Mittwoch, 2. November 2016

Brief 232 vom 1./2./3.11.1941


Mein lieber Ernst!                                                                              Konstanz, 1.11.41                                           

Spät ist es heute geworden, ehe ich zum schreiben gekommen bin, bereits 9 Uhr. Aber ich will doch schreiben, Du sollst doch auch heute einen Brief bekommen. Am Vormittag habe ich im Garten umgegraben. Nach dem Mittagessen bin ich wieder rübergerückt und habe weiter gemacht. Da bin ich bis 1/2 7 Uhr geblieben und habe den ganzen Garten fertig umgegraben, die Sträucher zusammengebunden und das Brombeergeranke verbrannt. Bis auf das Kalken der Sträucher bin ich nun im großen Garten fertig. Am Montag habe ich Wäsche und in den darauffolgenden Tagen will ich den Garten hinterm Haus fertig machen. Vorausgesetzt, daß das Wetter es zuläßt.
Nach dem Abendessen habe ich noch gebacken. Der Kuchen ist noch im Ofen, Apfelkuchen.
Heute kam Dein lieber Brief vom 28.10. Ich danke Dir sehr dafür.
Die Verhältnisse in Lille haben sich aber sehr verändert. So üppig geht es da also auch nicht mehr zu. Einesteils kann es den Leuten ja auch mal nichts schaden, das kennen zu lernen.
Gib mir Obacht, daß Du Dich nicht erkältest. Man holt sich so schnell was, besonders, wenn es so sehr windig ist. Es ist ja nicht angenehm, so unter fremden Leuten krank zu sein.
Auf das Päckchen 13 freue ich mich. Hoffentlich kommt es gut an. Da hast Du Dir aber wieder Mühe gegeben, um etwas zu bekommen. Ich möchte Dir schon im Voraus dafür danken. Ich bitte Dich aber, spare Dir selber nichts ab. Du weißt ja, wir verhungern nicht.
Nun wegen den Mantelmaßen. Ich habe es bei mir selber abgemessen und es kann sein, daß es bei der Schulterbreite um 1 cm differiert, aber das ist ja nicht so schlimm. Also Schulterbreite: 40 - 42 (an anderen Mänteln ist sie 41 oder 42. Ärmellänge über Ellbogen: 61 -62. Armlänge unterm Arm: 47 -48. Brustumfang: 100cm. Länge des Mantels: ca. 116 -117 cm.
Das sind die ungefähren Maße.
Heute Vormittag bekam ich von Papa ein Zeitungspaket und von Erna einen Brief. Ich werde Beiden bald wieder antworten. Siegfried ist wieder fort und Erna hat ihm Deinen Brief nachgeschickt, über den sie sich sehr gefreut hat. Papa will Dir auch bald schreiben. Er ist nur abends immer so abgespannt. Es fällt ihm doch ziemlich schwer, sich an die neue Stelle zu gewöhnen, vor allen Dingen, da ja jetzt Mama nicht mehr daheim ist, wenn er abends abgespannt nach hause kommt.
Ich habe heute für uns und Vater je 1 Korb Äpfel gekauft. Es sind je 50 - 55 Pfund. Die sind noch zum Aufheben. Da haben wir wenigstens zu und nach Weihnachten ein paar zum essen.
Es ist nun bereits nach 10 Uhr und ich will den Brief noch wegbringen. Sei Du, Mein lieber Ernst, wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Mann!                                                                                       Konstanz, 2.11.41

Nun ist es wieder Sonntag. Wir bleiben zu hause. Es ist sowieso kalt und unfreundlich draußen. Außerdem haben wir vorhin gebadet. Am Nachmittag will ich noch ein bißchen stricken und lesen. Das ist auch ein Ausruhen.
Am Mittag hat es nun die gewünschten Spätzle gegeben. Es ist nicht eins übrig geblieben. Sie haben also geschmeckt.
Heute Morgen erhielt ich die Zeitungen von Dir, die Du am 30.10. weggeschickt hast. Vielen Dank dafür. Jetzt habe ich ja viel zu lesen, nachdem die Zeitungen von Papa gestern auch noch kamen. Aber bitte, lieber Ernst, stelle Deine Zeitungssendungen nicht ein, ich freue mich immer schon so drauf.
Die Kinder haben gerade das Funkmärchen Rumpelstilzchen angehört. Da sitzen sie ganz mäuschenstill und ihre Puppenkinder müssen natürlich auch mit dabei sein.
Ich bin gespannt, ob die Kinder morgen wieder Schule haben. Es wird ja morgen in der Zeitung stehen. Jörg hat noch Mal seine ganzen Schulaufgaben ausgewischt und neu geschrieben, damit er nicht ganz aus der Übung kommt. Er freut sich, wenn er wieder in die Schule kann. Er möchte doch bald lesen können und so kommt er gar nicht vorwärts. Helga und Jörg rechnen sich schon immer aus, wie lange es noch bis Weihnachten dauert. Ich habe es noch gar nicht so eilig, es gibt doch vorher noch manches zu erledigen. Vor allem auch das Backen. Denn darauf möchte man doch nicht gern verzichten.
Winter wird es ja dieses Jahr schon ziemlich zeitig. Seit einer Weile schneit es jetzt ziemlich. Ich glaube aber kaum, daß er schon liegenbleibt. Da können einen die Soldaten im Osten leid tun, die in viel größerer Kälte kämpfen und marschieren müssen.
Nun laß mich wieder schließen. Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein lieber Ernst!  Konstanz,                                                                        3.11.41

Heute war ein ganz reicher Tag für mich. Denke Dir, ich habe Dein Päckchen Nr. 13 und 3 Briefe erhalten. Das ist doch wirklich viel, nicht wahr? Ich habe mich ganz riesig darüber gefreut und danke Dir recht sehr dafür.
Das Päckchen ist gut angekommen. Den Käse haben wir schon heute Abend probiert. Er schmeckt gut. Das andere werde ich mir für die Weihnachtsbäckerei aufheben. Ich werde die Butter solange auslassen, damit sie sich hält. Habe also für alles vielen Dank. Von den Filmen werde ich in nächster Zeit einmal einen einlegen und ein paar Aufnahmen machen.
Es ist wirklich wahr, der Winter hält jetzt schon seinen Einzug. Gestern hat es geschneit und heute Morgen lagen 15 - 20 cm Schnee. Die Kinder waren ja ganz zufrieden. Am Tag hat es aber wieder getaut und es war ein schrecklicher Matsch. Im Garten liegt ja noch Schnee.
Da es früh immer noch lange dunkel ist, haben wir es bisher immer so gemacht, daß wir bis ca. 1/2 8 geschlafen haben, damit wir kein Licht brauchten. Nun  hat das ja ein Ende, nachdem die Kinder ab heute wieder in die Schule gehen.
Da hast Du schon recht, wenn Du schreibst, was nützt einem die Zeitung, wenn nicht viel drin steht. Es ist aber jetzt so, daß man die Zeitung schon wegen den Amtlichen Bekanntmachungen lesen muß, denn man will doch wissen, wenn wieder eine Eierzuteilung, Lebensmittelkartenausgabe usw. ist. Ich habe ja jetzt durch die Zeitungen, die Du schickst, eine Ergänzung. Was mich auch immer interessiert, sind die Zwischenrufe, die immer auf der letzten oder vorletzten Seite stehen. Die Geschichten gefallen mir natürlich auch. Es ist überhaupt viel Interessantes drin.
Ich freue mich, daß Ihr nun doch Kohlen bekommt. Man braucht ja nicht verschwenden, aber so viel, wie man braucht, damit es eine warme Stube gibt, sollte man doch haben. Ich bin noch Mal so gern in der warmen Küche, wenn ich weiß, Du brauchst auch nicht zu frieren.
Ich habe heute schon den Gehalt abgehoben, da ich ja Geld für die Äpfel brauchte, die ich gekauft hatte. Ich hatte es einstweilen von meinem Wirtschaftsgeld genommen. Nun habe ich Dir heute gleich 40.- überwiesen. Du schreibst ja in Deinem Brief, daß Dir das reichen würde.
Ich freue mich sehr, daß Du Filzschuhe für mich besorgt hast. Da brauche ich doch schon keine beantragen. Für die Kinder wollte ich heute noch welche beantragen, aber da waren so viel Leute auf dem Wirtschaftsamt, daß ich es vorgezogen habe, lieber später wieder zu gehen. So ganz eilig ist es ja nicht. Also vielen Dank, lieber Ernst, daß Du so lieb an mich gedacht hast.
„Der Weg ins Freie“ wollte ich mir auch ansehen, als es hier lief, aber ich komme ja kaum fort. Jetzt läuft hier der Film „Annelie“. Der soll doch auch so gut sein. Vielleicht kann ich es doch möglich machen, daß ich einmal hingehe.
Den Standort von Kurt suche ich mir einmal heraus. Heute bin ich nicht dazu gekommen, da ich große Wäsche hatte. Da ist immer der Tag vorbei.
Nachdem jetzt das Wetter so schlecht und vor allen Dingen kalt geworden ist, bin ich wirklich froh, daß ich die Brombeeren schon verschnitten habe. Jetzt müßte ich dabei ziemlich frieren.
Vater erzählte gestern, daß der Maier bei der Versammlung der Ortsgruppe, bei der er doch sonst immer dabei ist, einen Brief geschrieben hat, er möchte ihn entschuldigen, er hätte das Versprechen geben müssen, sich vorläufig an nichts zu beteiligen. Er wüßte genau, was jetzt alles über ihn geredet würde, vor allen Dingen auch von alten Parteigenossen. Er würde sich die aber merken, wenn er erst wieder tun könnte, was er wollte. Der tut wirklich als hätte er von nichts eine Ahnung gehabt, aber das kann er doch niemand einreden. Aber paß auf, der redet sich wieder raus. Na, wir werden ja sehen.
Ich will sehen, daß ich nachher noch an Papa und Erna schreibe. Es ist zwar schon 3/4 0, aber ich möchte es Papa`s wegen nicht so weit hinausschieben.
Sei nun für heute wieder recht herzlich gegrüßt und geküßt, Du mein ganz lieber Mann, von Deiner Anni.

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