Mein
liebster Ernst! Konstanz, 20.9.41
Heute
bekam ich Deinen lieben Brief vom 17.9. Außerdem kamen die beiden Päckchen 28
und 29 mit Leder an. Ich danke Dir recht herzlich für alles. Da habe ich ja
wieder einen guten Vorrat da. - Wie Du siehst, erfülle ich Dir gern Deinen
Wunsch, deutsche Langschrift zu schreiben. Ich bring es auch viel leichter
fertig, da ich eben bisher immer so geschrieben habe. - Wie denkst Du, soll ich
zuerst wieder an Elsa schreiben oder soll ich es hängen lassen? Wie ich ja
schon schrieb, viel weiß ich immer nicht zu schreiben, denn wir sind uns doch
ganz fremd. - Es tut mir sehr leid, daß ich Dir mit meiner Herzgeschichte so
einen Schrecken eingejagt habe. Ich wollte ja eigentlich auch nichts schreiben,
aber ich wußte nicht, ob Du dann später nicht doch geschimpft hättest. Ich
weiß, daß Du Dich auch auf den Urlaub gefreut hast und daß Du mir durch die
Mitteilung, daß Du bald auf Urlaub kommen könntest, eine Freude hast machen
wollen. Da mußt Du Dir jetzt gar keine Vorwürfe machen. - Bei dem Mantel für
mich ist mir die lose Form und jede Farbe, außer gelb, recht. Eine etwas
gedeckte Farbe ist am schönsten, aber für etwas Grelles bist Du ja selber
nicht. - Bei den Kartoffeln ist es jetzt so, daß überall Bestellungen angenommen
werden. Ich denke, daß ich sie von W. schon bekommen werde. Ich bin ja nicht
die einzige, die bei ihnen bestellt hat. Im Übrigen sind die Kartoffeln seit
einer Woche nicht mehr so knapp. Die Bestimmung, daß vom Erzeuger nicht direkt
an den Verbraucher verkauft werden darf, ist auch aufgehoben worden. - Durch
Deine Käsesendung habe ich heute schon 1/2 Pfund Butter auslassen können, denn
der Käse ist so gut, daß man keine Butter drunter braucht. - Als wir in Leipzig
waren, hatte ich meiner Mutter gesagt, ich würde ihr, wenn ich etwas übrig
behalte, die Reisebuttermarken zusenden. Ich habe nun immer noch 1/4 Pfund da,
die ich bisher nie gebraucht habe, da ich ja durch die Kinderkarten immer etwas
mehr Butter habe. Du wirst doch nichts dagegen haben, wenn ich meiner Mutter
die Marken schicke. Vater hatte ich von den Reisekäsemarken etwas gegeben, da
ihm so ja auch nur 1/8 in der Woche
zusteht. Nachdem er krank war, konnte er etwas mehr auch vertragen. Weißt Du, ich
bringe das nicht fertig, wenn ich reichlich habe und ich sehe, Vater hat
nichts, daß ich alles für mich behalte. Er gibt mir ja auch mal Margarine und
ich gebe ihm meine übrigen Fleischkarten. So helfen wir uns gegenseitig etwas
aus. - Ich muß nun in die Stadt und schließe deshalb für heute. Sei Du, Mein lieber
Ernst, recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
Mein
liebster Ernst! Konstanz.
21.9.41
Es
ist jetzt abends 3/4 7 Uhr und ich schreibe Dir, nachdem wir von unserem
Spaziergang heimgekommen sind und Abendbrot gegessen haben. Wir sind fast
denselben Weg gegangen wie am vergangenen Sonntag, nur sind wir zuletzt noch
hinter den Schießständen durch den Wald gegangen. Bei den Siedlungen am
Königsbau sind wir dann aus dem Wald gekommen, sind noch zum Bismarcksturm rauf
und hinterher heim. Um 2 sind wir fortgegangen und waren 1/4 6 wieder hier.
Weißt Du, wir mußten heute unbedingt in den Wald gehen, weil Jörg Stecken für
eine Brücke zu seinen Schützengraben brauchte. Hier könnte er nicht die
richtigen finden, meinte er, sonder nur im Wald. Vorhin ist er nun gleich mit
Hammer und Nägeln losgegangen, aber es hat noch nicht ganz geklappt. ich muß
noch ein wenig mithelfen. Er nahm natürlich heute s e i n Taschenmesser mit, das er am vergangenen
Sonntag gefunden hat. Ich habe es gut gereinigt. An einer Seite ist ja die
Verschalung ab, aber das ist ja nicht so wichtig. Es ist doch wenigstens seins.
Er hatte mich in der vergangenen Woche gebeten, ob er es mit raus nehmen kann.
Ich hatte zugesagt unter der Bedingung, daß er`s geschlossen in der Tasche
läßt. Draußen hat ihn aber der Stolz nicht ruhen lassen, er mußte es doch
zeigen und dabei hat er sich dann noch in den Schenkel gestochen, zwar nicht
viel, aber er ist mir doch noch zu unbedacht. Er darf es nun nicht mehr
mitnehmen. Heute hat man aber direkt gesehen, mit welchem Stolz er sein Messer
asus der Hosentasche geholt und die Stecken abgeschnitten hat. - Spitzwegerich
haben wir heute auch wieder mit heim gebracht. - Gestern hat Vater nun bei
Strohmeier aufgehört. Er weiß aber immer noch nicht, wo er jetzt anfangen soll.
Morgen ist das Arbeitsamt geschlossen, weil die Abt. Berufsberatung nach der
früheren Bodenseezeitung umzieht. Da geht Vater nun am Dienstag hin und will
dann gleich einmal rauf kommen, wenn er Bescheid hat. Heute hatten wir wieder
einen schönen Tag. In der Sonne könne man gut ohne Jacke gehen. Die Aussicht
auf dem Tabor war aber nicht so gut wie am vergangenen Sonntag, es war etwas
diesig. - Wenn wir so unterwegs sind, reden wir immer von Dir, wo wir immer mit
Dir gelaufen sind. Die Kinder sagten auch, es wäre so schön, wenn Du da wärst,
Du könntest alles so schön erklären. Hoffentlich hast Du auch noch ein paar
schöne Sonntage, wenn Du doch noch Urlaub bekommen solltest. Wir wünschen es ja
so sehr. - Du mein lieber, lieber Kerl, sei für heute wieder recht herzlich
gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.
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