Mein lieber Ernst! Konstanz, 15.5.41
Einen Brief habe ich heute wieder nicht
bekommen. Damit läßt mich die Post scheinbar im Stich. Aber Dein liebes
Päckchen ist angekommen. Ich danke Dir dafür recht sehr. Aufgemacht habe ich es
noch nicht, damit warte ich bis Sonntag, denn für den Muttertag ist es ja
bestimmt, aber ich freue mich, daß es rechtzeitig angekommen ist.
Wir waren gestern in der Stadt. Wir haben
Verschiedenes besorgt und sind dann auch zum Tengelmann. Erst habe ich eingekauft
und dann habe ich aus dem Geschäft gehen müssen, damit die Kinder einkaufen
konnten. Ich darf natürlich nicht wissen, was sie gekauft haben. Dann habe ich
mir noch etwas wünschen können und sie haben mir einen Briefhalter gekauft. Da
kommen dann Deine Briefe hinein, damit sie nicht so auf dem Radio herumliegen.
Du wirst schon wissen, was ich meine, wie der Briefhalter aussieht. Es ist
einer mit 2 Fächern. Zu hause sind sie noch einmal zu Webers gegangen und haben
noch etwas gekauft. Alles zusammen haben sie in ihrem Schrank versteckt und ich
darf ja nicht gucken. Helga und Jörg sind schon ganz aufgeregt und können es
kaum abwarten, bis Sonntag ist.
Am Abend kam Vater herauf. Er hat gelesen
und ist bis 1/2 11 Uhr dagewesen. Seinen Kopf habe ich noch einmal nachgesehen.
Es ist ein Furunkel, aber da es noch klein ist, habe ich gestern schon allen
Eiter herausbekommen. Nun kann es wieder verheilen. Vater hat mir gestern für
die Wäsche 1,20 gegeben. Die habe ich gleich in den neuen Geldbeutel von Dir
getan. Das ist meine Nebensparkasse. Was ich darin spare, ist für Deinen
nächsten Urlaub bestimmt.
Heute Morgen habe ich mir Jörg im Garten
geschafft. Dieses Mal haben wir die Wege von Unkraut befreit. Da ist es uns
schon früh ziemlich heißt geworden. Um 9 Uhr bin ich mit Jörg in die Stadt
gefahren. Ich habe den alten Schulranzen mitgenommen zum Herrichten.
Aufzulackieren geht es nicht mehr, aber die Riemen werden in Ordnung gebracht.
Ich werde den Ranzen, wie mir auch geraten worden ist, öfter mit Schuhcreme
einreiben. In 14 Tagen kann ich ihn wieder holen. Wie ich Dir schon schrieb,
hat der Feldhüter bei Deinem Vater gefragt, warum der Garten nicht in Ordnung
gebracht wird. Dein Vater selbst war ja nicht zuhause. Er hat nun vom
Vermessungsamt einen Zettel bekommen, daß er am Dienstagvormittag hinkommen
soll. Er hat den Zettel aber erst gestern aus dem Kasten genommen und ich
besorge nun die Sache. Heute früh bin ich mit vorbei gegangen, aber er hat erst
morgen Vormittag wieder Sprechstunde.
Da muß ich eben morgen früh noch einmal hinfahren. Wenn sie viel Theater
machen, will Vater den Garten aufgeben, sonst behält er ihn aber.
Inspirol-Tabletten habe ich Dir heute früh
auch besorgt. 3 Päckchen habe ich bekommen, natürlich nicht in einem Geschäft.
Ich schicke sie Dir mit. Wenn Du wieder welche brauchst, mußt Du eben
schreiben.
Als wir heimkamen, war Helga schon da. Sie
wollte dann gleich Schularbeiten machen und mußte feststellen, daß sie ihr
Lesebuch in der Schule vergessen hat. Ich bin dann gleich noch einmal mit ihr
hingefahren. Während ich auf Helga wartete, hätte ich gleich eine
Soldatenbekanntschaft machen können. Als ich mit Helga heimfuhr, habe ich sie
gefragt. was sie gesagt hätte, wenn ich mit dem Soldaten einmal fortgegangen
wäre. Da hättest Du sie aber sehen müssen. Ich habe direkt lachen müssen. „Da
hätte ich es Dir aber gesagt“ meinte sie „daß Du Vaterle nicht sitzenlassen
darfst. Und dem Vaterle hätte ich es auch geschrieben.“ Nach einer Weile meinte
sie „der Soldat hätte sich sicher gefreut, wenn Du mit ihm fortgegangen wärst.
Aber so was machst Du ja nicht.“ Sie traut es mir also auch nicht zu und hat ja
damit recht.
Übrigens habe ich mich heute auch für die
Kennkarte fotografieren lassen. Es stand wieder in der Zeitung, daß jetzt jeder
unbedingt eine Kennkarte haben muß. Es werden in Zukunft Prüfungen auf der
Straße vorgenommen. In der Zeitung stand, daß die Kennkarte 1,- kostet. Ich
lasse mir nun einen machen. Ich habe ja sonst keinen Lichtbildausweis. Gestern
habe ich den Brief mit den Fotografien an Mama weggeschickt. Auch Dir schicke
ich heute noch ein Bild mit. Dieses Mal sind die Haare besser auf dem Bild
drauf wie vorher. Das Gesicht wirkt gleich nicht mehr so verzerrt. Von allen
Bildern habe ich noch je 2 Abzüge für das Album der Kinder machen lassen. Soll
ich noch ein paar Abzüge für Nannie und Kurt machen lassen? Meinst du, die
würden sich freuen?- Herr Kuster sagte mir gestern, daß es wieder einen neuen
Satz Briefmarken gibt. 1 Satz Briefmarken zu 2,50. Ich habe den Satz 2 x bestellt. In der Zeitung hat nichts
davon gestanden. Es gibt scheinbar davon nicht so viel. Ich hole sie morgen bei
Herrn Kuster ab.
Es scheint, als ob das schöne Wetter zu Ende
gehen will. Es hat sich bezogen und ist ganz schwül. Ein Regen wäre ja nicht
von Schaden, nur lange anhalten soll es nicht. Meine zweiten Erbsen kommen auch schon heraus. Auch die Sämlinge
von Wirsing und Kohlrabi kommen ganz gut, bei Weiß- und Rotkohl ist noch nicht
viel zu sehen. Vielleicht kommt es auch noch. Wir müssen jetzt unbedingt noch
einmal nach Erbsenreisig gehen. Sonst kommen die Erbsen und wir haben keins.
Gestern war Herr Ganal da und hat jedem
einen Zettel für 2 Eimer Sand gegeben, den wir uns noch beim Schlachthaus holen
müssen. Ich hole ihn, wenn wir beim Lumpenhändler waren und unser Papier
fortgeschafft haben. Das ist ein Weg.
Jetzt muß der Sand in Tüten gefüllt werden damit man damit auf den Brand
schmeißen kann. Das gibt ja ein schönes Theater. Wo man das bloß alles
hinstellen soll. Na, damit lasse ich mich nicht gleich aus der Ruhe bringen.
Auch eine Spritze bekommen wir jetzt. Frau Nußbaumer als Luftschutzwart muß sie
holen.
Mein lieber Ernst! Ich hoffe ganz fest,
daß ich morgen wieder einen Brief von Dir erkomme. Darauf freue ich mich doch
immer so. Ich möchte doch sehen bzw. hören, wie es Dir geht. Für heute danke
ich Dir auch noch einmal ganz fest für Dein liebes Päckchen. Ich freue mich,
wenn ich es am Sonntag aufmachen kann.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt und
geküßt von Deiner Annie.
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