Samstag, 29. Februar 2020

Brief 791 vom 30.9.1944


Mein liebster Ernst!                                                                                         30.9.44 

Wieder einmal Wochenende. Diemal kann ich ja schon etwas besser laufen als am vorigen Samstag. 
Das eine Dumme ist nur, daß der Fuß gleich mächtig anschwillt. Da muß ich ihn dann gleich wieder hoch legen. Aber  im allgemeinen bin ich mit dem Fortschritt zufrieden.  Unser Jörg hat am Morgen 2 Stunden geschafft. Am Nachmittag haben sich Helg und Jörg vom Dienst frei geben lassen und haben 2 Reihen Kartoffeln mit 27 Pfund raus gemacht. Vielleicht hätten sie noch mehr tun können, aber dazwischen mußten sie unter den Brombeeren zwei Vögel begraben, die sie in den Gärten gefunden hatten. Es war eine Meise und ein Rotschwänzchen. Sogar 2 kleine Kreuzchen hat Jörg gezimmert.  Am Mittwoch hatte es bei Tag ein paar Mal gewummert, daß alle Fenster und Türen klapperten. 
Wir wußten garnicht, was los war. In der Schweiz muß es gewesen sein. Heute stand nun in der Zeitung, daß amerikanische Flieger die ThurBrücke bei Felben (zwischen Weinfelden und Frauenfeld) angegriffen hatten. 6 Bomben haten sie geworfen Die Brücke haben sie nicht getroffen. Durch Bordwaffen ist sie noch beschädigt worden. Heute hatt die Schweiz 7 oder 8 mal Alarm. Während eines Alarms hat es wieder in der Schweiz ein paar Mal mächtig gekracht. Was wird da wieder gewesen sein? Wir hatten auch 2mal Voralarm. Vor ein paar Tagen ist auch wieder ein Zug bei Allensbach beschossen worden. Auf alle mögliche Weise versuchen es unsere Feinde jetzt.  Heute haben wir den 6ten Beutel mit Apfelringen gefüllt. Neue Ringe habe ich schon wieder aufgehängt.  Am Dienstag haben wir große Luftschutzübung. Ich kann ja dieses Mal zuschauen, das ist auch mal ganz schön.   
In der vergangenen Nacht habe ich so wunderschön von Dir geträumt. Wenn man doch seine Träume selber bestimmen könnte, dann möchte ich jede Nacht von Dir träumen. In der vergangenen Nacht war ich mit lauter fremden Menschen zusammen. Plötzlich faßt mich jemand am Arm. Ich schaue mich um, da bist Du es. Da durchströmte mich ein ungeheures Glücksgefühl. Ich wußte auch im Traum, ich gehöre zu Dir. Es war dasselbe Glücksgefühl wie an dem Tag, als Du so unverhofft auf Urlaub kamst. Es war heute Nacht eine so glückliche Erlösung, als Du plötzlich bei mir standest. Ich fühle diese Freude jetzt noch und die Sehnsucht, auch nachher wieder von Dir träumen zu dürfen.  Nun laß mich schließen. Bleib immer gesund, mein liebster Mann, und laß Dich herzlich und innig grüßen und küssen von 

Deiner Annie.   

Liebes Vaterle! 
Wir haben jetzt schon über einen Zentner Kartoffeln rausgemacht. Freut Dich das? Einmal habe ich im ganzen 24 Pfund Äpfel mit dem Apfelpflücker runtergemacht. Viele Grüße und 1000000000 Küsse von 

Deiner Helga. 

Liebes Vaterle! 
Morgen mache ich noch Äpfel mit dem Apfelpflücker runter. 
Wie Dir Mutterle schon schrieb, habe ich auch schon einmal 16 Pfund runtergemacht. Viele 1000 Grüße und 1000000 mal 9000000000000000 Küsse von 

Deinem Jörg. 

Brief 790 vom 29.9.1944


Mein lieber Ernst !                                                                                                 29.9.44

Ein richtiger Sonnentag war heute. Da ist auch gleich was geschafft worden. Jörg hat 16 Pfund Äpfel abgepflückt und gegen Abend, als er vom schaffen kan, 1 Reihe Kartoffeln raus gemacht. Helga hat am Morgen 2 Reihen und am Nachmittag 1 Reihe ausgegraben. Zusammen hat es 66 Pfund ergeben. Das ist doch sehr schön, nicht wahr. Im ganzen haben die Kinder bis jetzt ca. 110 Pfund Kartoffeln ausgegraben.  Jörg hat heute beim verkitten der Treibhausfenster geholfen. Er hat den Kitt weichgeklopft und ihn dann dem Mann zugereicht. Um 5 Uhr kommt er jetzt immer heim, um 2 Uhr fängt er an.  Die größte Freude habe ich heute über Deine lieben Brief Nr. 54 und 55 vom 14./15. gehabt. Es ist doch immer wieder so schön, wenn der Briefträger klingelt und ein Brief von Dir kommt.   
Ihr seid nun also wieder marschiert und habt Euern Bunker verlassen müssen. Ärgerlich ist es ja, wenn Ihr Euch wieder eine Unterkunft gebaut hattet und gleich wieder fort mußtet. Aber am besten ist es ja wohl, wenn man sich über sowas garnicht ärgert, sonst käme man aus dem Ärger garnicht raus. Du erinnerst dich an unsere Apfelmusfabrik. Ja, die ist eingegangen. Nur für den täglichen Hausbedarf arbeitet sie noch. Die Apfeltrocknungsanlagen arbeiten aber jetzt noch. Wenn nicht das Pech mit meinem Fuß gewesen wär, hätte ich die Äpfel schon abgenommen und mit dem trocknen wärs vorbei. Aber etwas muß man eben in Kauf nehmen. Ich will froh sein, daß mein Fuß richtig wieder gut wird. Da müssen wir eben auf etliche Äpfel zum einwintern verzichten. Heute bin ich schon mal mit im Garten gewesen und habe mir alles angesehen. Viel helfen konnte ich ja nicht, nur mal einen Korb und einen Eimer mit rüber nehmen. Aber es wird ja immer besser.  Mit der Wallhausenfahrt ist es ja nun nichts geworden und wird wohl auch nichts werden. Bis ich so lange Strecken fahren kann, vergeht schon noch einige Zeit und dann muß ich sowieso erst unseren Garten  fertig machen. Es ist ja alles liegen geblieben. 
Von Papa erhielt ich einen Brief. Denk Dir, mein Brief bezw. Karte hat 13 bezw. 6 Tage gebraucht, bis er sie bekommen hat. Ich weiß nicht, was mit Erna und Papa los ist. Da will es scheinbar garnicht mehr klappen. Da fehlt eben Mama, sie würde bestimmt alles wieder ins Reine bringen, da wäre es sicher garnicht soweit gekommen; denn an Mama hat Erna ja auch sehr gehangen. Papa weiß nicht, warum Erna dickscht. Erna wird sicher noch beleidigt sein, weil Papa so an Siegfried geschrieben hat, als hätte sie ihm etwas nicht gegeben, was Siegfried für ihn geschickt hat. Lotte ist ja auch nicht diejenige, die begütigend eingreift. Man muß sich ja jetzt das Leben noch schwerer machen als es sowieso ist, so ists recht.  Stell Dir vor, heute haben wir 6 Pfirsiche von Herrn Zahn bekommen. Doch nobel, nicht? Daf ür haben wir aber vorher seine sprüche anhören müssen, dioe er immer macht.  In der Bücherei habe ich mir jetzt verschiedene Bücher von Peter Rosegger besorgen lassen. 
Diese lese ich sehr gern. Wenn man später wieder Bücher kaufen kann, dann wünsche ich mir sicher einige davon.  Nun gehen wir wieder ins Bett. Die Kinder freuen sich mächtig drauf, weil sie heute zum ersten Mal wieder die Federdecke nehmen können. Solche Freuden kann man ihnen doch gern gönnen. Ob Du am heutigen Tag wohl schon meine ersten Briefe bekommen hast? Lange genug hast Du ja sowieso warten müssen.  Ich schicke Dir wieder viele Grüße und Küsse. 

Behalte immer lieb Deine Annie.

Brief 789 vom 28./29.9.1944


Mein liebster Mann!                                                                                                28.9.44

Einen Brief habe ich auch heute nicht bekommen, trotzdem ich schon wieder sehnsüchtig darauf warte. Aber entweder hast Du keine Zeit zum schreiben gehabt oder die Beförderung geht langsam. Ich warte gern weiter.  Heute war ich beim Arzt. Der Fuß ist 6 Minuten bestrahlt worden. Am Montag wird er nochmal bestrahlt. Da wird er ja sicher schnell heilen.  Ich bin zum ersten Mal wieder in den Keller gestiegen und hab mir alles angesehen. Im allgemeinen war alles soweit in Ordnung.   
Helga hat 16 Pfund Äpfel abgenommen. 24 Pfund haben wir nun bis jetzt. Gegen das, was runtergefallen ist bis jetzt, ist es ja wenig. Aber gefreut hats mich doch, denn diese kann man ja aufheben. Mit den getrockneten Apfelringen haben wir bald das Ergebnis des vorigen Jahres erreicht. 5 ½ Beutel haben wir bis jetzt und die ganze Küche hängt noch voller Ringe. Jörg war wieder beim schaffen. Heute hat er mehr zu tun gehabt als gestern, wo er nur gespielt hat. Er hat mit Sand geholt, dann mußte er mal die Gießkanne, mal den Hammer uswl holen, also lauter kleine Handreichungen tun. 
Das ist ja nicht schwer, aber eine Hilfe ist es doch.  Während Deines Urlaubs hatten wir doch eine Dose Langusten herauf geholt. Gegessen sind sie dann doch nicht worden. Das hat Jörg heute besorgt. Helga und ich mochten sie nicht. Wenn ich die Viecher schon sehe. Jörg hatte 35 Pfennige ausgesetzt für den, der wenigstens einen Bissen davon ißt. Helga hat sie sich verdient. Einen Biß hat sie gemacht. Schmecken tun sie sicher gut, aber ich kann beim besten Willen nichts essen. 

                                                                                                                                       29.9.

GEstern Abend sind wir alle wieder zeitig ins Bett gegangen. So lange ich jetzt noch nicht so gut laufen kann, hat sich der Brauch eingebürgert, daß Helga und Jörg schnell noch in mein Bett mit schlupfen. Dann beten wir zusammen und denken besonders an Dich. Hinterher gehen die Kinder in ihre Betten. Die Türen haben wir ja jetzt noch auf. Wenn die Kinder sich schon richtig eingemummelt haben, kommt noch der Ruf „Schlaf Du auch gut und wach gesund wieder auf.“ Dann ist Ruhe.   
Heute Nacht kam zwar gleich hinterher Voralarm, aber wir sind im Bett geblieben und bald kam auch die Entwarnung.  Heute Morgen ist wieder einmal sonniges Wetter. Da werden die Kinder gleich Kartoffeln ausgraben. Jörg ist gerade beim Schuhe putzen. Nachher fährt er noch schnell in die Stadt. Hinterher hilft er mit im Garten..  
 Ich weiß nicht, ob ich Dir schon mal geschrieben habe, wie froh ich jetzt über die bunten Bastschuhe bin, 
die Du mir mal aus Göding mitgebracht hast. Es sind die einzigen Schuhe, wie ich bis jetzt noch anziehen kann. Ich muß Dir gerade noch mal dafür danken.  Nun grüße und küsse ich Dich wieder ganz fest und herzlich und bin immer 

Deine Annie.

Brief 788 vom 27.9.1944


Mein liebster Ernst !                                                                                    27.9 44

Das Regenwetter will scheinbar gar kein Ende mehr nehmen. 
In den kurzen trockenen Zwischenräumen haben die Kinder dürre Bohnen abgemacht, die ich hinterher gleich ausgekernt habe. Helga hat am Nachmittag die ersten 8 Pfund Äpfel mit dem Pflücker vom Baum geholt. Dann regnete es schon wieder und mit der Arbeit wars Schluß. Jörg war wieder beim schaffen. Beim Leirer schafft auch dessen Bub mit, der ungefähr im gleichen Alter wie Jörg ist. Da hat er Unterhaltung. Heute haben sie nicht viel getan, sondern meist gespielt. Einen Topf mit einer HängeBlattpflanze hat Jörg auch mitbekommen und Du kannst Dir sicher seine Freude vorstellen.  Gestern ahtten wir Hollundermarmelade eingekocht. Die war so dich geworden, daß wir noch die restlichen Beeren, die wir eigentlich Vater geben wollten, dazu tun konnten.  Nun hat es 4 Pfundgläser und 1 kleine Schüssel voll Marmelade gegeben. 
Das freut mich wieder. Eine Tasche voll Tomaten haben wir heute auch wieder geholt. An den Brombeerbüschen hängen noch viele rote Beeren, die alle erst neu gewaschen wind. Wenn es noch ein Weilchen warm würde, wären bald alle schwarz und man könnte sie zusammen ernten. So kommt immer eine nach der anderen.  Morgen gehe bezw. fahre ich wieder zum Arzt. Diesmal wird mich Jörg begleiten, denn er möchte doch zu gern auch mal mit.  Ich bestelle nun wahrscheinlich die Kartoffeln doch bei Beyer Baer. Da ist es nicht so weit, denn ich weiß ja nicht, ob ich bis zum holen wieder richtig laufen kann. Schneider &Mohl nimmt keine Bestellungen an. Frau  Nußbaumer hat gefragt. _Laß mich nun wieder schließen. Vielleicht bekomme ich morgen wieder einen Brief von Dir.  Ich grüße und küsse Dich recht herzlich und denke immer an Dich 

Deine Annie.

Brief 787 vom 26.und 27.9.1944


Liebster Ernst!                                                                                             26.9.44

Wieder ein Regentag. An Arbeit hat es trotzdem nicht gefehlt. 
Der Gauggel hatte gefragt, ob ich einige Zigaretten gegen einen Korb Hollunderbeeren geben würde. Das habe ich dann auch getan. Gegen 8 Zigaretten habe ich ihn bekommen. Die habe ich heute mit Helga abgestreift. Dann haben wir 3 Pfund zu Marmelade gekocht (zu mehr hat der Zucker nicht gelangt) Einen größeren haben wir zu Suppe bezw. Kompott gekocht. Davon gab es heute Abend zur Brotsuppe. Es hat wunderbar geschmeckt. Morgen giebt es noch ein Frohstück davon, auf das wir uns alle freuen.  Das meiste muß ja Helga jetzt noch tun. Ich kann nur immer ein bißchen helfen. So hat sie auch heute allerhand schaffen müssen. Manchmal seufzt sie ja schon, aber ich kann es ja noch nicht ändern, solange mich der Doktor noch nicht laufen läßt.  Jörg war heute zum ersten Mal beim Leirer. Es hat ihm ganz gut gefallen. Er hatte nur leichte Arbeit tun müssen. Bohnenkraut wegschaffen usw.Von 2  5 Uhr war er dort. Morgen Nachmittag geht er wieder hin. Kartoffeln haben die Kinder noch nicht wieder rausmachen können, da es ja immer regnete.   
Vater war gestern Abend hier. Er sagte, er wollte in nächster Zeit herkommen zum Äpfel runter machen. Ich hätte es ja sehr gern selber getan. Die Winterkartoffeln muß man jetzt bestellen. 2 Ztr. bekommt man pro Person. Vielleicht bestelle ich sie bei Schneider & Mohl. Die laden meist in Petershausen ab, da hat man nicht so weit zu fahren. Mal sehen, ob ich angenommen werde. Sonst bestelle ich sie beim Hogg. Bloß ist die Fahrerei so weit. Na, mal sehen.   

27.9. 
Helga fährt jetzt in die Stadt. Da die Geschäfte ja am Nachmittag heute geschlossen sind. Da nimmt sie den Brief wieder mit auf die Post.  Jörg geht inzwischen in den Garten und macht dürre Bohnen ab. Das Wetter ist heute etwas besser geworden. Wenn sichs hält, können Helga und Jörg vielleicht wieder Kartoffeln raus machen. Man ist froh um das, was man im Keller hat.  Nun schicke ich Dir wieder recht viel liebe Grüße und Küsse. Behalte immer lieb 

Deine Annie. 

Brief 786 vom 25.9.1944


Mein liebster Ernst !                                                                                            25.9.44

Nun hat Jörg seinen Kriegseinsatz. Er kommt zum Leirer im Riesenbergweg. Wir werden ja sehen, wie er sich einschafft. Nun wird er ja eine Kleinigkeit verdienen. DAs will er sich sparen. Helga kamen da die Tränen und sie meinte, sie wäre ja auch gern zum Kriegseinsatz gegangen, wenn sie jetzt nicht hier bleiben müßte. Ich habe ihr dann gesagt: „Wir werden sehen, was Jörg verdient. Wenn Du dann schön weiter für micht schaffst (die Freude ist ja nicht mehr so groß wie zuerst) so bezahle ich Dir dasselbe.“ Da strahlte sie natürlich gleich wieder.  Ich war heute wieder beim Arzt. Mit dem Aussehen der Wunde war er zufrieden. Er drückte dann an den Wundrändern. Das tat mir noch weh. Daraufhin meinte er, mit dem laufen sei es dann noch nichts. Man müßte sehr vorsichtig sein. Bis Donnerstat muß ich wieder liegen. Die Woche ist also doch wieder futsch. Aber es ist ja besser, es wird richtig ausgeheilt. Nur langweilig, langweilig. Man merkt da erst, was für eine Wohltat es ist, wenn man laufen kann wie man will.  2 Girlanden mit Apfelringen haben wir heute wieder aufgehängt. Durch den heftigen Wind in der Nacht waren eine ganze Menge Äpfel rungergefallen. Solange man sie noch verwerten kann, geht es ja. 
Wenn ich nur erst soweit wäre, daß ich die Äpfel runternehmen könnte.  Von Leipuig bekam ich einen Rundbrief. Der hat 8 Tage bis hierher gebraucht. Papa hat den Brief von Dir eher bekommen als meine Karte, auf der ich ihm Deine neue Nummer mitgeteilt habe. Die Marke vom braunen Band hat er mir gestempelt mitgeschickt. Wir hatten Dir doch immer die JB geschickt. In den letzten Wochen, seit ich nicht fort kam, konnten wir sie nun nicht mehr bekommen. Jörg sollte sie einmal holen. Da hat die FRau ihm eine von der vorigen Woche gegeben. Als er das merkte und hinging, sagte sie, wenn ihm die nicht gut genug sei, bekäme er gar keine mehr. 
Als Helga dann hin ging, um sie umzutauschen, fiel gerade vom Kiosk ein Regentropfen auf die Zeitung und die Frau fing an, so würde sie die Zeitung nicht nehmen. Als Helga sagte, daß sie doch gesehen habe, daß nur ein Regentropfen darauf gekommen sei, sagte sie:“Halt den Mund Du freche Range“. Nun mag keiner von den Kindern mehr hin gehen.  Heute war es wieder einmal kalt. Man hat den Mantel vertragen können. Der Winter kommt eben doch immer näher. Ab und zu schickt er ma seine Boten.  Weißt Du übrigens, was ich heute für eine Binde am Fuß  habe? Eine aus Kreppapier. Aber es ist nich einmal unangenehm. Über der Wunde selbst ist natürlich Mull.  Für heute weiß ich garnichts mehr zu schreiben. Darum      s chließe ich jetzt. Nimm recht viele und liebe Grüße und Küsse entgegen von 

Deiner Annie.

Brief 785 vom 23 und 24.9.1944


 Mein liebster Ernst !                                                                                                 23.9.44 

Diese Woche ist auch wieder vergangen. Am meist en freue ich mich, daß mein Fuß immer besser wird. So kann ich doch hoffen, bald wieder richtig schlagen zu können. Ruhen läßt es mich ja jetzt auch schon nicht mehr und ich fasse überall mit zu. Nur wird der Fuß zu schnell müd, weil ich immer noch auf der Ferse rumhumpeln muß. Aber besser ist es doch als erst, wo ich den fuß überhaupt nicht nach unten hängen lassen konnte, ohne große Schmerzen zu haben. Ich muß auch schon zufassen. Helga hat sich beim Durchstechen der Apfelringe überall zerschunden und nun hat sie an den Fingern kleine Eiterstellen, die wir fleißig in Seifenwasser baden. Du siehst also noch ein Invalide.  Heute sind die buben zum Kriegseinsatz verteilt worden. Manche kommen nach auswärts. Ich wollte, daß Jörg hierbleibt. 
Die Buben, die hier bleiben, sollen zu Gärtnern kommen. Manche Kinder haben sich ja auch jetzt noch nicht gemeldet. Ich fragte Jörg, ob er nicht auch dableiben will. Er sagte aber, er will sich nicht drücken. Hier in der Stadt kann ich ja eher einmal kontrollieren, daß er nicht überanstrengt wird.  Bis jetzt haben die Kinder 3 Reihen Kartoffeln mit ca. 45 Pfund ausgegraben. Heute konnten sie nichts tun, da es regnete. Dafür haben wir wieder viel Apfelringe geschnitten, denn es waren ziemlich viel Äpfel runtergefallen.  Die ganze Küche hänt kreuz und quer voller Girlanden. Das gibt mehrere Beutel voll.  Es ist heute nur ein kurzer Brief, Du Lieber, aber Morgen folgt ja der nächste. Laß Dich recht oft küssen von 

Deiner Annie.


 Mein liebster Ernst !                                                                                            24.9.44

Die Grüße im gestrigen Brief sind etwas kurz ausgefallen.  Eigentlich sollte es nicht so sein, aber ich merkte zu spät, daß der Brief schon zu Ende war. Ich hole es jetzt nach und gebe Dir schon am Anfang dieses Briefes recht viel herzliche Grüße.  Der Sonntag ist recht ruhig wieder vorbei gegangen. Was ich konnte, habe ich geholfen. Die übrige Zeit habe ich meinen Fuß hochgelegt. Das Laufen auf dem ganzen Fuß habe ich auch probiert. Es ging, aber noch nicht gut. Die Wunde sieht gut aus, aber die vordere Hülfte des Fußes ist noch so angeschwollen, daß ich die Zehen nicht auf den Bode bekomme. Ich denke aber, daß sich das auch bald noch geben wird.  Zum fort gehen war das Wetter heute sowieso nicht gut. Morgens regnete es, dann heiterte es sich eine Weile auf und nun gießt es schon wieder. 
Die Kinder haben sich mit mehreren Decken eine Hütte gebaut. Damit haben sie den ganzen Nachmittag gespielt. Helga hat auch gelesen. Denk Dir, Jörg hat heute sogar zwei Mal abgewaschen, da es Helga mit ihren Eiterbläschen nicht gut konnte.  Vorhin hat FRau Ehret (eine tochter von Frau Nußbaumer) gerade ihren Koffer bei uns eingestellt, da ihre Mutter nicht daheim war. Sie will morgen ihren Mann im Lazarett in Feldkirch besuchen. Sie hat jetzt erst die Nachricht bekommen, daß er operiert worden ist. Man hat ihm die Schädeldecke aufgemeiselt. Er hatte Eiter im Kopf. von was das nur kommen kann? Vorher ist ihm manchmal Eiter aus den Ohren gekommen.  Da wir heute ein Bißchen Feuer hatten, sind manche Apfelringe trocken geworden. Auf der warmen Ofenplatte habe ich auch 3 Beutel nochmals nachgetrocknet. Sie hatte etwas Feuchtigkeit angezogen. 
Im ganzen haben wir jetzt 5 Beutel Apfelringe da. 3 große Girlanden hängen jetzt aber noch im Schlafzimmer und in der Küche. Morgen schneide ich wieder neue ringe. Heute haben wir mal nur Äpfel gegessen. Dafür war auch Sonntag.  Ja, lieber Ernst, was soll ich Dir noch erzählen? Wenn man so wie ich jetzt, bildlich gesprochen, an der Kette hängt und nicht fort kann, da sieht man ja auch nichts.  Ich habe mir noch nicht einmal angesehen, wie die Kinder unten die Kohlen geschichtet haben. TReppen gehen am scheußlichsten zu steigen und dann ist der Fuß so schnell ermüdet. Morgen fahre ich ja wieder zum Arzt, wenn es nicht gerade regnet. Denn ich kann ja nur Hausschuhe anziehen. Da komme ich ja wieder ins Freie. Jetzt freue ich mich immer, daß wir nicht in der Stadt wohnen. Auch wenn man nicht so fort kann, hat man doch immer einen herrlichen Ausblick, an dem man sich nicht satt sehen kann. Du weißt ja, daß ich überhaupt glücklich bin, daß wir so im Freien wohnen. Nun laß mich schließen. Ich gehe jetzt schon immer mit den Kindern schlafen. Und das wird jetzt Zeit.  Heute sollst Du nicht zu kurz kommen, sondern unendlich viele Grüße und Küsse bekommen von 

Deiner Annie.

Brief 784 vom 22.9.1944


Men lieber Ernst !             22.9.44          51

Wieder erhielt ich 2 liebe Briefe von Dir, Nr. 50 und 52 vom 8./9. und 11.9. I
ch freue mich jedes Mal, wenn ich Nachricht von Dir erhalte und Du mußt wirklich keine Angst haben, daß ich einen Zorn darüber bekomme. Ich habe auch diese Briefe gnädig aufgenommen. Das im Urlaub gekaufte Heft werde ich mit aufheben, wenn es angekommen ist. Wie es mit der Kartoffelversorgung wird, das weiß ich noch nicht. Bis jetzt haben wir uns noch nicht einmal anmelden müssen. 
Die Einkellerungsscheine beginnen Anfang November. Vielleicht bekommt man die Kartoffeln doch eher.  Die zweite Fuhre Mist hätte ich ja schon bekommen können, aber ich muß erst warten, bis ich wieder richtig laufen kann. Vielleicht dauert das garnicht mehr so lange. Heute sagte mir der Arzt, daß ich am Montag wieder hinkommen muß. Vielleicht könnte ich dann versuchen, richtig aufzutreten. Hoffentlich klappt es. Ich würde mich freuen. Ein bißchen schaffen kann ich ja schon wieder. Ob ich natürlich gleich richtig im Garten werde schaffen können, das weiß ich nicht. Aber mit Unterstützung der Kinder wird es schon gehen. Der Ort an dem Ihr seid, ist oft im Wehrmachtsbericht genannt worden. 
Es hieß immer, daß dort schwere Kämpfe wären.  Nun haben sie Dir dort also auch gesagt, daß Du daheim als vermißt gemeldet worden bist. Ich kann Dir nur sagen, so in die Seele hinein weh hat mir doch noch nichts getan, als das, als mir der Ortsgruppenleiter an der Wohnungstür sagte, Du seist vermißt. Es hat sich ja dann gleich aufgeklärt, aber dieser Schreck hat noch lange nachgewirkt. 
Ich bin so froh und dankbar, daß Du noch gesund bist.  Als Du hier warst, war es wirklich noch zu früh zum Kartoffeln raus und Äpfel runter machen. Jetzt werden die Äpfel ja erst reif und die Kartoffeln halten sich auch besser, wenn sie nicht zu früh aus der Erde kommen. Heute werden die Kinder wieder eine Reihe ausgraben. Wir haben wieder sonniges Wetter, so daß die Kartoffeln auch richtig abtrocknen können.  Von Papa erhielt ich eine Karte. Er hat meinen Brief erhalten. Er selber war ja 8 Tage krank. 
Er schreibt, Erna wäre nicht einmal gekommen und hätte ihn besucht, trotzdem sie es gewußt hat. Schön finde ich das ja auch nicht von ihr, aber richtig vertragen werden sie sich ja wohl überhaupt nicht mehr.  Ich werde einige Mark nach Leipzig schicken, damit sie einen Blumengruß auf Mamas Grab legen am Todestag.  Laß mich nun schließen. Bleib immer mein liebster Ernst und laß Dich grüßen und fest küssen von Deiner 

Annie. 

Jetzt habe ich doch was vergessen. 
Ich habe den Kinderwagen für 30,M verkauft. 
Frau Leimenstoll hat jemand gewußt, der ihn gebraucht hat. Ist es Dir so recht?

Brief 783 vom 21.9.1944


Mein liebster Mann !                                                                                             21.9.44

Heute erlebte ich die große Freude, daß ich gleich 2 Briefe von Dir erhielt. Nr. 49 und 51 vom 7. und 10.9. Es freut mich so, daß nun der 7. doch kein besonders schwerer Tag für Euch geworden ist, sondern daß Du sogar Gelegenheit gehabt hast, Dich zu waschen und zu rasieren.  Von dem Klebpapier schicke ich Dir wieder mit, ebenso einige Feldpostbriefe.  Ich freue mich wirklich, wenn ich immer wieder Briefe von Dir erhalte, aber wie Du auch richtig schreibst, wenn Du nicht zum schreiben kommst, so werde ich Dir selbstverständlich nie etwas vorjammern. Ich weiß, daß Du an uns denkst und auch schreibst, wenn es möglich ist. Heute waren die Briefe ja wirklich eine Erlösung und Wohltat, denn der Schreck, den ich durch den Besuch des Ortsgruppenleiters bekommen hatte, wirkte doch immer weiter, wenn auch die Nachricht gottseidank nicht wahr war. Du wirst das sicher verstehen. Man sehnt sich danach, wieder einen Brief zu bekommen, der doch wie eine Unterhaltung mit Dir ist. 

Wenn Papa wieder einmal Tabakwaren bekommen soll, dann kann ich ja von hier aus welche schicken. Da mußt du Dich nicht damit herumschleppen.  Mit dem spazieren gehen ist es ja jetzt nichts. Übrigens müssen sich heute alle Mädel und Jungen am Haus der Jugend versammeln, die noch nicht im Kriegseinsatz stehen. Ich bin gespannt, so unsere Kinder dann hinkommen. Helga soll sich einstweilen frei stellen lassen, bis ich wieder laufen kann.  Die Schweiz verdunkelt seit einigen Tagen nicht mehr. Jetzt werden an der Grenze entlang noch große Schweizer Kreuze ausgelegt, damit die Flieger genau sehen, wo die Schweiz aufhört. Schule hat ja jetzt weder Helga noch Jörg. 
Die meisten Lehrer sind jetzt beim schanzen. Aber nicht hier. Es hilft eben jetzt jeder mit. Ich gehe ja auch wieder nähen, sobald ich wieder laufen kann. Wenn jeder mithilft, muß es ja gut werden. Meinst Du nicht auch? Lieber hilft man jetzt freiwillif und freudig mit, als daß uns der Feind ins Land kommt und mit ihm das Elend.  Heute Morgen kan die Schulfreundin von Helga, die Hildegard Zeller, und brachte mir einen schönen blumenstrauß.  Ich habe mich wirklich gefreut.   
Nachdem sich das Wetter jetzt wieder aufgeklärt hat, wollen die Kinder schon einige Kartoffeln ausgraben.   

Es ist jetzt ¾ 4 Uhr.  Gerade sind die Kinder wieder rüber gekommen. Eine Reihe habe sie ausgegraben. Erst waren sie ja der Meinung, das sei leichte Arbeit, dakönnten sie mehr schaffen. Nun kamen sie ganz zaghaft an und sagte, ob es nichts macht, wenn sie nur eine Reihe fertg bekommen hätten. Natürlich hat es nichts gemacht, denn an mehr hatte ich garnicht gedacht. Aber ein bißchen Zucker zum lecken haben sie doch zum Dank bekommen und sie haben nicht nein gesagt.  Nun mache ich wieder Schluß. Laß Dich auch heute wieder recht herzlich grüßen und küssen von 

Deiner Annie.

Brief 782 vom 19 und 20.9.1944


Du mein allerliebster Schatz !                                                                                           19.9.44 

Solch einen Schreck wie vorhin habe ich doch noch nier erlebt.  Kommt doch der Ortsgruppenleiter und bringt mir einen Brief von der Dienststelle der Feldpostnummer O9651d. An der Tür sagt er mir gleich: Lassen sie mich einmal in die Wohnung. Ich muß ihnen leider die Mitteilung machen, daß ihr Mann vermißt ist.“ Ich sagte gleich „Das ist nich wahr“ und fragte dann, wenn Du denn vermißt sein solltest. Er sagte am 29.7. Da ist mir ein Stein vom Herzen gefallen. Ach Ernst, ich hoffe ja so fest, daß Du gesund bist und auch weiterhin gesund bleibst. 
Nach dem 29.7. haben wir ja noch so herrliche Tage zusammen verlebt. Da bist Du ja hier bei uns gewesen. Ich bin ja so glücklich, daß diese schlimme Nachricht nicht wahr ist, ich bin so froh. Du mußt doch wieder zu uns heim kommen, damit wir Dich alle lieb haben können und damit wir froh sein können.

Du lieber, lieber Ernst.                                                                                                     20.9.

In der Nacht bin ich öfter munter geworden und immer habe ich an gestern Abend denken müssen. Ich habe mir Dein Bild geholt und Dich angeschaut, Dein liebes Gesicht. Mein lieber, lieber Ernst, Du wirst ja wieder zu uns heim kommen, ganz bestimmt. Meine Gedanken sind ja immer bei Dir.  Da Du wieder bei derselben Feldpostnummer bist, muß ich doch wohl nicht an die Dienststelle schreiben? 
Da müssen sie doch jetzt wissen, daß Du dort bist.  Der Ortsgruppenleiter fragte dann, was ich am Fuß gemacht hätte. Als ich es ihm sagte, meinte er, ich solle vorsichtig sein, daß keine Blutvergiftung dazu käme. Ich sollte gute Seife draufschmieren.  Ich sagte,“danke, ich war beim Arzt. Der hat schon das nötige veranlaßt.“ Daß die Leute immer gleich Ratschläge geben müssen, die doch nur auf Pfuscherei hinauslaufen. Wenn man darauf hörte und es passierte etwas, würde doch jeder die Verantwortung ablehnen. Heute haben wir eine große Schüssel Äpfel auflesen können. 
Da schneide ich nachher gleich wieder Apfelringe davon. Entliche essen wir natürlich auch, denn sie schmecken jetzt sehr gut. Fürs Frühstück kochen wir außerdem Apfelmus. Wir haben es doch so gut, nicht wahr? Einige Tage hatten wir jetzt herrliches sonniges und warmes Wetter. Heute ist der Himmel wieder einmal verhängt.  Helga hat mir gerade gesagt, daß der ausgesäte Spinat schön heraus kommt. Das giebt wieder ein gutes Essen. 
Es ist eben doch fein, wenn man einen Garten hat. Dumm ist es nur, daß ich jetzt nichts dran tun kann. Da heißt es Geduld haben, bis ich wieder richtig springen kann.  Laß mich bitte schließen. Ich grüße und küsse Dich recht oft und fest 

Deine Annie.   

Liebes Vaterle! Du sollst auch von mir wieder einmal einen Gruß erhalten. Du weißt doch, daß Mutterle auf dem Liegestuhl liegen muß, und da versuche ich soviel wie möglich ihr zu helfen. Freut Dich das? Viele Grüße und Küsse von 

Deiner Helga. 

Liebes Vaterle! Da Mutterle jetzt nicht aufstehen kann, da wollten wir heute erst einmal eine Reihe Kartoffeln rausmachen. Aber es ist heute gar kein schönes Wetter, dann machen wir es, wenn es wieder schön wird. Viele 1000 Grüße und 1000000 mal 50000000000999 Küsse von 

Deinem Jörg.

Brief 781 vom 18.9.1944


 Mein lieberster Ernst                                                                                 18.9.44

Heute erhielt ich beiliegende Karte von dem MV Oberinspektor Wüstner mit 2 Bildern und dem film von Deinem Bild. Soll ich Dir die Bilder mitschicken? Den Brief von Amtmann Thiel habe ich in einen extra Umschlag getan und schicke ihn heute mit weg.  Viel ist auch heute nicht zu berichten, denn ich tue ja nichts.  19.9. Vorhin bin ich nun zum Arzt gefahren. Einfach war es nicht gerade. Beim aufsteigen kommt man unwillkürlich vorn auf den Fuß und das schneidet wie mit Messern. Nun ist der Fuß wieder verbunden, aber laufen darf ich noch nicht. Bis Freitag, wo ich wieder zum Arzt muß, muß ich wieder auf dem Liegestuhl liegen bleiben. 
Aber man sieht doch wenigstens, daß es besser wird. Helga ist vorhin mit gefahren und hat mir beim absteigen geholfen.  Das Wetter ist draußen herrlich.  Es wäre so schön zum schaffen. Manchmal kann  man ein bißchen ungeduldig werden, wenn ma nur so rumsitzen muß.  Von Dir ist heute keine Post gekommen. Du schreibst ja am 6., daß Ihr am 7. sicher etwas erwarten könnt. Hoffentlich hast Du alles gut überstanden und bist auch weiterhin gesund geblieben. Auch heute Nacht habe ich so schön von dir geträumt.  
 Ich freue mich immer so, daß Helga schon so viel schaffen kann. Wenn ich früher verschiedenes von ihr verlangt habe, aht sie ja manchmal gemault, aber jetzt ist sie selber froh, daß sie es gelernt hat. Wir sind nun doch nicht auf fremde Leute angewiesen, sondern können uns selber durchhelfen.  Froh ist Helga ja schon, wenn sie wieder einmal unbeschwert spielen kann. Aber das wird ja noch eine Weile daueren, so leid es mir tut. Jörg muß natürlich auch manches tun, aber die Hauptlast trägt doch Helga. Sie ist eine kleine Hausfrau.  Nun laß mich wieder schließen. Jörg schafft den Brief nachher fort. Erst muß er aber noch waren, da man nicht genau weiß, ob Alarm kommt. In Südwest ist ein Kampfverband.  Sei recht herzlich gegrüßt und geküßt von Deiner, immer 

Deiner Annie. 

Brief 780 vom 17.9.1944


 Mein liebster Ernst !                                                                                           17.9.44      

Sonntag, ich sitze auf dem Liegestuhl, Helga ist bei Ingrid, Jörg hat bis jetzt gebastelt und geht nun ein bißchen raus. Ingrid war heute Morgen da und hat Helga gesagt, daß sie auf unbestimmte Zeit ein Pflegekind angenommen haben. Es ist 1 Jahr alt. Bisher hatte es Dickreiters, aber da die Frau Gelbsucht hat, hat Resi das Kind genonnem. Da mußte Helga natürlich hingehen. Sie mag ja Kinder so gern.  Ich konnte heute Nacht fast nicht schlafen. Ich habe schrecklich geschwitzt und mir war so heiß. Dazu sind mir die Gedanken im Kopf rum gewirbelt, als hätte ich Fieber. Das muß von der Tetanusspritze kommen, denn um den Einstich herum habe ich seit gestern einen handgroßen roten heißen Fleck bekommen.  Jetzt bei Tag ist es mir wieder wohl.  Heute Morgen haben wir wieder  Apfelringe geschnitten. Bis jetzt haben wir 4 ½ Beutel schon fertig getrocknete. Die jetzt aufgehängten ergeben mindestens wieder ½ Beutel voll. 
Das ist doch ganz schön, nicht wahr?  Am Nachmittag habe ich versucht, ein wenig auf der Ferse zu humpeln. Es ist, mit anhalten, auch gegangen. Ich muß doch ein bißchen trainieren, sonst komme ich doch am Dienstag nicht mit dem RAd fort. Vorhin habe ich den Verband erneuert, da er zu locker geworden war. Die Wunde sieht garnicht schlecht aus. Sie eitert ein wenig, aber nicht sehr. Ich glaube, ich kann wirklich von Herzen froh sein, daß es noch so abgeht.Unser Jörg hat doch heute gebastelt. Er hat seinen Lastwagen getarnt. Erst wolle einfach die Farbe nicht halten. Da hat er sie mit Leim gemischt. Nun geht es besser.  Einen Scheinwerfer für seine Soldaten hat er sich auch zusammengebaut. 
Da kann er sich garnicht davon trennen. Wenn man zum Essen oder zum schlafen ruft, muß man immer erst energisch werden, sonst bastelt er und bastelt er immerfort. Helga nimmt die knappe Zeit, die ihr jetzt immer bleibt, gern ein bißchen zum lesen wahr. Ich kann ihr jetzt beim schaffen wenigstens schon wieder ein bißchen helfen. Abtrocknen, Äpfel schneiden, Soße kochen, das geht schon wieder. Ich sitze natürlich  dabei. Es macht direkt Freude, wenn man nicht mehr so hilflos rumliegt. Während dem liegen lese ich ja jetzt auch mancherlei. Jetzt habe ich mir wieder einmal „Jürnjakob Swehn, der Amerikafahrer“ vorgenommen. 
Es macht mir auch diesmal wieder Freude.   

18.9.  Heute Nacht habe ich wunderbar geschlafen und von Dir geträumt. Das sind die schönsten Nächte, in denen ich Dich sehe.  Die Kinder fahren jetzt einkaufen. Da gebe ich gleich den Brief mit. Das Humpeln geht schon prima.  Ich hab heute Morgen schon mein Bett selber machen können und entdunkeln konnte ich im Schlafzimmer auch schon. Ich bin so froh, daß es so gut vorwärts geht. Du auch? Nun laß dich wieder fest grüßen und küssen von Deiner Annie.

Brief 779 vom 16.9.1944


 Mein liebster Ernst!                                                                                               16.9.44

Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief vom 6.9. Nr. 48. Du bist ja nun wieder ganz im Kriegsgeschehen drin. Leicht ist es bestimmt nicht. Meine Gedanken sind immer bei Dir, denn die Gegend, in der Du bist, wird ja oft im Wehrmachtsbericht genannt. Ich bin so froh, daß ich Deine neue Feldpostnummer jetzt weiß und Dir wieder regelmäßig schreiben kann.   
Die Nummer der Abwicklungsstelle heißt 14920A. Ich werde ihr Deine Fp.Nummer bekannt geben. Ebenso werde ich an Siegfried Papa und Nanni wegen der Nummer schreiben. An Vater werde ich Deine Grüße ausrichten.  Gestern Vormittag hatt ich Dir geschriebwen. Am frühen Nachmittag fuhr Helga in die Stadt. Da sah sie, daß an der Petershauser Schule von unserem Händler Kartoffeln abgeladen und verkauft wurden. Als sie heim kam, ist sie dann mit Jörg gleich mit dem Wagen hingefahren, Das war gegen 4 Uhr. ½ 9 Uhr waren sie wieder daheim. So lange haben sie warten müssen. 
Nun haben sie die Kartoffeln für den vergangenen, den kommenden Kartenmonat und Deine Urlaubskarte bekommen. Für Vater haben sie auch seine mitgebracht.  Apfel fallen jetzt wieder mehr runter. Sie sind auch bald reif.  Mal sehen, wie ich sie dieses Jahr runter bekomme. Wenn ich nur erst wieder ein bißchen rumhumpeln kann. Dann ist alles besser. Dann kann ich überall dabei sein und wenigstens sagen, was gemacht werden soll. jetzt sammeln wir einstweilen die Äpfel und ich schneide Apfelringe und mache Apfelmus. 
Um die anderen Sachen kann ich mich einstweilen wenig kümmern, aber das wird ja bald wieder anders. Weh tut der Fuß ja nicht mehr so sehr.  Jörg ist jetzt in den Dienst gegangen. Helga schafft den Brief weg und besorgt noch einiges. Dann wird auch diese Woche wieder herum sein.  Inzwischen habe ich nun schon an die Abwicklungsstelle, an Papa und Siegfried geschrieben und Helga nimmt die Karten mit. An Nanni schreibe ich noch, da weiß ich die Postleitzahl nicht genau.  Wenn man nur so rumliegt oder sitzt, weiß man garnichts zu schreiben. Du wirst mir deshalb doch sicher nicht böse sein, wenn ich jetzt den Brief schließe. Nicht wahr, mein lieber Ernst, bist lieb?  Bleib immer gesund. Meine besten Wünsche sind ja immer bei Dir. Laß Dich recht oft und innig grüßen und küssen von 

Deiner Annie.

Brief 778 vom 12.9.1944 (a - c)


                                                                                                                        12.9.

Heute erhielt ich Deinen lieben Brief Nr. 45 vom 31.8. und Helga ihren Geburtstagsbrief, beide abgestempelt am 8.9. Vielen Dank für die mitgesandte Urlauberkarte. Du mußt ja manches Elend in K. gesehen haben. Man kann wirklich froh sein, wenn man noch mit den Kindern ruhig leben kann.  Mit Vater haben wir ausgemacht, daß er mit Jörg morgen 10,45 über den See nach Zwetschgen fährt. Er holt Jörg ab.  Ich bezw. Helga hatte alles vorbereitet zum fortfahren. Gegen 10 Uhr kommt Vater und sagt, er habe sichs überlegt. Vielleicht gingen sie lieber morgen. Er habe erst noch nach Kartoffeln gefragt und dann habe er Kohlen bestellt.  Nun sei es doch schon zu spät. Ich habe mich erst mächtig geärgert. Vater will natürlich eine Masse Körbe usw. mitnehmen, damit sichs „lohnt“. Billig solls auch sein. Ich weiß garnicht, ob ich Jörg mitgehen lasse, denn soviel kann er auch nicht tragen und andernfalls muß ich es wieder jahrelang hören, daß Vater sich wegen mir mit abgeschleppt hat.

                                                                                                                         14.9.

 Ich habe gestern mit Vater noch gesprochen. Er würde nun allein gehen. Aber heute ist Regenwetter.  Vorhin war der Arzt da. Er sagte, daß es eben sehr schwierig sei, bis hier heraus zu kommen, wegen dem Benzin. Aber ich habe früher auch immer den Weg zu ihm gefunden, so werde er auch sehen, es möglich zu machen. Er ist mit der Wunde zufrieden. Verheilt ist natürlich noch nicht. Als ich fragte, wann ich wieder richtig laufen könnte, meinte er, dafür könne er mir keine Garantie geben. Ich sollte erst einmal froh sein, daß ich ums Krankenhaus herumgekommen sei.  Nächsten Dienstag sollte ich versuchen, ob ich mit dem Rad zu ihm reinfahren könnte zum verbinden. Bis dahin muß ich noch liegen bleiben. Du siehst, ich führe ein ganz faules Leben. Aber ich habe ja noch Glück gehabt, daß es richtig verheilt. Nun brauchst Du Dir ja auch keine Sorgen zu machen, wenn Du diesen Brief erhältst.  Ich habe den Arzt auch gefragt, was das für Zeug ist, was ich am Knie bekommen habe. Die braunen Flecke sind nämlich noch da und überall hatte es noch Bläschen gegeben. Jetzt blättern diese ab. Dr. Bundschuh sagt, das kommt von blühendem Seegras oder Heu. Bei mir wird es ja das erstere gewesen sein. Übrigens ist Dr. Bundschuh jetzt wieder sehr nett, sodaß man Zutrauen zu ihm haben kann. Was damals mit Jörg nur in ihn gefahren war? Übrigens hat Jörg am Samstag gesehen, daß er (Dr.B.) immer noch eine Metallweste trägt. Er hatte sich doch mal die Rippen gebrochen. Dabei zu schaffen, muß ja auch nicht gerade schön sein.  Immer wieder hört man jetzt im Wehrmachtsbericht, daß bei Lomscha Kämpfe stattfinden. Gerade dort, wo Du bist. Wie hart wirst Du es wohl jetzt haben? Ich denke immer an dich.  Vorhin erhielt ich Deinen lieben Brief Nr. 47 vom 4.9. mit der neuen Feldpostnummer. Ich habe gleich die zwei ersten Teile dieses großen Briefes, den ich bisher geschrieben hatte, in Umschläge getan und weggeschickt, bezw. die Kinder haben sie auf die Post geschafft.  Deinen Brief hast Du unterwegs zu Deiner Einheit geschrieben, als Du schon wieder im Kampfbereich warst. Die schwere Zeit fing schon wieder für Dich an. Wie froh bin ich doch, daß Du mit Freude an die Urlaubstage zurückdenken kannst und daß sie auch Für Dich eine schöne Zeit waren. Welches glück war es doch, daß Du Urlaub bekommen hast. Jetzt kommt es einem erst noch mehr zum Bewußtsein, nachdem Du die anderen Kameraden getroffen hast, die vom Lazarett aus direkt wieder an die Front mußten. Uns kann aber niemand die wunderschönen Tag wegnehmen, die wir erlebt haben. Darüber bin ich unendlich froh.


                                                                                                                               15.9.

Gestern Abend kam Vater noch ¾ 9 Uhr herauf. Die Kinder waren schon ausgezogen. Er brachte uns noch ca. 5 Pfund Pflaumen, damit wir die wieder haben, die wir ihm gegeben hatten, als Helga fortgefahren war. Er war in Daisendorf gewesen. Um 9 Uhr ist er wieder heim gegangen.  Von heute Morgen ist noch nicht viel zu berichten Ich liege ja immer noch faul herum, jetzt auf dem Liegestuhl in der Küche, Helga und Jörg schaffen. Einige kleine Sachen  kann ich ja schon helfen, wenn ich dabei nicht aufstehen muß. Aber das wird auch bald wieder besser.  Die Kinder schaffen diesen Brief auch nachher gleich fort, damit Du ihn recht bald beskommst.  Bleib gesund, mein liebster, bester Ernst. Laß Dich grüßen und oft, recht oft küssen von Deiner Annie.

Brief 777 vom 7.9.1944 a - f


                                                                                                                             7.9. 

 Mein liebster Mann! Nun ist auch mein Geburtstag heran gekommen. Gleich früh haben mir die Kinder beschert. Gewünscht haben sie mir Gesundheit und daß Du vor allem gesund wieder heim kommst. Das letztere ist auch mein größter Wunsch.  Geschenkt haben sie mit 1 Brettrost zum Draufstehen, Türdichtungsstreifen aus Filz, Leuchtplaketten, blaue Holzknöpfe, Aufklebestreifen für Schulhefte, schwarzes Einschlagpapier für Hefte, buntes Glanzpapaier, 1 kl. Beutelchen, 1,26 M, 1 Mittel gegen Kesselstein, 1 Scherzbarometer mit 1 Strick dran. Du wirst es sicher kennen. Wenn der Strick trocken ist, scheint die Sonne, wenn er naß ist, regnet es usw.  Zum Frühstück hatte ich einen Kuchen gebacken.  Helga ging wieder zum Tee sammeln und Jörg spielt im Hof. Ich fuhr in die Stadt und habe den entwickelten Film abgeholt. Schade, daß ich jetzt keine Abzüge davon bekommen kann. Die Bilder wären schön. Auf dem Heimweg habe ich beim Gemüsegeschäft Zwetschgen geholt. Da ich auch noch vom Sommer her einmal Nummern zugut hatte, bekam ich 18 Pfund Zwetschgen. Da habe ich gleich meine restlichen Gläser damit gefüllt und sterilisiert. Die anderen haben wir zum Abendbrot gegessen. Ich bin heute früh gleich noch zu Vater hingefahren und habe auch für ihn die Zwetschgen besorgt, sonst kommt er doch immer zu spät hin. Am Nachmittag gab Herr Gauggel mir Bescheid, daß ich nach 5 Uhr drei WAgen Mist holen könnte.  Ich bin einstweilen noch in den Garten gegangen und habe an dem schrägen Stück die Erdbeeren ausgeputzt. Ich wollte es auch noch umgraben, aber da fing es an zu regnen.  Ich bin rauf gegangen und habe an Papa, Siegfried und Erna geschrieben. Nach 5 Uhr bin ich mit Helga Mist holen gefahren. 3 Wagen habe ich bekommen und weitere drei soll ich in ca. 14 Tagen holen. Dann habe ich wenigstens etwas da. ½ 8 Uhr waren wir mit holen und mit Wagen waschen fertig. Inzwischen haben wir gegessen und die Kinder sind im Bett. Ich gehe auvh bald, denn ich bin recht müd geworden. 

                                                                                                                                  8.9.

Ich bin gleich schlafen gegangen. In der Nacht hatten wir ¼ Stunde lang Alarm. Die Flieger waren in Karlsruhe.  Heute Morgen habe ich die Erdbeeren noch umgegraben. Dann bin ich mit Jörg losgefahren. Wir haben zuerst Lumpen und Papier in die Schule geschafft, dann sind wir zum Kohlenhändler gefahren und haben 3 Sack Holz geholt. Das habe ich am Nachmittag eingeschichtet.  Ernst, ich muß Dir was schreiben. Ich will ab Montag wieder mit nähen gehen anfangen. Sei bitte nicht böse, aber ich kann nicht daheim sitzen, wenn alles so auf Entscheidung drängt und alles schafft. Du kennst mich ja, ich bin nun mal so. Ich schäme mich, wenn ich so daheim sitze.Ich schicke Dir nun den dritten Teil des Briefes, den ich bisher geschrieben habe. Der Brief wird sonst zu schwer.  Vorhin erhielt ich gerade Deinen lieben Brief vom 4.9. mit der neuen Feldpostnummer. Da sollst Du nun nicht mehr unnötig wart en. Aus Deinem Brief ersehe ich, daß Du es doch schon wieder ziemlich hart hast. Bleib mir gesund, Du mein liebster, bester Ernst. 


Mein liebster Ernst!                                                                                                       9.9.

Wochenende und eine große Freude. Ich erhielt Deinen lieben Brief Nr. 46 vom 1.9. Die Nummer 45 fehlt noch. Eines trübt mir die Freude, daß Du nun schon wieder an der Frotn stehst und gerade an gefährlicher Stelle, denn gerade am Narew wird am meisten gekämpft. Den Zeitungsausschnitt habe ich gelesen und er hat mich sehr interessiert. Wenn es so käme, wie der schreibt, wäre es schon gut. Hoffnung haben wir ja alle noch.  Du erinnerst an unseren Hochzeitstag. Daran denke ich auch so gern, vor allem, weil die darauf folgenden Jahre so schön und ohne Enttäuschungen waren. Ich war mit Dir wirklich „nicht gerade unglücklich“ wie Du schreibst, sondern froh und glücklich. Ich bin jetzt wie am ersten Tag froh, daß ich Deine Frau bin. Ein schöneres Los kann ich mir nicht vorstellen.  Ich war heute die meiste Zeit im Garten. Am Morgen habe ich im großen Garten die Erdbeeren ausgeputzt und um gegraben. Am Nachmittag habe ich das Stück nochmals mit Mist umgegraben, welches Du schon umgegraben hattest. DArauf habe ich die 2 Reihen Erdbeeren gesetzt.  Jörg hatte am Nachmittag Dienst. Zu Helga kam ihre Freundin Hilde und fragte, ob sie mit nach Meersburg Zwetschgen holen ginge. Helga war Feuer und Flamme. ¾ 8 Uhr kam sie heim mit 23 Pfund Zwetschgen. 4,20 M hat sie bezahlt. Sie sind bis Stetten gelaufen, ehe sie was bekommen hatten. Auf dem Land werden sie ja direkt überlaufen. Die Wollmatingerstraße lang nach Wollmatingen zu fuhr 1 Rag nach dem anderen mit Körben. Als Jörg vom Dienst heim kam, habe ich ihn zum Kartoffeln auflesen mit angestellt. Ich hatte einen Eimer voll raus gemacht. Jetzt haben wir ca. 110 Pfund geerntet. Zuletzt hat Jörg noch den mist mit Erde abgedeckt. Als ich ihm dann sagte, er möchte mir nochmals die Gabel geben, wirft er sie mir vor lauter Übermut zu und in dem Moment habe ich auch schon aufgeschrien, denn ein Zinken der Gabel war mir durch den Fuß gefahren. Zuerst ist sie durch den Gurt der Sandalen, dann durch meinen Fuß und dann ins Holz der Sandale. Ich bin auch gleich rübergehumpelt. Jörg ist gleich zu Dr. Bundschuh gefahren und hat gefragt, was ich machen soll. Er hat gleich einen Balsam und eine Binde mitbekommen.  Jetzt um 10 Uhr ist Dr.  Bundschuh noch gekommen und hat mir eine Spritze gegen Wundstarrkrampf gegeben. Außerdem muß ich morgen ins Bett, da es sonst schlimmer werden könnte. Da muß ich wohl folgen, nicht wahr? Für heute gute Nacht, mein liebster Ernst!


 Mein liebster Ernst !                                                                                               11.9.44

Gestern habe ich einmal nicht geschrieben. Mein Fuß hat mir ziemlich weh getan. In der Nacht von Samstag zum Sonntag ist mirs mal eine Weile elend schlecht gewesen. Ob das von der Spritze kam. Vorhin war der Arzt da. Er war ganz zufrieden mit dem Aussehen der Wunde. Nur weh getan hat es, wie er dran rum gedrückt hat. Ich muß weiterhin im Bett liegen. Vollkommene Ruhe für den Fuß ist das Wichtigste, hat der Arzt gesagt.  Großvater hat ja einen großen Zorn auf Jörg gehabt, daß er das gemacht hat. Ich habe ihm aber gesagt, er soll ihm keine Vorwürfe machen. Gern hat ers ja nicht getan. Angst hat er ja auch genug ausgestanden, als er sah, daß mein Fuß mit dem breiten Zinken der Gartengabel durchstochen war.  Das nächst Mal wird er sich sicher vorsehen.  Am Nachmittag hat mich Resi besucht. Sie hat seit dem 13.8. keine Nachricht mehr von Fritz.  Unsere Kinder haben heute die 14 Ztr. Briketts, die wir bekommen haben, ganz allein im vorraum aingeschichtet. Helga hält in der Wohnung fleißig alles in Ordnung. Sie ist heute aber auch zm umfallen müd. Ich bekam heute Deinen lieben Geburtstagsbrief vom 31.8. Abgestempelt ist er am 6.9. Das kam sicher durch den Angriff. Es ist wohl schade, daß ich ihn nicht am Geburtstag bekommen habe, aber wir willen froh sein, daß es uns sonst noch gut geht. Ich habe mich auch heute noch sehr über Deinen lieben Brief gefreut. Auch ich hoffe ganz fest, daß wir den nächsten Geburtstag zusammen verleben können. Vielleicht haben wir bis dahin doch ein siegreiches Kriegsende erreicht.  Wie mich die Kinder erfreut haben, das habe ich Dir ja schon geschrieben. Nun willst Du mich auch noch beschenken und mir 40. Mk geben. Das ist doch eigentlich zu viel. Zum Hochzeitstag schon etwas und nun noch dies. Ich weiß aber, daß Du es mir gern giebst und so danke ich Dir sehr dafür. Nötig wäre ein Geschenk nicht gewesen, denn Du hast mir das größte Geschenk damit gemacht, daß Du wieder zwei Wochen hier warst. Es war so eine schöne Zeit.  Ich werde auch im kommenden Lebensjahr versuchen, mich gut zu halten und den Kopf oben zu halten, wie es Dein Wunsch ist.  Für die Küsse in rauhen Mengen danke ich Dir. Ich kann sie immer gut gebrauchen von Dir.

Briefe 776 (a-f) vom 31.8.1944


Mein liebster Ernst !                                                                                                   31.8.

 Wieder ist ein Tag vorbei, ein Regentag. Der Regen, der erst gefehlt hat, kommt jetzt mit Gewittern. Durch den fehlenden Regen haben wir wenigstens schöne Urlaubstage gehabt. Wie gern erinnere ich mich daran. Wie haben wir beim baden alle Farbe bekommen. Wie sind wir mit dem Ball herum gesprungen. Beim probieren des Handstands habe ich mir mal den Kopf angeschlagen, daß er brummte. Aber das machte alles nichts, die Freude überwog doch, daß ich endlich auch tauchen konnte. Das macht mir auch jetzt noch Freude. Bei dem jetzigen Wetter ist es mit dem baden ja sowieso aus. Heute habe ich mir wieder einmal Näharbeit vorgenommen. Ich habe Helgas gestreiften Rock ausgebessert und den blauen etwas kürzer gemacht. Außerdem habe ich verschiedenes ausgebessert. Am Nachmittag habe ich geputzt, da ich morgen wasche. Mit dem Mistholen ist es noch nichts. Ich soll nächste Woche nochmals nachfragen.  Von Frau Frick kam ein Brief. Sie hat dabei eine ganze Karte mit 2000 g Weißund 1000g Schwarzbrotmarken mitgeschickt. Freust Du Dich darüber? Es ist nur schade, daß sie erst jetzt kam und Dir dadurch nicht mehr zugute kam.  Während ich hier schreibe, regnet es, was nur vom Himmel will. Hoffentlich hast Du dort nicht so schlechtes Wetter. Da wärst Du ja bald durchweicht und müßtest in den nassen Sachen herumstehen oder liegen.

                                                                                                                                    1.9.

Unser Hochzeitstag. Wo wirst Du ihn verlebt haben und wie? Ob Du wohl Zeit gehabt hast, einmal an diesen Tag zu denken? Ich habe öfter daran gedacht und im Geist mit Dir gesprochen. Wie schnell sind doch die 13 Jahre vergangen, in denen wir verheiratet sind. Es waren schöne Jahre, das können wir doch wohl sagen. Vor allem natürlich die, in denen wir zusammen sein durften. Wir sprachen ja schon vor Deiner Abfahrt einmal von diesem Tag . Ich kann nur immer wieder sagen, ich bin sehr glücklich, daß ich Deine Frau bin.  Wenig feierlich ist zwar dieser Tag vorbei gegangen, denn ich hatte von morgens bis abends Wäsche. Aber darauf kommt es ja nicht an, meine Gedanken waren ja immer bei Dir.

                                                                                                                                         2.9.

Nun ist die Woche schon vergangen. Du wirst wahrscheinlich schon wieder bei Deiner Einheit sein und wirst es schwer haben. Man darf sich das garnicht so richtig vorstellen, sonst kommt man sich so ohnmächtig vor, wenn man hier ist und nirgends helfen kann. Ich hoffe nur immer wieder, daß Du gesund bleibst. Darum gehen auch meine Gedanken immer mit guten Wünschen zu Dir.  Das Wetter hatte sich heute etwas aufgeheitert. Ich habe gleich meine Wäsche aufgehängt und bekam sie auch trocken, ehe das nächste Gewitter kam und es wieder regnete. Das tut es nun auch jetzt noch. Ich habe mir heute ein Buch von Peter Rosegger geholt. „Waldheimat I Band das Waldbauernbübel“ Es ist sehr schön. Ich lese Rosegger Bücher ja sowieso gern.  Kartoffeln konnten wir heute 10 Pfund bekommen. Auch sonst habe ich allerhand Seltenheiten erhalten, wie Suppenwürfel, Backpulver, Vanillinzucker, Streichhölzer. Ich kam mir vor wie bei einer Weihnachtsbescherung.  Äpfel fallen jetzt augenblicklich nicht so viel herunter. Es gibt nur eine kl. Schüssel Apfelmus. Aber zum Frühstück langt es. Geld habe ich heute auch geholt. Diesmal wird wieder WHW abgezogen. Abgehoben habe ich 210 Mk, auf dem Konto habe ich zur sofortigen Verwendung noch 100,16 Mk stehen. Die kann ich also jederzeit abheben.  Vor einigen Tagen haben wir uns mal gewogen. Helga wiegt 94 Pfund, Jörg 71 Pfund und ich 138 Pfund.

                                                                                                                                         3.9.
Liebster, liebster Ernst ! 

Der erste Sonntag wieder ohne Dich. O, er ist nicht so festlich und feiertäglich wie der vorherige. Wir dachten da zwar auch schon an den Abschied, aber doch haben wir immer wieder diesen Gedanken beiseite geschoben. Früh hattest Du Deine Sachen eingepackt und dann noch verschiedene Bücher und Deine Briefmarken angesehen. Beim Mittagessen waren wir in der Stube vereint, Du lächeltest als ich Dich fragte, ob es Dir schmeckt und sagtest zu den Kindern: Gel, heute hat sich Mutterle wieder mal angestrengt.“ Am Nachmittag waren wir nochmals baden.  Es war so schön mit Dir zusammen. Als wir heim kamen, haben wir noch Kuchen gegessen. Ich sehe alles noch so deutlich vor mir. Heute sind wir nun wieder allein und ich habe Heimweh nach Dir. Am besten wäre es wohl, fest zu schaffen, aber es geht nich so gut. Vom schaffen, besonders von der Wäsche, habe ich tüchtiges Rückenweh.  Da muß ich einmal ausspannen. Aber gerade dieses ausruhen läßt mir das Alleinsein stärker zum Bewußtsein kommen. Ein richtiges wunschloses ausruhen ist ja nur möglich, wenn Du da bist. Sonst treibt mich eine Unruhe immer herum. Den Frieden meiner Seele nimmst Du stets mit fort. So soll es auch bleiben, bis Du zu uns zurück kehrst, denn nur mit Dir zusammen ist alles vollendet. Du wirst wahrscheinlich überhaupt nichts vom Sonntag merken. Vielleicht dauert es nicht mehr gar so lang, bis ich Deine neue Feldpostnummer weiß, dann kann ich ja diesen Brief gleich an Dich wegschicken, damit Du auch wieder Nachricht von uns hast.  Seit Du fort bist, ist kein Badewetter mehr gewesen. Heute ist es sogar richtig kalt geworden. Ohne Jacke kann man draußen garnicht herumlaufen. Dazu ein Wind, daß sich die Bäume biegen.

                                                                                                                                                   4.9.

Eine neue Woche. Ob ich wohl bald Post von Dir bekomme? Oder ob diese bei dem Angriff auf Königsberg mit verloren gegangen ist? Ich werde abwarten.  Gestern Nachmittag und Abend hatte ich mich auf den Liegestuhl gelegt. Ich hatte so Rückenweh. ½ 11 Uhr ging Vater heim und ich bin gleich ins Bett gegangen. Ich war so übermüd und konnte doch nicht schlafen. Es war scheußlich. In der Nacht hatte dann die Schweiu noch einige Male Alarm. Da hat man gespannt, ob wir auch bekämen. Aber es blieb ruhig. Gestern Vormittag hatten wir auch Alarm. Während des Alarms kamen schon die Flieger über uns hinweggeflogen. Sie kamen direkt aus der Schweiz.  Nun hat uns Finnland also auch verlassen, ebenso eigentlich auch bulgarien, nachdem sie eine nach links gerichtete Regierung haben. Nun sind wir ganz auf uns gestellt. Es wird sicher ein schweres Durchbeißen werden. Aber geschafft muß es doch werden. Ehe nicht alles verloren ist, verliere ich nicht den Glauben an den Sieg.  Gerade erhielt ich Deinen lieben Brief vom 30.8. Ich bin so froh, daß ich erst einmal weiß, daß Du dem Terrorangriff entgangen bist. Ich dachte mir schon, daß Ihr wahrscheinlich bei den Aufräumungsarbeiten helfen müßt.  Heute Nacht habe ich von Dir geträumt. Wir wollten Dich wieder ein Stück mit der Bahn begleiten und wieder ging es nicht. dAs war herb. Aber so habe ich Dich doch wieder gesehen und mit Dir gesprochen.  Heute Morgen waren nur 5 Grad Wärme. Gel, das hat schwer abgekühlt.  Für den morgigen Geburtstag habe ich einen Apfel und einen Napfkuchen gebacken.  Helga freut sich schon mächtig. Jörg hat Helga zu den Geschenken, die Du schon gesehen hast, 1 Federhalter und 2 Broschen aus Holz gekauft. Dazu hat er ihr eine Pfeife aus einem Holz und einer Kastanie gemacht, sogar den Kastanientabak dazu. Außerdem hat er noch ein Kastanienmännchen mit einem silbernen Helm auf den Geburtstagtisch gestellt. Bei allem stehen noch 2 Sträuße und 1 Kerze mit einem roten Band kreuzweise umwunden auf dem Tisch. Die Kerze in dem Ständer aus Charkow. Helga muß morgen erst um 9 Uhr zur Schule. Da kann man vorher noch in Ruhe bescheren. 

                                                                                                                                                 5.9.

Geburtstag! Welch herrliches Wetter für Helga. Gleich um 6 Uhr sind wir aufgestanden. Ich hatte schon gestern alles vorbereitet, sodaß ich nur noch die Kerze anzünden mußte Helga war sehr erstaunt, daß sie soviel geschenkt bekam. Ich habe ihr noch ein Buch geschenkt, das ich früher mal gekauft hatte. Es heißt „Das schnelle Schiff“. Es sind mehrere Geschichten drin. Das hat ihr viel Freude gemacht und sie liest schon fest. Am Nachmittag kam Ingridf und Hilde, Helgas Schulfreundin. Ingrid brachte 1 Pinsel, Löschpapier, 1 gr. und kl. Block, 1 Skizzenblock, Aufklebezettel für Hefte, Hilde brachte 1 Strauß Astern und 2 Stück Torte bezw. Kuchen. Wir haben zusammen Kuchen und Pudding gegessen. Hinterher haben wir Spiele gemacht und die Kinder sind alle sehr lustig geworden. ½ 7 Uhr haben wir Schluß gemacht.  Jörg mußte heute Morgen einmal in die Schule. Es wurde ihnen gesagt, daß sie Tee suchen müssen.  Helga hat morgen ihren letzten Schultag, dann wird auch ihre Schule geschlossen. Nur das Gymnasium bleibt noch offen von allen Schulen.  Dein Brief an Helga ist leider noch nicht angekommen. Von Papa und Lotte kam eine Karte für Helga und 1 Brief für uns.  Vielleicht werde ich meinen Grundsätzen noch einmal untreu und gehe noch einmal ins Kino. Aber nur, weil es ein Film ist, den Du schon gesehen hast und von dem Du sagtest, er sei sehr gut. Es ist „Träumerei“

                                                                                                                                                    6.9.

Ich finde, daß ich meinen Grundsätzen eigentlich nicht untreu geworden bin. In dem Film habe ich mich nicht unterhalten, sonder ich war ergriffen von dem Schicksal des Robert Schumann. Gewußt habe ich ja schon davon, aber bildlich dargestellt kommt einem die Schwere mehr zum bewußtsein. Es ist ein hervorragender Film.  Als ich heim kam, haben wir erst Abendbrot gegessen. Dann habe ich das Waschhaus geputzt und hinterher bin ich in den Garten gegangen und habe wieder verschiedenes gehackt. Spinat habe ich auch gesät. Zuletzt habe ich das untere Beet Erdbeeren ausgeputzt und umgegraben. Jetzt kann ich mich auch wieder besser bewegen.  Am Körper hatte ich gleich neben der aufgerissenen Haut (die übrigens verheilt ist) ein richtiges Blutgeschwür bekommen. Es war kein richtiges Furunkel, sonder ganz blaurot und es kam dunkles Blut heraus. Es ist jetzt am Verheilen.  Der Brief von Dir an Helga ist leider auch heute nicht angekommen. Es kam nur eine Karte von Erna und von Siegfried an Helga und von Siegfried an mich. Morgen muß ich unbedingt wieder mal an alle schreiben. Sie haben ja schon lange warten müssen.  Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Dir bald schreiben könnte. Aber es wird wohl noch eine Zeitlang dauern, bis ich Deine neue Nummer bekomme. Vielleicht hast Du mir inzwischen nochmals von Königsberg aus geschrieben. Ach Ernst, liebster, bester Ernst, wie war es doch schön, als Du hier warst. Du bist unser Allerliebster. 

Briefe 775 a + b vom 28.8.1944


 Mein liebster Ernst !                                                                                          28.8.44

Nun ist auch dieser Urlaub vorbei. Es waren wieder so schöne Tage, die wir verleben durften. Du weißt, daß ich alles tun würde, um Dich hier zu behalten. Aber es geht ja nicht, wir müssen diesen Kampf durchkämpfen. So sollst Du wissen, daß ich immerzu an Dich denke. Belib uns gesund und denke vor allem daran, Dich draußen zu schützen. In freien Minuten werden Deine Gedanken ja doch bei uns sein. Nun kann ich Dich nur noch grüßen und Dir sagen, daß ich Dich unendlich lieb habe. Du bist mein größtes Glück.  Behalte uns alle lieb. 

Deine Annie.  Komm gesund heim ! 

Mein liebster Ernst !                                                                                Konstanz 28.8.44

Wir haben vorhin voneinander Abschied nehmen müssen. Wir hoffen ja, daß es nicht für sehr lange Zeit ist, damit wir uns alle gesund wieder sehen.  Ein Abschied ist immer so hart. Welch glückliche Zeit war es doch, als wir früher jahrelang zusammen leben durften.  Dankbar wollen wir auch sein, daß wir jetzt wieder vierzehn Tage zusammen verleben konnten. Weißt Du noch, wie Du am Sonntag kamst? Es klingelte und klingelte. Ich wußte erst garnicht, was ich tun sollte. An der Haustür traute ich mich garnicht raus zu schauen. Dann war es doch Wirklichkeit, Du warst da. Wie schnell sind die Kinder aus den Betten gesprungen. Und dann hatten wir gleich noch den ganzen Sonntag vor uns. Wie haben wir uns mächtig gefreut.  Weißt Du noch, wie wir Pilze geholt haben ? Und wie wir eingeregnet sind? Aber es war doch ein schöner Tag. Auch unser Spaziergang im Wald war schön. Wie hat sich Jörg über die Krause Glucke gefreut. Und dann die herrlichen Badetage.  Welch herrliche Erfrischung war das immer. Das Tauchen hat Jörg und ich nun auch noch gelernt. Weißt Du noch, wie Du und ich gestern unter Wasser an einander vorbei geschwommen sind und dann ganz verdutzt dastanden? Es sind wieder so viel Erinnerungen, die wir an diesen Urlaub haben, wunderschöne Erinnerungen. Und wie Du mit den Kindern am ersten Samstag mit den vielen, vielen Pflaumen kamst. Ich habe mich mächtig gefreut. Wir haben davon gebacken, Kompott gekocht und auch so gegessen. Wie viel Apfelmus haben wir gekocht und Apfelringe geschnitten und getrocknet. Die ganze Wohnung hing voller Girlanden. Ich werde nun diese Arbeiten einstweilen allein weiterführen müssen. Vielleicht bist Du nächsten Herbst für immer bei uns daheim. vorerst haben wir ja noch eine schwere Zeit vor uns.   
Weißt Du noch, wie Du die Kinder abends per Eisenbahn ins Bett gebracht hast? Ich konnte manchmal nicht richtig pfeifen, wenn ich Dich anschaute vor allem nicht. Du lachtest dann so lieb. Einmal hat die Lokomotive sogar gehinkt. Welche Freude war das immer abend und wie schön war es, wenn Du vorgelesen hast. Die ganze Familie saß so friedlich zusammen.  Gerade jetzt wirst Du in Villingen sein, es ist 10,40.  Du sorgst immer dafür, daß wir solche herrliche Urlaubserinnerungen haben.  Jetzt ist es gleich 1 Uhr. Im Geist habe ich Dich auf Deiner Fahrt weiter begleitet. Von Villingen nach Triberg, nach Hausen, nach Offenburg. Von dort bist Du nun auch weiter gefahren. Jetzt müßtest Du in Appenweiher gewesen sein.  Ich kann es noch garnicht fassen, daß Du, mein liebster bester Mann, wieder fort bist. Immer meine ich, Du müßtest zur Tür herein kommen. Es könnte nicht sein, daß Du nicht hier bist. Hier liegen noch Deine Sachen. Es ist, als seist Du nur einmal in den Garten gegangen und kämst gleich wieder. Und doch weiß ich, Du bist fortgefahren. Es ist so schwer. Ich weiß gar nicht, was ich vor Unruhe tun soll.  Vorhin war ich mit Jörg im Garten. Zuerst haben wir Brombeeren geholt, dann die Ranken verschnitten, hinterher die Äpfel aufgelesen. Es hat wieder einen Eimer voll gegeben. Vorhin habe ich noch Helga‘s Rad repariert. Im Schlauch steckte ein Stückchen Holz, wie ein kleines Ästchen. Soeben waren wir alle  Helga ist inzwischen heim gekommen  im Garten und haben 10 Pfund Tomaten gepflückt. Nun werden wir bald essen. Wir haben noch Reste von gestern. Kartoffeln, Rotkraut und Soße.  Der Himmel hat sich heute ganz bezogen. Nun fängt es an zu regnen. Helga sagte, das Wetter weint auch, weil Vaterle fort ist. Ach Ernst, mir ist alles so verleidet, seit Du nicht mehr hier bist. Bleibe nur immer gesund und komm wieder Ernst, komm wieder, komm wieder.  Es ist jetzt gleich 3 Uhr. vorhin hat es uns keine Ruhe gelassen, wir sind zum Bahnhof gegangen und haben uns die Zeiten und einzelnen Stationen aufgeschrieben, an denen Du vorbei fährst. Danach hast Du garnicht lange Aufenthalt in Karlsruhe gehabt, sondern konntest bereits 14,35 weiterfahren. In Königsberg bist Du morgen bereits um 13,39. Aber wir haben nachgesehen, es fährt kein anderer Zug dorthin. Wie schade, daß ich Dir keine Marken mitgegeben habe. Evtl. hättest Du Dir doch etwas zu essen kaufen können. Aber man vergißt ja immer etwas. _ Vorhin fing es an zu regnen und der Himmel war schwarz. Jetzt hat es sich wieder aufgeklärt und mit dem erwarteten Regen ist es nichts geworden, denn die paar Tropfen gelten ja nicht.  Es ist jetzt gleich ½ 5 Uhr. Lieber Ernst, es hilft alles nichts. Wir müssen noch eine Weile aus dem Haus. Es drückt uns fast das Herz ab, alles arbeiten hilft nichts. Ich hätte Dir so gern die Freude gemacht und hätte viel Äpfel geschält. Sei mir nicht bös. Ich kann es jetzt nicht, gewiß nicht.  Nun ist es ½ 8 Uhr geworden und wir sind gerade heim gekommen. Wieder ist es so einsam hier. Jörg hat sich am ehesten in alles gefunden. Er bastelt wieder und ist am frohesten. Wir haben vorhin verschiedenes eingekauft. Auch die 4 Eier auf Deine Karte habe ich bekommen. Von der Molkerei haben sie uns zum Kaufmann Heilig geschickt, der hatte welche. Konnten sie uns das nicht auch am Samstag sagen, da hätte ich sie Dir mitgeben können. Beim Tengelmann bediente mich wieder die Verkäuferin, die wir nicht leiden können. Da aber auch die Frau Heß im Laden war, habe ich die wegen Süßstoff gefragt und auch eine Packung bekommen. Ich einem Geschäft, in dem wir garnicht danach fragen wollten, bekamen wir eine Schachtel schwarzes Schuhcreme.  Unsere Filme bin ich auch los geworden, aber sie können einstweilen nur entwickelt werden. Zu Abzügen haben sie kein Papier. Aber da kann ich ja immer wieder nachfragen.  Ja lieber Ernst, nun ist es wieder einsam bei uns geworden. Deine frohe Gegenwart fehlt uns so sehr.  Ehe ich jetzt schlafen gehe, es ist ¼ 10 Uhr, grüße ich Dich von ganzem Herzen. Ich werde mir zu verschiedenen Zeiten den Wecker stellen, denn wahrscheinlich wirst auch Du an den verschiedenen Stationen munter sein. Bleib gesund, lieber Schatz!  29.8 Die Nacht ist vorbei. Ich war munter, als Du in Sangerhausen, Berlin warst, oder doch sein solltest. Um 3 Uhr habe ich die Luftlagenmeldung gehört. Es befanden sich aber glücklicherweise keine Flugzeuge über dem Reichsgebiet, als Du in Berlin warst. Nun bist Du schon in Schneidemühl gewesen und fährst nach Dirschau weiter, immer weiter von uns weg.  Der ersehnte Regen ist nun doch noch gekommen. Es regnet jetzt, was vom Himmel runter will. Wir haben auch gleich alle Blumentöpfe rausgestellt, damit die Pflanzen gut wachsen.   Nachher will ich gleich wieder fleißig sein und Äpfel schälen und schneiden, damit Du dich freuen kannst. Ich selbst habe bis jetzt noch nicht die richtige Ruhe zum schaffen, aber ich werde mich ja wieder daran gewöhnen. Von Papa und Lotte kam gestern eine Karte, daß sie am Montag, also gestern, wieder heimfahren würden. Sie wünschen Dir alles Gute und daß Du gesund zu uns zurückkehren möchtest. Das ist ja auch unser innigster Wunsch, das weißt Du ja. 30.8. Mein liebster Ernst! Gestern Abend kam ich nicht mehr zum schreiben. Ich will Dir vom gestrigen Nachmittag berichten. Es wurde doch ein jugendfreier Film gespielt. In den bin ich mit den Kindern gegangen. Ich hatte wohl die ganze Zeit geschafft, aber ich war noch so unruhig. Um 2 Uhr sind wir fort gegangen.  Also nachdem Du wahrscheinlich in Königsberg angekommen warst. Um ½ 3 Uhr kamen wir am Kino an und habe mich angestellt. Kurz vor mir war alles ausverkauft.  Inzwischen hatte es noch mit regnen angefangen, sodaß wir uns unterstellen mußten.  Die Kinder wären ja ungern wieder heim gegangen, vor allem, nachdem ich ihnen gesagt hatte, daß es das letzte Mal sei, daß ich ins Kino ginge. Gestern standest Du noch nicht an der Front, da ging es noch. Aber wenn Du wieder kämpfen mußt, will ich mich nicht daheim im Kino unterhalten. Du hast da draußen ja auch nichts.  Wir sind einkaufen gegangen und haben uns um 4 Uhr wieder angestellt. Dann sind wir noch eine Weile herumgelaufen. Um 5 Uhr war Einlaß, aber im Vorraum mußte man noch stehen. Das ging dann bis ½ 6 Uhr. Sie hatten mit der vorherigen Vorstellung später beginnen können wegen Stromausfalls. Der Film war sehr schön. Im wesentlichen handelte es sich um die Erfindung eines neuen Kolbens für ein Rennauto.  Während der Abwesenheit des Obermeisters und Erfinders wird diese Erfindung von seinem Vertreter durch Nachschlüssel gestohlen und an die Firma verkauft. Gleichzeitig soll sie aber auch ans Ausland verkauft werden. Durch unglückliche Umstände kommt der Betrüger bei der Auseinandersetzung um. Der Verdacht des Mordes richtet sich gegen den Obermeister und einen Ingenieur, der den Ermodeten aufsuchen sollte und ihn tot gefunden hat. Der Ingenieur nimmt einstweilen den Verdacht auf sich, bis der Kolben fertig konstruiert und das Auto für das Rennen um den großen Preis fertig ist. Es kommt dann zu einem Freispruch, da der Obermeister in Notwehr gehandelt hat.Vorher war ein Film von den Wiener Sängerknaben.  Wir kamen nun um 8 Uhr heim, haben gegessen und hinterher habe ich noch die Äpfel fertig geschnitten und das eine Glas Brombeeren sterilieseirt. Bei den Tomaten hat es 6 größere und 2 kleine Flaschen  mit Tomatenmus gegeben. Die 4 Eier, die ich bekommen hatte, habe ich gestern auch in Garantol eingelegt. Heute werde ich auch wieder Apfelringe schneiden.  Wo wirst Du jetzt sein, mein liebster Ernst?  Von Königsberg bis zur Front ist es ja nicht so sehr weit. Hoffentlich hast Du es nicht so sehr schwer.  Vorhin hörte ich im Wehrmachtsbericht, daß in der Nacht Königsberg angegriffen worden ist. Nun ist meine Befürchtung doch wahr geworden. Ich hoffe, daß Du gut davon gekommen bist. Ganz beruhigt werde ich ja erst sein, wenn ich entsprechende Nachricht von Dir erhalte.  Heute habe ich vor allem Apfelringe geschnitten. Alle Girlanden hängen wieder da, auch bei uns im Schlafzimmer. Eine Schüssel Apfelmus habe ich auch  gekocht fürs Frühstück. Vormittags habe ich die Truhen entsprechend umgepackt. Wir hatte ja davon gesprochen, als Du hier warst.  Es ist nun schon der dritte Abend, an dem wir wieder allein sind. Ach, was waren es doch für schöne Tage, als Du hier warst.