Freitag, 1. April 2016

Brief 142 vom 1./3./4.4.1941


Mein liebster Ernst!                                                              Konstanz, 1.April 41   

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 30.3. Ich habe mich recht darüber gefreut. Da bist Du also am Montag bei den Fricks gewesen. Gut aufgenommen haben sie Dich auch. Mehr kann man ja nicht verlangen. Kurt ist doch ein komischer Geselle. Erst von anderen Leuten erfährt man von ihm, daß er krank war. Hoffentlich ist er wieder soweit hergestellt. Es war doch ganz gut, daß Du die Leute besucht hast.
Die Leipziger Marken habe ich ja besorgt, wie ich Dir schon im vorigen Brief mitteilte. Ich klebe sie immer mit auf die Briefe. Hast Du die 25 von Wien noch 2 x bekommen? Für Dich und Kurt ungestempelt? Hier gibt es sie nicht mehr. Wenn Du sie nicht hast, so kann ich sie sicher von Herrn Kuster kriegen. Er hat es mir angeboten.
Das Wäschepaket von Dir ist noch nicht angekommen. Ich habe heute Wäsche gehabt. Das macht aber nichts. Gutes Wasser habe ich noch und es langt noch, wenn das Paket morgen ankommt. Diesmal habe ich feines Wetter erwischt. Den ganzen Nachmittag scheint schon die Sonne. Da trocknet alles. Nachdem ich vorhin mit Waschen fertig war, habe ich mich noch von der Sonne bescheinen lassen. Das hat mir gefallen. Ich habe mich vorher aber gut eingerieben, damit ich keinen Sonnenbrand bekomme. Aber so ein bißchen in der Sonne sitzen wärmt richtig durch. Mit ist es jetzt ganz fidel zumute. Helga hat heute bis 6 Uhr Schule. Jörg ist unten im Hof und spielt. Oben in der Küche hat er wieder einmal die ganze Eisenbahn aufgebaut. Abends möchte ich sie gar nicht gerne wegräumen, damit er am nächsten Morgen gleich weiterspielen kann, am liebsten gleich noch im Hemd. Jetzt haben wir die Lösung gefunden, daß wir die Schienen einmal teilen und unter den Tisch stellen, damit wir in der Nacht nicht drüber fliegen. Ich habe jetzt ziemlich mit ihm zu tun, um ihn in Ordnung zu halten. Er brüllt wieder mal immer rum und ich habe ihn schon öfter vermöbeln müssen. Ich tue es ja nicht gern, aber es geht nicht anders, er wird sonst zu frech.
Wenn es morgen schön ist, wollen wir noch Mal in den Wald gehen, Tee suchen. Vielleicht bringen wir auch gleich ein bißchen Reisig mit. Die Erbsen werde ich übrigens in den nächsten Tagen auch in die Erde tun. Wir sollen hoffen, daß es morgen noch schön ist, denn am Mittwoch haben wir immer am besten Zeit.
In Deinem Brief habe ich die Fettmarken gar nicht gefunden. Aber ich brauche sie auch nicht mehr so notwendig. Es hat gerade noch etwas zu ½ Pfund Margarine gefehlt und den Rest habe ich noch für Butter verwenden können, da hat es gerade 1/8 gegeben. Nimm es mir bitte nicht übel, daß ich Dir noch besondere Umstände wegen den Marken gemacht habe.
Heute, am 1. April , haben es die Kinder früh gar nicht erwarten können, daß sie auf die Straße kommen. Sie sind schon 3/4 8 draußen gewesen, damit sie die Kinder verkohlen können. Es ist ihnen auch verschiedene Male gelungen. Da war natürlich die Freude groß. Ganz gestrahlt haben sie.
Wenn Du zu Ostern herkommen kannst, ist es vielleicht am besten, Du bringst etwas zum Lernen mit, wenn der Kurt schon am 23.4. aufhört. Das dauert ja dann gar nicht mehr lange. Man staunt eigentlich, wie schon wieder die  Zeit vergangen ist. Soll ich Dir eigentlich die gewaschene Wäsche wieder zusenden oder nimmst Du sie mit, wenn Du herkommst?
In Jugoslawien ist es jetzt wie bei den Polen. Sie fangen auch schon zu plündern und Brennen an. Das muß ja ein ganz minderes Volk sein, die Serben. Es hat ja schon allerhand auf dem Kerbholz. Heute ist ja nun der Eden in Belgrad. Es wird nicht mehr lange dauern, da ist der Krach da. Es ist nur schade um die vielen Menschen, die wieder umkommen. Und nur wegen dem Lumpenpack, den Engländern.
Vielleicht fahre ich dann noch zu Vater runter und erzähle ihm, was Du von Kurt geschrieben hast wegen seiner Krankheit. Daß er beim Appell wieder aufgefallen ist, erzähle ich nicht. Das wird ihm sonst von Vater zeit seines Lebens wieder vorgehalten. Als ich das Bügelbrett holte, sagte er auch: „Weißt Du, warum der Stoff da unten schmutzig ist? Da hast Du früher mal draufgebügelt und da hat Ernst den alten Untersetzer draufgestellt.“ Das habe ich schon lange nicht mehr gewußt. Im Übrigen war es auch nicht so schlimm, ich habe nämlich den Stoff sowieso abziehen müssen. Aber Vater ist nun einmal so. Die Hauptsache ist ja, daß er sonst ganz gut ist.
Nun will ich für heute wieder Schluß machen. Sei recht oft und herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Mein liebster Ernst!                                                                        Konstanz, 3.April 41

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief vom 1.4. Du bist ja ein Kerl. Nennst Du das 15 g Fettmarken, was Du geschickt hast. Ich werde alles gut aufheben und für die Osterfeiertage haben wir dann reichlich Butter und Fleisch. Die Eier werde ich auch für Ostern besorgen. Ich sage Dir für alles meinen Dank. Du bist doch ein ganz lieber Kerl.
Es freut mich, daß Dich mein Brief nicht gelangweilt hat. Ich hatte wirklich gedacht, es würde Dich nicht interessieren. Es geht mir manchmal so, erst schreibe ich und dann beim Durchlesen meine ich, Du wirst denken, na viel Gescheites hat sie auch nicht geschrieben. Es ist mir natürlich schon recht, wenn dies nicht der Fall ist.
Es wäre mir recht, wenn Du einmal wegen Zwiebelsamen nachsehen würdest. Es gibt hier nur Zwiebelsamen für weiße Zwiebeln und es steht auf der Tüte: Zum sofortigen Verbrauch, nicht für den Winterbedarf geeignet. Wir wollen aber doch die Zwiebeln, wenn sie klein sind, überwintern, um für nächstes Jahr Steckzwiebeln zu haben.
Wegen der Frauenschaft werde ich sehen, daß ich mich so lange wie möglich drücke. Ich habe auch schon gesagt, daß ich doch nicht hingehen könnte. Da wurde mir auch angedeutet, daß es ja vor allen Dingen um das Geld gehe.
Mit dem Vordruck werde ich morgen früh zur gleich zur Polizei fahren und ihn unterschreiben lassen. Die Zivilkleider schicke ich Dir in den nächsten Tagen. Ich muß mal sehen, wie ich sie verpacke. Ich werde Dir vielleicht den älteren Mantel schicken, ich finde, der neue Mantel wird gleich auf der Bahn so verdrückt und man sieht jeden Fleck daran.
Wir waren heute Nachmittag im Wald. Es war sehr schön. 1/2 Tasche Tee haben wir wieder gefunden, viel ist es ja nicht, aber ich finde, dieses Jahr gibt es gar nicht so viel. 2 Rucksäcke mit Zapfen und Erbsenreisig haben wir noch mitgebracht. Da war der Gang nicht umsonst. 3/4 6 Uhr waren wir wieder zuhause. Da haben wir dann Deinen lieben Brief vorgefunden.  
Ich glaube Dir gern, daß im Kurs sehr viel von Euch verlangt wird. Aber wie Du schon schreibst, mehr als lernen kann man nicht und wenn man da seine Pflicht getan hat, ist es gut. Alle Sachen kann man ja gar nicht behalten, das ist doch so viel. Aber ich weiß ja, daß Du alles tust, was möglich ist und ich habe keine Sorge, daß Du durchkommst. Wir können uns ja wegen allem noch einmal  unterhalten, wenn du hier bist.
Seit heute folgt Jörg wieder ein bißchen besser. Ich hoffe, daß es anhält. Das sind immer mal so Zeiten, wo es nicht klappen will.

Mein lieber Schatz!                                                                               4.April

Heute Morgen habe ich auf der Polizei den Vordruck unterschreiben lassen. Ich schicke ihn Dir nun wieder zu. Auch die Zivilkleider habe ich eingepackt und schicke sie heute noch weg.
Heute Morgen habe ich ein bißchen im Garten geschafft. Ich habe nun Kohlrabi, Wirsing, Weißkraut und Rotkraut gesät. Heute Nachmittag will ich noch weiter umgraben.
Vorhin erhielt ich das Zeitungspaket von meinen Eltern. Helga und Jörg sitzen schon dabei und schauen sich den „Blödsinn“ an. Das ist ihnen das Wichtigste an der ganzen Zeitung. An den Zeitungen habe ich wieder allerhand zu lesen. Da kann ich gut dabei stricken. Ich möchte sowieso gern für Vater die Strümpfe fertig bekommen. Bisher habe ich aber immer zu Stopfen und Nähen gehabt. Ich wünsche nun einen frohen Sonntag. Hoffentlich wird es wahr, daß wir Dich doch zu Ostern bei uns haben. Es wäre so fein.
Sei nun recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner Annie.

Lieber Vater! Wir freuen uns schon fest das Du zu Ostern kommst, ich sagte schon zum Mutterle, wenn Du da bist ist es immer so spaßig und lustig und drum freue ich mich so sehr. Viele Grüße und Küsse von Deiner Helga und Jörg.

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