Mein
lieber Ernst! Konstanz, 1.11.41
Spät
ist es heute geworden, ehe ich zum schreiben gekommen bin, bereits 9 Uhr. Aber
ich will doch schreiben, Du sollst doch auch heute einen Brief bekommen. Am
Vormittag habe ich im Garten umgegraben. Nach dem Mittagessen bin ich wieder
rübergerückt und habe weiter gemacht. Da bin ich bis 1/2 7 Uhr geblieben und
habe den ganzen Garten fertig umgegraben, die Sträucher zusammengebunden und
das Brombeergeranke verbrannt. Bis auf das Kalken der Sträucher bin ich nun im
großen Garten fertig. Am Montag habe ich Wäsche und in den darauffolgenden
Tagen will ich den Garten hinterm Haus fertig machen. Vorausgesetzt, daß das
Wetter es zuläßt.
Nach
dem Abendessen habe ich noch gebacken. Der Kuchen ist noch im Ofen, Apfelkuchen.
Heute
kam Dein lieber Brief vom 28.10. Ich danke Dir sehr dafür.
Die
Verhältnisse in Lille haben sich aber sehr verändert. So üppig geht es da also
auch nicht mehr zu. Einesteils kann es den Leuten ja auch mal nichts schaden,
das kennen zu lernen.
Gib
mir Obacht, daß Du Dich nicht erkältest. Man holt sich so schnell was,
besonders, wenn es so sehr windig ist. Es ist ja nicht angenehm, so unter
fremden Leuten krank zu sein.
Auf
das Päckchen 13 freue ich mich. Hoffentlich kommt es gut an. Da hast Du Dir
aber wieder Mühe gegeben, um etwas zu bekommen. Ich möchte Dir schon im Voraus
dafür danken. Ich bitte Dich aber, spare Dir selber nichts ab. Du weißt ja, wir
verhungern nicht.
Nun
wegen den Mantelmaßen. Ich habe es bei mir selber abgemessen und es kann sein,
daß es bei der Schulterbreite um 1 cm differiert, aber das ist ja nicht so
schlimm. Also Schulterbreite: 40 - 42 (an anderen Mänteln ist sie 41 oder 42. Ärmellänge
über Ellbogen: 61 -62. Armlänge unterm Arm: 47 -48. Brustumfang: 100cm. Länge des
Mantels: ca. 116 -117 cm.
Das
sind die ungefähren Maße.
Heute
Vormittag bekam ich von Papa ein Zeitungspaket und von Erna einen Brief. Ich
werde Beiden bald wieder antworten. Siegfried ist wieder fort und Erna hat ihm
Deinen Brief nachgeschickt, über den sie sich sehr gefreut hat. Papa will Dir
auch bald schreiben. Er ist nur abends immer so abgespannt. Es fällt ihm doch ziemlich
schwer, sich an die neue Stelle zu gewöhnen, vor allen Dingen, da ja jetzt Mama
nicht mehr daheim ist, wenn er abends abgespannt nach hause kommt.
Ich
habe heute für uns und Vater je 1 Korb Äpfel gekauft. Es sind je 50 - 55 Pfund.
Die sind noch zum Aufheben. Da haben wir wenigstens zu und nach Weihnachten ein
paar zum essen.
Es
ist nun bereits nach 10 Uhr und ich will den Brief noch wegbringen. Sei Du,
Mein lieber Ernst, wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein
lieber Mann! Konstanz, 2.11.41
Nun
ist es wieder Sonntag. Wir bleiben zu hause. Es ist sowieso kalt und
unfreundlich draußen. Außerdem haben wir vorhin gebadet. Am Nachmittag will ich
noch ein bißchen stricken und lesen. Das ist auch ein Ausruhen.
Am
Mittag hat es nun die gewünschten Spätzle gegeben. Es ist nicht eins übrig
geblieben. Sie haben also geschmeckt.
Heute
Morgen erhielt ich die Zeitungen von Dir, die Du am 30.10. weggeschickt hast.
Vielen Dank dafür. Jetzt habe ich ja viel zu lesen, nachdem die Zeitungen von
Papa gestern auch noch kamen. Aber bitte, lieber Ernst, stelle Deine Zeitungssendungen
nicht ein, ich freue mich immer schon so drauf.
Die
Kinder haben gerade das Funkmärchen Rumpelstilzchen angehört. Da sitzen sie
ganz mäuschenstill und ihre Puppenkinder müssen natürlich auch mit dabei sein.
Ich
bin gespannt, ob die Kinder morgen wieder Schule haben. Es wird ja morgen in
der Zeitung stehen. Jörg hat noch Mal seine ganzen Schulaufgaben ausgewischt
und neu geschrieben, damit er nicht ganz aus der Übung kommt. Er freut sich,
wenn er wieder in die Schule kann. Er möchte doch bald lesen können und so
kommt er gar nicht vorwärts. Helga und Jörg rechnen sich schon immer aus, wie
lange es noch bis Weihnachten dauert. Ich habe es noch gar nicht so eilig, es
gibt doch vorher noch manches zu erledigen. Vor allem auch das Backen. Denn
darauf möchte man doch nicht gern verzichten.
Winter
wird es ja dieses Jahr schon ziemlich zeitig. Seit einer Weile schneit es jetzt
ziemlich. Ich glaube aber kaum, daß er schon liegenbleibt. Da können einen die
Soldaten im Osten leid tun, die in viel größerer Kälte kämpfen und marschieren
müssen.
Nun
laß mich wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner
Annie.
Mein
lieber Ernst! Konstanz, 3.11.41
Heute
war ein ganz reicher Tag für mich. Denke Dir, ich habe Dein Päckchen Nr. 13 und
3 Briefe erhalten. Das ist doch wirklich viel, nicht wahr? Ich habe mich ganz
riesig darüber gefreut und danke Dir recht sehr dafür.
Das
Päckchen ist gut angekommen. Den Käse haben wir schon heute Abend probiert. Er
schmeckt gut. Das andere werde ich mir für die Weihnachtsbäckerei aufheben. Ich
werde die Butter solange auslassen, damit sie sich hält. Habe also für alles
vielen Dank. Von den Filmen werde ich in nächster Zeit einmal einen einlegen
und ein paar Aufnahmen machen.
Es
ist wirklich wahr, der Winter hält jetzt schon seinen Einzug. Gestern hat es
geschneit und heute Morgen lagen 15 - 20 cm Schnee. Die Kinder waren ja ganz
zufrieden. Am Tag hat es aber wieder getaut und es war ein schrecklicher
Matsch. Im Garten liegt ja noch Schnee.
Da
es früh immer noch lange dunkel ist, haben wir es bisher immer so gemacht, daß
wir bis ca. 1/2 8 geschlafen haben, damit wir kein Licht brauchten. Nun hat das ja ein Ende, nachdem die Kinder ab heute
wieder in die Schule gehen.
Da
hast Du schon recht, wenn Du schreibst, was nützt einem die Zeitung, wenn nicht
viel drin steht. Es ist aber jetzt so, daß man die Zeitung schon wegen den Amtlichen
Bekanntmachungen lesen muß, denn man will doch wissen, wenn wieder eine
Eierzuteilung, Lebensmittelkartenausgabe usw. ist. Ich habe ja jetzt durch die
Zeitungen, die Du schickst, eine Ergänzung. Was mich auch immer interessiert,
sind die Zwischenrufe, die immer auf der letzten oder vorletzten Seite stehen.
Die Geschichten gefallen mir natürlich auch. Es ist überhaupt viel Interessantes
drin.
Ich
freue mich, daß Ihr nun doch Kohlen bekommt. Man braucht ja nicht verschwenden,
aber so viel, wie man braucht, damit es eine warme Stube gibt, sollte man doch
haben. Ich bin noch Mal so gern in der warmen Küche, wenn ich weiß, Du brauchst
auch nicht zu frieren.
Ich
habe heute schon den Gehalt abgehoben, da ich ja Geld für die Äpfel brauchte,
die ich gekauft hatte. Ich hatte es einstweilen von meinem Wirtschaftsgeld
genommen. Nun habe ich Dir heute gleich 40.- überwiesen. Du schreibst ja in
Deinem Brief, daß Dir das reichen würde.
Ich
freue mich sehr, daß Du Filzschuhe für mich besorgt hast. Da brauche ich doch
schon keine beantragen. Für die Kinder wollte ich heute noch welche beantragen,
aber da waren so viel Leute auf dem Wirtschaftsamt, daß ich es vorgezogen habe,
lieber später wieder zu gehen. So ganz eilig ist es ja nicht. Also vielen Dank,
lieber Ernst, daß Du so lieb an mich gedacht hast.
„Der
Weg ins Freie“ wollte ich mir auch ansehen, als es hier lief, aber ich komme ja
kaum fort. Jetzt läuft hier der Film „Annelie“. Der soll doch auch so gut sein.
Vielleicht kann ich es doch möglich machen, daß ich einmal hingehe.
Den
Standort von Kurt suche ich mir einmal heraus. Heute bin ich nicht dazu gekommen,
da ich große Wäsche hatte. Da ist immer der Tag vorbei.
Nachdem
jetzt das Wetter so schlecht und vor allen Dingen kalt geworden ist, bin ich
wirklich froh, daß ich die Brombeeren schon verschnitten habe. Jetzt müßte ich
dabei ziemlich frieren.
Vater
erzählte gestern, daß der Maier bei der Versammlung der Ortsgruppe, bei der er
doch sonst immer dabei ist, einen Brief geschrieben hat, er möchte ihn
entschuldigen, er hätte das Versprechen geben müssen, sich vorläufig an nichts
zu beteiligen. Er wüßte genau, was jetzt alles über ihn geredet würde, vor
allen Dingen auch von alten Parteigenossen. Er würde sich die aber merken, wenn
er erst wieder tun könnte, was er wollte. Der tut wirklich als hätte er von
nichts eine Ahnung gehabt, aber das kann er doch niemand einreden. Aber paß
auf, der redet sich wieder raus. Na, wir werden ja sehen.
Ich
will sehen, daß ich nachher noch an Papa und Erna schreibe. Es ist zwar schon
3/4 0, aber ich möchte es Papa`s wegen nicht so weit hinausschieben.
Sei
nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt, Du mein ganz lieber
Mann, von Deiner Anni.
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