdest die Sachen brauchen.
Gefreut hat es mich, dass Du einen Wunsch geäußert hast. Den Kopfschützer werde ich Dir machen. Ich denke, dass ich ihn bis Samstag fertig habe, damit er noch vor der Päckchensperre ab 30.11. mit fortkommt. So erhältst Du ihn wenigstens bis Weihnachten. Ich werde auf den Karton „Kopfschützer“ schreiben, damit Du dieses Päckchen evtl. schon vorher aufmachen kannst, wenn es kalt ist. Es hat ja dann keinen Wert, erst bis Weihnachten zu warten. Graue Wolle habe ich ja nicht, sondern ein mattes Blau. Aber das wird wohl nichts machen. Erstens bekomme ich jetzt keine Wolle, und zweitens ist die jetzige Wolle etwas kratzig, wie ich an der braunen Wolle, die ich vor einiger Zeit bekam, merke. Und das Kratzen kannst Du doch nicht so gut vertragen.
Das ist fein, dass die Kameraden so gut für Dich gesorgt haben, als Du hier warst. Das wird Dich auch gefreut haben. Du hast doch daran gemerkt, dass Du nicht ganz allein dastehst, sondern dass Deine Kameraden auch etwas Interesse für Dich haben.
Die Marken hast Du also tatsächlich wieder zurück geschickt. Wenn du sie nicht gebraucht hast, ist es auch nicht schlimm. Aber zur Vorsicht hast Du sie wenigstens dabei gehabt. Es ist ja gut, wenn die Verpflegung jetzt noch besser ist, als vorher. Da habt Ihr wenigstens etwas, über das Ihr Euch freuen könnt.
Über das mitgesandte Bild habe ich mich auch sehr gefreut, und mit mir die Kinder. Es steht jetzt auf dem Radio, damit wir es stets sehen. Ich danke Dir dafür.
Gestern Abend hatten wir wieder mal Alarm. Erst wollten wir oben bleiben, als aber die Flieger kamen, sind wir doch alle runter. Von 9 – ½ 11 waren wir unten. Einige Leuchtbomben haben sie geworfen, sonst sind wir verschont geblieben. Heute Morgen war wieder das Rätselraten um den Schulanfang. Schließlich sind doch beide so um 8 Uhr gegangen. Helga hat dann ab 9 Uhr, Jörg ab ¾ 10 Uhr Schule gehabt.
Jörg malt jetzt immer kleine Bilder für sich. Einen „Sonnenuntergang“, einen „Wald“, einen „Wasserfall“ und noch eins ohne Namen hat er bis jetzt fertig. Davon hat er bisher an Kinder 2 Stück verkauft. Eins für 10 Pfg., eins für 5 Pfg. Jörg sagte zu mir: „Siehst Du, so kommt man zu Geld.“ Er ist doch geschäftstüchtig, nicht wahr?
Ein Fräulein, von Fräulein Weber vom Geschäft geschickt, fragte nach Deiner Adresse. Vielleicht bekommst Du wieder eine Kleinigkeit zu Weihnachten.
Der Ottmar von Webers, der nach Russland gekommen ist, hat die Ruhr bekommen, wie Frau Weber sagte. Es ist doch so, wie Du mal schriebst, viele bekommen die ukrainische Krankheit oder sowas. Russland ist eben ein scheußliches Land.
Papa schrieb heute eine Karte, dass sie am Totensonntag nach dem Friedhof gehen würden. Auf Mamas Grab würden sie einen Kranz tun und auf die Gräber von Deiner Mutter und Deinem Bruder je einen Tannenstrauß mit Blumen.
Er schreibt mir das, damit wir sehen, dass unsere Toten auch nicht bergessen werden. Oh, ich vergesse sie auch nicht. Oft muss ich jetzt daran denken, wie wir im vergangenen Jahr noch in Leipzig waren. Die schönen Tage, dann der Abschied auf dem Bahnhof. Ich bin ein paar Mal aus dem Zug gestiegen und habe Mama wieder einen Kuss gegeben und ihr gesagt: „Wir kommen nächstes Jahr wieder.“ Schon eher war ich wieder dort. Und dieses Jahr hat schon eine andere Frau Mamas Platz eingenommen. Aber bei mir nicht, nein!
Du hattest doch geschrieben, was in Berlin auf dem Bahnhof für ein Gedränge war, und auch im Zug. Da habe ich Dir was ausgeschnitten aus dem „Schwarzen Korps“. Das dürfte doch bald stimmen, wie es da gemalt ist. Ein Vergnügen ist so eine Fahrt ja bestimmt nicht, und ich glaube Dir gern, dass Du froh bist, wieder dort zu sein. Da hast Du doch wenigstens festen Boden unter den Füssen und nicht dauernd das Geratter. Was machen eigentlich die Männer, die früher gesagt haben, sie könnten die Bahnfahrt nicht vertragen?
Doch nun Schluss für heute. Ich will nachher gleich noch ein bisschen stricken. Erfriere Dir inzwischen, bis Dich das Päckchen mit den Schützern erreicht, nicht die Ohren und bleib auch sonst ganz gesund, Du mein liebster, bester Ernst. Ich grüße und küsse Dich ganz herzlich, Deine Annie.
Ich schicke Dir noch einen älteren Zeitungsausschnitt mit, der mir immer wieder gefällt. Vielleicht geht Dir´s genauso.

Dienstag, 21. November 2017

Brief 449 vom 21.11.1942


Mein liebster, besterErnst!                                         Konstanz, 21.11.42

Heute sind es gerade zwei Wochen, seit Du von uns fortgefahren bist. Inzwischen habe ich auch den Brief erhalten, dass Du dort gut angekommen bist. Darüber habe ich mich so gefreut.
Von heute will ich Dir noch berichten. Am Morgen habe ich erst mal den Luftpostbrief an Dich fortgebracht.Damit er evtl. noch mit dem Zug 8:40 Uhr fortkäme, bis ich schon ½ 8 fortgefahren und habe Helga gleich mit in die Schule genommen. Ich habe dann gleich noch eingekauft und den Schuhbezugschein geholt. Hinterher bin ich gleich heimgefahren, habe noch die restlichen Schulaufgaben von Jörg nachgesehen, die er gestern nicht mehr machen konnte, weil er im Turnen war. Dann ging Jörg zur Schule und ich habe meine Hausarbeiten gemacht. Am Nachmittag sind wir zusammen in die Stadt gegangen. Wir sind erst beim Steurer vorbei gegangen. Ich hatte mir ein Kästchen gewünscht, in dem man beim Stricken die Wolle hat und nur der Faden durch ein Loch heraus läuft. Leider gab es das nicht mehr. Wir sind dann wegen Schuhen zum Haug gegangen. Der hatte aber keine Auswahl und so sind wir zum Küll gegangen. Da haben wir paar schöne feste Halbschuhe bekommen. Sie kosten 11,80 Mk. Nach dem Schuhkauf sind wir noch durch die Stadt gegangen und haben Verschiedenes angesehen, was mir gefiel. Aber zu kaufen war es leider nicht mehr. Dann gingen wir zu dem Geschäft neben dem Steurer und die Kinder haben mir dort die Tortenschaufel gekauft, die ich Dir mal gezeigt hatte. Sie heben sie nun bis Weihnachten auf und ich freue mich wirklich. ¼ Pfd. Keks haben wir uns auch noch gekauft und sind dann langsam Heim gelaufen. Es war ein ganz schöner Nachmittag.
Von Papa erhielt ich einen Brief. Er hat sich sehr über den Blumengruß zur Hochzeit gefreut. Sie haben sich doch kirchlich trauen lassen in der Lucaskirche. Siegfried ist gegen Abend auch noch zur Feier gekommen.
Die Frau von Papa hat auch unter den Brief geschrieben. Sie schreibt:
„Liebe Frau Marianne!
Ich habe mich sher darüber gefreut, dass Sie an unserem Hochzeitstag unserer gedacht haben und danke Ihnen ebenfalls herzlich. So wollen wir nun hoffen,  dass uns die Zukunft enger zusammen fügt und damit eine treue Freundschaft entsteht. An Achtung und Liebe meinerseits soll es nicht fehlen so wollen wir hoffen, dass wir uns gut verstehen lernen. Auch wünsche ich Ihrem Gatten alles Gute und hoffe, dass er gesund wieder kommt. Ich bitte, auch von mir ihm herzliche Grüße zu bestellen.. Also nochmals herzlichen Dank und seien Sie sowie Ihre beiden Kinder herzlich gegrüßt von Ihrer Lotti.“
VomGeß erhielt ich die Mitteilung, dass das von Dir bestellte Buch erst in einigen Monaten lieferbar sei, da es neu aufgelegt würde. Ob wir noch Wert auf die Lieferung legten. Ich habe ja gesagt, denn vielleicht kannst Du es dann auch noch brauchen.
Helga ist ganz glücklich mit den neuen Schuhen. Sie hat sie gleich heute Abend angezogen und gerade hat sie gesagt, ob sie sie auch anbehalten kann, wenn wir den Brief noch fortbringen. Gerade haben wir Helga noch einen Zahn rausgerissen, der sie schon lange gequält hat. Jetzt atmet sie richtig auf. Sie sitzt jetzt neben mir und lernt fürs Turnen. Die Lieder und die Worte, die sie sagen muss: „So seid von Herzen uns willkommen.“ Also schon eine große Rolle.
Ich will jetzt noch die Steuerkarte für Kurt einpacken und wegschicken. Ich schreibe erst nur mal ein paar Worte dazu, denn zu einem Brief habe ich jetzt nicht gerade die Zeit.
Nun mein lieber Ernst, bleib gesund und sei herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Liebes Vaterle! Ich freue mich, dass Du gesund hingekommen bist. Viele Grüße und Küsse von Deinem Jörg.
Auch von mir viele Grüße und Küsse von Deiner Helga.

Brief 448 vom 20.11.1942


Mein liebster, besterErnst!                                         Konstanz, 20.11.42

Eine ganz große Freude habe ich heute gehabt. Als ich mit den Kindern gegen Abend heim kam, war ein Brief von Dir da. Ich bin ja so froh. Jetzt weiß ich wenigstens, dass Du gesund hingekommen bist. Und so lieb warst Du, dass Du gleich einen Luftpostbrief geschrieben hast. So habe ich Doch nicht so lange warten müssen. Ich danke Dir sehr dafür.
Es ist ja nicht gerade ein schöner Empfang, wenn man sein Zimmer ausgebrannt vorfindet. Ich kann mir ungefähr vorstellen, wie Dir zumute war. Es ist gut, dass wenigstens Deine Sachen gerettet sind. Wie ist eigentlich das Feuer entstanden? Gefreut hat es mich, dass die Kameraden wieder nett zu Dir waren. Dadurch wird Dir doch das Eingewöhnen etwas erleichtert.
Mit Freude habe ich gelesen, dass Dir der Urlaub gefallen hat und dass Du gern bei uns warst. Mir hat es auch so gefallen, nur hatte ich manchmal die Befürchtung, es könnte Dir langweilig gewesen sein, wenn wir am Abend so ruhig zusammengesessen sind. Ich habe mich über mich selbst geärgert, dass ich so gar nichts erzählen konnte, aber siehst Du, ich sitze so Abend für Abend allein hier. Da verlernt man das Unterhalten direkt. Wirklich, mir ist direkt ein Stein vom Herzen gefallen, als ich nun las, dass es Dir hier gefallen hat. Ich habe mir ja Mühe gegeben, Dir alles recht zu machen, damit Du Dich wohl fühlst. Wenn es mir soweit gelungen ist, freue ich mich sehr.
Dass wir noch am letzten Abend Ärger mit Jörg hatten, war ja nicht gerade schön, aber daran wollen wir nicht mehr denken. Er ist eben noch ein Kind, und die sind eben nicht immer brav. Er hat ja seine Strafe bekommen. Er hat auch eingesehen, dass er sie verdient hatte, und nachtragen tut er es bestimmt nicht.
Gern habe ich gelesen, dass Du fühlst, dass Du Dich hier erholt hast. Das ist ja die Hauptsache, dass Du nun Kräfte gesammelt hast, um über den Winter hinweg zu kommen.
Bei Euch ist es also schon ziemlich kalt, ganz so schlimm war es hier noch nicht, und augenblicklich hat die Kälte auch wieder nachgelassen.
Uns geht es genauso, wie Dir. Wir denken oft an den Urlaub zurück. Wie schön war doch auch wieder die Fahrt nach dem Haldenhof. Das war auch ein besonders schöner Tag. Ich möchte Dir für die schönen Tage nochmals ganz fest danken.
Nun will ich Dir vom heutigen Tag erzählen. Am Vormittag habe ich gründlich geputzt und die Fußböden neu gefärbt. Am Nachmittag gingen die Kinder ins Turnen. Ich bin dann später in die Stadt gefahren und habe mich nach Weihnachtsgeschenken umgesehen. Ein Vierecktuch habe ich noch für Helga und für Erna gekauft, dazu noch ein kleines Kästchen für Helga, wo sie ihren Schmuck rein tun soll. Das größere, wo sie ihn bisher drin hatte, soll sie für Taschentücher nehmen, denn die liegen so rum. Es ist ein ganz reizendes Kästchen, rot und blau gekästelt, mit einem Herzchen dran. Ich glaube bestimmt, dass sie sich freut. Spielzeug hat sie ja, und es gibt auch keins zu kaufen. Für Erna habe ich noch einen Glasuntersetzer und ein Holzbrettchen gekauft. Für die Frau von Papa habe ich zwei zarte, bunte Taschentücher gekauft. Eigentlich wollte ich drei Stück haben, aber die bekam ich nicht, und in den anderen Geschäften gab es überhaupt keine. Eigentlich wollte ich für die Frau gar nichts kaufen. Aber das geht doch wohl nicht so gut.
An Erna werde ich morgen ein Päckchen mit Zigaretten schicken. Die soll sie Siegfried zu Weihnachten mit geben, denn ich habe ja keine Zulassungsmarken von ihm.
Übrigens habe ich heute beim Ackermann auch das Buch für Helga bekommen, das ich bestellt habe. Raussuchen kann man sich ja nicht, was man will, sondern man bestellt ein Buch für das entsprechende Alter und bekommt einfach eins. Das Buch für Helga heißt: „Pucki, unser Mütterchen“. Ich lese es in den nächsten Tagen durch.
Nun hätte ich alles soweit da. Ich brauche nun nicht mehr rumzulaufen. Da bin ich sehr froh, denn man findet jetzt so schwer was.
Beim Turnen kann Jörg, wie viele andere, nun doch nicht mit Theater spielen. Es kränkt ihn aber nicht sehr. Die Kinder, die nicht mitspielen, erhalten auf den ersten Reihen Plätze und müssen manche Lieder mitsingen. Ich muss mir, wie Helga und Jörg mir eingeprägt haben, gleich am Montag eine Karte holen, denn am 6.12. spielen sie schon. Denke da an uns. Ich denke, dass Du bis dahin den Brief erhalten hast.
Gleichzeitig mit Deinem Brief erhielt ich heute eine Karte, dass die Schuhe für Helga bewilligt worden sind und dass ich den Bezugsschein abholen soll. Das tue ich gleich morgen.
Lieber Ernst, ich danke Dir nochmals für Deinen lieben Brief, über den ich mich so sehr gefreut habe. Ich grüße und küsse Dich fest und herzlich, Deine Annie.

Brief 447 vom 19.11.1942


Mein liebster Ernst!                                       Konstanz, 19.11.42

Jetzt warte ich schon sehr auf eine Nachricht von Dir. Ich dachte erst, Du hättest vielleicht nochmals von unterwegs geschrieben, aber scheinbar war es doch nicht möglich, denn sonst müsste doch sicher der Brief schon hier sein.
Ich bin nicht ungeduldig, denn Du hast ja schon viel länger warten müssen, aber Sorge mache ich mir, ob Du auch gut dort angekommen bist. Ich werde sehr froh sein, wenn ich darüber durch einen Brief von Dir höre. Wenn mal eine Weile kein Brief kommt, merkt man erst, wie unentbehrlich sie einem geworden sind und wie sie beruhigen. Ich hoffe, dass ich jetzt doch nicht mehr so lange warten muss.
Heute Morgen war ich in der Stadt und habe die Zeitungen für Dich gekauft. Dann habe ich eine Geburtstagskarte an Alice und eine einfach Karte an Papa abgeschickt, damit er sieht, dass sein Paket angekommen ist. Hinterher habe ich für Helga noch eine Regenkappe gekauft, die sie auch beim Baden anziehen kann. Für mich habe ich ein einfaches Tuch gekauft, das ich immer auf dem Kopf tragen kann. Die guten Tücher von Dir sind mir zu schade dafür, denn durch das Knoten leiden sie sehr.
Am Nachmittag waren wir baden. Es war wieder sehr erfrischend. Gegen 4 Uhr waren wir dort. Jörg sagte, ehe er zum Ausziehen ging, es gefiele ihm gar nicht mehr so, seit Du nicht mehr mitgingst. Er wäre so allein. Wir haben uns dann fest gewaschen, und dann ging es ans Schwimmen. Das war wieder schön. Nur Jörg macht keine Fortschritte. Er hat eben nicht die richtige Freude und den Ehrgeiz dazu. Vielleicht kommt das später. Die Haare haben wir uns kurz vor dem Heimgehen auch noch gewaschen. Wir wären noch etwas länger geblieben, aber Jörg fror zu sehr. Da haben wir uns eben fertig gemacht. Um 6 Uhr waren wir daheim. Vorhin haben wir Abendbrot gegessen und nun gehen die Kinder ins Bett. Ich schaffe nachher noch den Brief fort und hinterher will ich noch ein bisschen arbeiten.
Ehe wir zum Baden gingen, trafen wir Frau Nußbaumer. Sie kam gerade vom Begräbnis von dem 18jährigen Sohn der Frau Waldmann. Sie sagte, der Sohn hätte Eiter im Kopf gehabt, daran ist er gestorben. Was es doch für Sachen gibt?
Gestern Abend war Vater da. Er hat angefangen, die Tür zu dem Schränkchen fertig zu machen. Ganz ist es ja noch nicht gelungen, denn das Eisen, mit dem er von dem Holz was abschlagen will, damit er die Eisenbänder einfügt, war ihm nicht scharf genug. Er hat es erst noch zum Schärfen mitgenommen. Aber Aussicht besteht doch, dass die Tür bald fertig wird.
Ich sitze wieder hier in der mollig warmen Küche. Ich denke immer daran, ob bei Euch dort auch richtig geheizt ist, oder ob Du frieren musst. Denn mit der Heizung hatte es bisher doch nicht so geklappt. Hoffentlich hat sich das jetzt gebessert.
Nun will ich wieder schließen. Bleib gesund und sei recht herzlich gegrüßt und geküsst von Deiner Annie.

Brief 446 vom 18.11.1942


Mein liebster Mann!                                      Konstanz, 18.11.42

Heute habe ich tatsächlich fast nichts zu schreiben. Ich bin den ganzen Tag zuhause und mache Weihnachtsmann. Was, kann ich Dir jetzt noch nicht schreiben. Das wirst Du später sehen.
Es schneit heute wieder den ganzen Tag. Liegen bleibt der Schnee noch nicht. Aber die Kinder sind doch draußen, um sich wenigstens anschneien zu lassen. Sie hoffen ja, dass sie bald mal Schlitten fahren können. Helga meinte schon, am liebsten wohnte sie im Schwarzwald, wo es mehr Schnee hat.
Man merkt ja doch, dass Winter ist, dadurch, dass der Himmel so bedeckt ist, wird es jetzt, ¼ 5 Uhr, schon dämmrig.
Von der Frau Waldmann im Gutshof war doch im August der Sohn gefallen, der früher immer Milch ausgegeben hat. Heute steht nun in der Zeitung, dass der andere Sohn nach kurzer Krankheit in der Klinik in Freiburg gestorben ist. Sowas ist doch sehr hart, nicht wahr?
Ich habe Vorgestern Alice ihren Geburtstag vergessen. Wahrscheinlich werde ich morgen nachträglich noch eine Karte schreiben. Du meintest ja, wir wollten uns in den Streit nicht einmischen.
Den Bezugschein für Helgas Schuhe habe ich immer noch nicht bekommen. Resi, die ich vor kurzem traf, sagte mir, dass sie vor zwei Monaten auch einen Antrag eingereicht hat  und noch keine Antwort hat. Da werden wir wohl noch warten müssen. Jetzt könnte man die Schuhe aber bald brauchen.
Nun, lieber Ernst, sei bitte heute mit diesem kurzen Brief zufrieden. Ich weiß nichts mehr zu schreiben. Aber grüßen und küssen tue ich Dich ganz fest und herzlich und denke auch immer an Dich, Deine Annie.

Brief 445 vom 17.11.1942


Mein liebster Ernst!                           Konstanz, 17.11.42

Wie ja auch nicht anders möglich, habe ich heute noch keinen Brief von Dir bekommen. Man weiß, dass die Frist noch zu kurz ist und wartet doch. So muss ich Dir also vom heutigen Tag erzählen. Viel war ja nicht los. Am Vormittag habe ich erst in der Wohnung geschafft, dann bin ich in die Stadt gefahren, um die Steuerkarte für Kurt zu besorgen. Als ich in der Kartenstelle stand, fiel mir absolut der Geburtstag von Kurt nicht ein. Als ich wieder draußen, und ein kleines Stück gefahren war, dachte ich daran, dass ich es doch im Kalender notiert hatte. Also umgekehrt und wieder hin. In 5 Minuten konnte ich die Karte in Empfang nehmen.
Beim Nähen war ich heute noch nicht. Die sollen nicht denken, sie brauchen nur schreiben, da springe ich schon. Vielleicht gehe ich am Donnerstag oder Freitag mal hin.
Am Nachmittag habe ich wieder im Haus geschafft. Die Kinder sind auch die meiste Zeit drin geblieben, denn es war so richtiges Matschwetter. Weißt Du, es hat geschneit, aber nichts ist liegen geblieben. Beim Fahren war es auch scheußlich, wenn einem das nasse Zeug so ins Gesicht flog. Und kalt wurde es einem gleich. Da ist eine schön warme Küche doch vorzuziehen.
Jörg brachte mir heute auch 15g Margarinemarken für die gesammelten Bucheckern. Er war natürlich froh, dass er auch was bringen konnte und nicht nur Helga. Das Geld bekommen sie morgen noch.
Das wär eigentlich schon alles, was von heute zu berichten wäre. Nein, halt, Granatsplitter haben wir noch gebacken. Wie haben Dir die eigentlich geschmeckt, die wir mitgeschickt hatten? Vielleicht bist Du nicht für sowas?
Ich habe mir schon überlegt, was ich für Leipzig zu Weihnachten kaufen soll. An Siegfried schicke ich Zigaretten, an Papa sicher auch. Nun kommt noch Erna. Und Papas Frau? In nächster Zeit gehe ich mal mit den Kindern in die Stadt und sehe zu, ob ich irgendetwas auftreiben kann. Für die Kinder habe ich ja soweit alles beisammen und für Dich habe ich erst nur eine Kleinigkeit. Es ist schwer, wenn du keinen Wunsch hast. Aber vielleicht freust Du Dich auch über eine kleine Sache.
Ich habe einen Wunsch an Dich. Zeichne mir doch bitte mal das Zimmer auf, in dem Du wohnst. Ich wüsste so gern, wo Du schläfst.
Um ½ 5 sind die Kinder doch noch eine Weile raus gegangen. Aber jetzt, ½ 6 Uhr, kommen sie patschnass und frierend heim. Es hatte wieder fest geschneit. Da mussten sie doch noch draußen bleiben. Aber jetzt fühlen sie sich hier wieder wohler. Nur hängt alles voller nasser Sachen. Mit Hunger sind die Kinder auch heim gekommen und ich werde jetzt gleich Abendbrot machen.
Dich, mein liebster Ernst, grüße und küsse ich wieder recht herzlich, Deine Annie.

Brief 444 vom 16.11.1942


Mein liebster Ernst!                           Konstanz, 16.11.42

Wieder hat eine Woche begonnen. Trotzdem es kaum möglich ist, dass schon ein Brief von Dir kommen kann, warte ich doch immer darauf. Ich weiß ja nur, dass Du in Berlin gut angekommen warst. Das Weitere sollen mir ja Deine Briefe berichten. Ich denke immer an Dich, den ganze Tag. Ob Du Dich dort wohl wieder eingewöhnt hast?
Gestern Abend war Vater hier. Er brachte den Brief von Kurt mit. Der schreibt, dass er zum Obergefreiten befördert worden sei. Dadurch bekäme er jetzt Kriegsbesoldung und wir müssten ihm eine Steuerkarte schicken. Es machte im Monat 75.-Mk. aus. Als seine Heimatadresse habe er unsere angegeben und wegen evtl. Auskunft über ihn, hat er mich genannt. Ich war nun heute wegen der Steuerkarte in dem Standort. Die haben sie aber nicht da und ich muss in den Badischen Hof gehen. Es ist aber nur vormittags auf, sodass ich morgen nochmal hin fahren werde.
Von Papa kam heute das Zeitungspaket an. Es lagen 6 neue Kaffeelöffel von Mama bei. Ich habe mich wirklich gefreut. Erwähnen soll ich ja nichts davon in meinem Brief. Die Frau soll nichts davon wissen. Unsere Kinder sitzen heute in jeder freien Minute bei den Zeitungen und sehen sie an. Es sind wieder einige „Koralle“ und „IZ“ dabei, die schicke ich Dir, sobald wir sie ausgelesen haben.
Ich habe heute die Möhren und Roten Rüben in eine Kiste mit Erde eingewintert. Da halten sie sich immer ganz gut. Im Übrigen habe ich heute verschiedene Sachen ausgebessert und gestopft und am Nachmittag war ich in der Stadt einkaufen. Außerdem habe ich noch bunte Wäsche gewaschen. So ist der Tag herum gegangen. Heute Abend haben wir uns Bratäpfel gemacht. Die magst Du doch sicher auch, nicht wahr? Schade, dass ich Dir keine hinschicken kann.
Den Einschreibebrief an Frau Diez und den Brief an Siegfried habe ich heute abgeschickt. Den Durchschlag schicke ich Dir mit.
Vater hat für Dich auf seine Karte 2 Rasierklingen besorgt. Er hat sie sich natürlich nicht bezahlen lassen. Im Ganzen habe ich nun 5 Stück da. Ich schicke sie Dir nicht gleich zusammen. Sie könnten weg kommen. Es wird ja immer wieder mal was gestohlen, trotzdem es doch so harte Strafen gibt. Der Mann, der ja wahrscheinlich unser Päckchen auch gestohlen hat, ist jetzt auch zum Tode verurteilt worden. Es stand in der Samstagszeitung, die ich Dir geschickt habe. Du siehst also, ich schicke Dir jetzt die Zeitung regelmäßig und will es auch gewiss nicht mehr vergessen. Du sollst Dich doch nicht über mich ärgern müssen, Du, mein liebster Schatz. Ich freue mich doch auch, wenn ich Dir einen Wunsch erfüllen kann, und es sind ja nur ganz kleine Wünsche, die ich wirklich erfüllen kann jetzt, wo Du fort bist. Aber sehr lieb behalten kann ich Dich, sehr lieb. Du bist doch mein liebster, bester Mann.
Ich grüße und küsse Dich wieder recht herzlich Deine Annie.

Liebes Vaterle, ich sende dir recht viele Grüße und 1000000000 Küsse von Deinem Jörg.

Liebes Vaterle! Ich habe den Jörg mal zuerst schreiben lassen, weil er so gern mal zuerst schreiben wollte. Liebes Vaterle, bleib ganz gesund. Viele Grüße und 100000000000000 Küsse von Deiner Helga.

Mittwoch, 15. November 2017

Brief 443 vom 15.11.1942


Mein liebster Ernst!                           Konstanz, 15.11.42

Ehe ich noch an Siegfried schreibe, will ich erst an Dich schreiben, damit der Brief noch ½ 5 mit weg kommt. Ich sitze heute schon den ganzen Nachmittag an der Schreibmaschine und habe bis jetzt die Briefe an Papa, Erna und Frau Diez fertig gemacht. Die Kleiderkarte schicke ich per Einschreiben an Frau Diez, denn sie ist immerhin sehr wichtig und nicht zu ersetzen, wenn sie weg käme.
Den Brief von Papa, den ich heute erhielt, sende ich Dir mit. Ich weiß nicht, ob er Dir auch einen Durchschlag geschickt hat. Vor seiner Verheiratung hat er doch noch mal an uns gedacht. Dass die Ehe nicht mehr so wird, wie die mit Mama, hat er scheinbar schon gemerkt. Aber das glaube ich auch gern. Denn eine Mama findet er auch nicht wieder. Hoffen wir, dass es ihm soweit gut geht. Ich wünsche ihm bestimmt nichts Böses.
Gestern Abend ist Vater nicht rauf gekommen. Ich habe deshalb Jörg heute früh zu ihm runter geschickt mit 2 Hemden, 1 Wirsing und Rotkraut und dem Brief von Kurt. Als er wieder kam, sagte er, Kurt habe an Deinen Vater geschrieben, dass er zum Obergefreiten befördert worden sei. Rauf gekommen sei Vater nicht, weil er so sehr an Händen und Füssen gefroren habe. Er kommt aber heute Abend. Er hat Jörg auch gesagt, dass er Scharniere für die Tür des kleinen Schränkchens habe, aus eigenem Vorrat. Er habe in der Stadt nachgesehen. Aber da habe es nur welche aus Holz für 90 Pfg. gegeben. Das sei viel zu teuer. Er selber habe nun welche aus Eisen bei sich gefunden und die hätten früher nur 20 Pfg. gekostet. Das macht ihm nun wieder Freude, dass er die teuren nicht kaufen braucht.
Unseren Sohn habe ich heute Mittag erst wieder richtig versohlt. Er wollte wieder seinen Dickkopf durchsetzen und als es nicht ging, meinte er, er würde auch nicht wieder zum Großvater runter gehen. Da hatte es aber geschnappt. Heute Nachmittag ist er nun wieder der beste Kerl und folgt prima. Da es ziemlich kalt draußen ist, sind Helga und Jörg heute auch drin geblieben und spielen. Helga mit ihren Puppen. Dazu haben wir das Kindertischchen aus dem Kinderzimmer geholt. Da sitzen nun alle Puppen und trinken Kaffee. Jörg hat die Zinkwaschwanne oben und lässt seine Schiffle fahren. Er war ganz glücklich, als ich es ihm erlaubte. So ist es ihnen wenigstens nicht langweilig.
Wir haben jetzt immer so dunstiges Wetter. Es klärt sich gar nicht mehr auf. Immer ist der Himmel bedeckt. Nur nachts kommen manchmal die Sterne durch. Und kalt ist es auch. Wenn auch nicht übermäßig, so friert man doch an Händen und Füssen. Es ist ja auch Mitte November und gar nicht anders zu erwarten. Bei Euch wird es wahrscheinlich noch kälter sein. Viel Licht braucht man jetzt wieder, denn gegen 5 Uhr ist es schon dunkel im Zimmer.
Wenn ich nachher noch an Siegfried geschrieben habe, so werde ich noch stopfen und Radio hören. So geht der Sonntag auch vorbei. Es ist nun schon der zweite, an dem Du nicht mehr bei uns bist. Wenn ich nur erst die Nachricht von Dir habe, das Du gut angekommen bist.
Vielleicht hast Du mir auch einen Luftpostbrief geschrieben. Da würde ich ja bald Nachricht bekommen. Gell, ich bin schon wieder ungeduldig, und Du bist schon manchmal mehrere Wochen ohne Nachricht geblieben.
Nun will ich wieder schließen. Bleib gesund, Du mein liebster, bester Ernst und sei recht fest gegrüßt und geküsst von deiner Annie.